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Chronologie Chinesische Studentin Yangjie Li in Dessau ermordet: Der Prozess im Überblick

10.05.2017, 14:30
Seit dem 25. November 2015 läuft der Mordprozess um die chinesische Studentin Yangjie Li vor dem Landgericht Dessau.
Seit dem 25. November 2015 läuft der Mordprozess um die chinesische Studentin Yangjie Li vor dem Landgericht Dessau. Bernd Martin

Dessau-Roßlau - Dieser Mordfall hat die Öffentlichkeit weit über die Region hinaus erschüttert: Im Mai dieses Jahres wurde die Leiche der 25-jährigen Studentin Yangjie Li in Dessau in einem Gebüsch gefunden. Die Chinesin war zunächst vergewaltigt und dann aus dem Fenster eines Hauses in der Hausmannstraße geworfen worden. Dort starb Yangjie Li. Ihre Leiche wurde zwei Tage später gefunden.

Angetan haben soll der jungen Frau dies ein Pärchen: Der damals 20-jährige Sebastian F. und die gleichaltrige Xenia I. Der Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes und Vergewaltigung hat am 25. November 2016 begonnen. Die MZ gibt einen Überblick, was an den einzelnen Prozesstagen geschah:

Chronologie im Mordprozess Yangjie Li (†25) in Dessau-Roßlau:

25. November 2016: Verlesung der Anklageschrift vor dem Landgericht Dessau

Am 25. November beginnt vor dem Landgericht Dessau der Prozess im Mordfall Yangjie Li. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, das Medieninteresse groß. Unter Blitzlichtgewitter werden die beiden 21-jährigen Tatverdächtigen Sebastian F. und Xenia I. in den Saal 118 des Landesgerichts geführt - beide verbergen ihre Gesichter hinter Aktenordnern.

Während der Anklageverlesung werden grausame Details der Tat bekannt. So soll Yangjie Li ein wahres Martyrium durchlebt haben: Eine Stunde lang sollen Sebastian F. seine Freundin Xenia I. die chinesische Studentin brutal gequält und vergewaltigt haben, bevor sie die geschundene Frau versteckten.

Auch ein mögliches Motiv nennt die Staatsanwaltschaft: Sie geht davon aus, dass Sebastian F. seine Freundin Xenia I. massiv unter Druck gesetzt hat, um ihm neue sexuelle Befriedigung zu verschaffen. 

28. November 2016: Nebenanklage kritisiert schleppende Polizeiarbeit

Die ersten Zeugen werden am zweiten Prozesstag im Mordprozess um Yangjie Li verhört: vier Ermittler, darunter Chef der Ermittlungsgruppe. Die Nebenklage wirft der Dessau-Roßlauer Polizei nachlässige Ermittlungsarbeit vor.

Kritikpunkt ist unter anderem, dass das Hinterhaus der Johannisstraße 7, an dem am 13. Mai die chinesische Studentin tot und brutal misshandelt gefunden wurde, zu spät im Fokus der Ermittlungen stand. 

Wie schwer Yangjie Li misshandelt wurde, macht die Aussage eines Polizisten deutlich, der ihre Leiche nach zweitägiger Suche gefunden hatte: „Die Tote sah aus wie eine Puppe.“

Am Ende des zweiten Prozesstages bleibt die Frage im Raum: Gab es Pannen bei der Zeugenbefragung und Spurensicherung bei der Polizei in Dessau-Roßlau?

30. November 2016: Mordprozess muss wegen Justizpanne neu gestartet werden

Eine Justizpanne hält den Mordprozess am Dessauer Landgericht auf. Weil eine Schöffin nicht vereidigt worden ist, muss die bisherige Verhandlung wiederholt werden.

Die Anklage wird erneut verlesen, anschließend geht der Prozess normal mit der Zeugenbefragung von Beamten des Landeskriminalamtes weiter. Deren Aussagen zeichnen ein grausiges Bild der Tat: So fanden die Emittler in der mutmaßlichen Tatwohnung, die unterhalb der Wohnung der Tatverdächtigen liegt, zahlreiche Blutspuren

Offenbar hatten Sebastian F. und Xenia I. versucht, diese durch Wegwischen zu vertuschen. In ihrer Wohnung wurden Wischmop und Lappen gesichert, an denen durch einen Luminoltest ebenfalls Blut gefunden wurde.

13. Dezember 2016: Cousine spricht über die Angeklagten

Im Prozess um den Mord an Yangjie Li sagt auch die Cousine der Angeklagten aus. Die gibt einen Einblick in die Beziehung des tatverdächtigen Pärchens: Xenia I. habe Angst gehabt, dass ihr Freund sie verlasse.

Das Pärchen soll ihr kurz vor der Tat ein Angebot für Sex zu dritt gemacht haben. Die Nebenanklage beantragt eine Neuauswertung der Handydaten.

