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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Die Jungfrau auf der Eselsbrücke

Von THOMAS ALTMANN 13.10.2011, 17:54

DESSAU/MZ. - "War die Jungfrau brav, bleibt der Bauch konkav", ist ihr Bauch konvex, hatte die Jungfrau was Besseres zu tun. Den Hirnaktivitäten des Publikums vertrauend, baut der Kabarettist im Nebenamt den zweiten Teil der Eselsbrücke nicht. Auch der Pferdefuß, der jede Eselsbrücke trägt, bleibt unerwähnt. Oder ist Unschuld eine negative Krümmung?

"Hochintelligent & Hochbegabt" heißt die neue Nummer des hauptamtlichen Mathematik- und Informatiklehrers Michael Puttkammer. Am Mittwoch war Premiere in der Villa Krötenhof, ein fröhliches Krötenschlucken. Hippocampus, Underachievement, Mnemotechnik: selten vereint ein Kabarettprogramm derart viele Fachbegriffe. "Hochintelligent & Hochbegabt" baut offenbar auf ein hochintelligentes, hochbegabtes Publikum.

Test des Erinnerungsvermögens

Puttkammer grast auf den unendlichen Weiten der Hirnforschung, schaltet sich ein ins limbische System und bläst Botenstoffe durch die Nüstern des Hippocampus. Pferdefisch heißt entsprechend der Form und gemäß der griechischen Sprache der Organisator des Gedächtnisses, den Puttkammer kitzelt. Da läuft er Gefahr, Amnesie, Erinnerungsstörungen, zu provozieren. Aber er liefert auch Exempel, testet das Erinnerungsvermögen der Gäste, oder fordert eine Frau auf, sich einem Versuch zu stellen, um frappant nur ihre Reaktion und die der Verschonten zu beschreiben.

Richtig frei gespielt, unterweist Puttkammer einen jungen Kollegen köstlich in der Kunst des Beurteilens. Bravissimo und temporeich wird dabei die Kompetenz eines Schülers schön geredet, etwa nach Art des Kunstlehrers, der aus der blanken Dummheit "pastellene Intelligenz" macht.

Zudem wird der Lehrer bündig zum Dienstleister degradiert, der aus reiner Notwehr den Gymnasiasten auf eine Privatschule komplimentiert. Dort kommt Puttkammer schulterfrei an, liefert Kuschelpädagogik im fernöstlichen Gewand und macht aus jeder Wahrheit einen Plural, auch simple Rechenaufgaben erhalten schlüssig mehrere Ergebnisse. Zuweilen hebt der Lehrer im Kabarettisten den Zeigefinger, zielt auf die Mode der katalogisierten Problematisierung, auf vorschnelle Etikettierungen wie "Underachiever", ein Minderleister mit hohem IQ-Wert.

Puttkammer wechselt die Brillen, baut Eselsbrücken, kämpft gegen Konventionen, Statistiken und Schulschließungen oder zeigt, dass behördliche Weisungen, unverändert vorgetragen, verlässlich fürs Kabarett taugen. Auch Schülermoden geraten in den Blick. "Morbus Mütze", die Krankheit Kopfbedeckung bei sommerlichen Temperaturen wird im Jugendjargon ausgelebt. Unglaubliche Ausreden für verspätetes Erscheinen - "Den späten Wurm verschont der Vogel" - werden aufgelistet. Nein, das Dixiklo, in dem eine Frau saß, als es umfiel, und zwar auf die Tür, sei wahrhaftig eine Entschuldigung gewesen.

"Rettet die Kröten!"

Puttkammer gräbt illuster in grauer Theorie, gibt bunte Praxisberichte und erzählt Witze über Polizisten, Blondinen und den: "Was geht zur Schule und hat einen IQ von 90? Drei Sportlehrer." Bei einem möglichen Acht-Augen-Gespräch unter Kollegen, darf sich der Lehrer darauf berufen, dass er den Intelligenztest auch relativiert hat.

Gerade sind alle Kröten gern geschluckt, da skandiert Puttkammer: "Rettet die Kröten! Esst Störche!", und verschreibt sich ganz dem Kleisttierschutz. Eine neue Brücke könne die Kollisionen der Hirschkäfer steigern, habe er vernommen. Nun singt er betroffen zum Finale den "Hirschkäfer-Horst-Tod-Blues". Der geht einem schon an die Fühler.

Weitere Aufführungen sind am 16., 19., 23. Oktober, 9. und 23. November. Der Kartenpreis beträgt neun Euro. Alle Veranstaltungen beginnen 20 Uhr, Einlass erfolgt eine Stunde vor Beginn. Kartenvorbestellungen sind unter Telefon: 0340 / 21 25 06 möglich.