Der Grund für die Justizpanne, durch die der Prozess im Mordfall Yangjie Li noch einmal neu begonnen werden musste, bleibt derweil geheim. Das Gericht beruft sich auf das Beratungsgeheimnis. Am dritten Prozesstag war bekannt geworden, dass eine Schöffin im Yangjie-Li-Prozess nicht vereidigt worden war.

14. Dezember 2016: Überwachungsvideos zeigen heimtückische Falle

Im Fall der getöteten Yangjie Li belasten Filmaufnahmen einer Überwachungskamera die Angeklagten schwer. Sie stammen aus dem Antiquitätengeschäft im Erdgeschoss der Johannisstraße 7 - und sollen die Begegnung zwischen Yangjie Li und der Angeklagten Xenia I. zeigen.

Die Aufnahmen verdeutlichen aber auch Versäumnisse der Polizei. Denn die Ermittler sicherten das entscheidende Videomaterial erst verspätet. Polizeibeamte werteten zunächst nur eine von vier Kameraperspektiven des Ladens aus, bevor der Ladenbesitzer ihnen das Material mit der Begegnung selbst auf das Revier brachte.

19. Dezember 2016: Feuerwehrmänner warnten vor dem Angeklagten Sebastian F.

Am sechsten Prozesstag sagen Freunde und Bekannte des tatverdächtigen Paares aus. Die Ex-Chefin von Sebastian F. berichtet über ein Telefonat mit ihm am Tag des Leichenfundes von Yangjie Li. Der Angeklagte sei aufgewühlt gewesen, habe davon gesprochem sofort umziehen zu wollen.

Zugleich berichtet sie, dass Feuerwehrmänner vor Sebastian F. gewarnt hätten. So wurde er mit diversen Brandstiftungen im Stadtgebiet in Verbindung gebracht.

20. Dezember 2016: Tatverdächtiger führte Polizei selbst auf seine Fährte

Im Prozess um den Mord an der chinesischen Studentin Yangjie Li in Dessau ist am Dienstag deutlich geworden, wie der Hauptangeklagte Sebastian F. der Polizei die Suche nach ihm erspart hat.

Demnach sei F. zehn Tage nach dem Fund der Leiche der jungen Frau zu einer routinemäßigen Befragung in der Polizeidirektion erschienen. Dabei habe er zunächst ausgesagt, das Opfer nie gesehen zu haben. Nach dem Ende der Befragung habe F. die Bombe platzen lassen, so ein als Zeuge geladener Polizeibeamter.

Er habe erklärt, so der Beamte, Sex mit seiner Freundin und einer jungen Chinesin gehabt zu haben. Er sei sich nicht sicher, ob es sich dabei um die später getötete Frau gehandelt habe, nun habe er Angst, dass an der Leiche DNA-Spuren von ihm gefunden werden könnten.

Die Personenbeschreibung, die er dann abgab, traf nach Angaben des Zeugen genau auf das Opfer zu. Daraufhin brach der Polizist die Befragung ab und informierte seinen Vorgesetzten. Anschließend wurde F. als Beschuldigter weiter verhört und am Ende vorläufig festgenommen.

09. Januar 2017: Ehemalige beste Freundin von Sebastian F. berichtet von Vergewaltigung

Am achten Verhandlungstag wurde eine Bekannte des mutmaßlichen Täters als Zeugin gehört. Die 23-Jährige habe sich nach eignener Aussage in der Schule mit Sebastian F. angefreundet, er sei ihr „bester Freund“ gewesen.

Dann wirft sie ihm schreckliche Taten vor: Sebastian F. soll die junge Frau an einem Wochenende im Jahr 2013 in eine Lagerhalle des DRK, für die er als ehrenamtlicher Mitarbeiter Zugang hatte, geführt haben und sie dort gegen ihren Willen zum Sex gezwungen haben. Etwa zwei bis drei Wochen später soll er sie noch einmal vergewaltigt haben.

Nach der Mittagspause und harten Nachfragen der Verteidiger brach die Zeugin in Tränen aus. Der Prozess musste unterbrochen werden.

10. Januar 2017: Ermittler finden Sex-Vertrag und Porno-Material

Sebastian F. und Xenia I. regelten ihr Sexleben mit einem absurden Vertrag. Das ist eine der Erkenntnisse aus der Arbeit der Ermittler, die am neunten Verhandlungstag im Mittelpunkt stand. Dem Vertrag ist unter anderem zu entnehmen, dass Xenia I. einen Ersatz für Sebastian F. besorgen musste, wenn sie ihren sexuellen Pflichten nicht nachkommt. Genau dieser Punkt könnte der chinesischen Studentin Yangjie Li zum Verhängnis geworden sein.

Auf einem privaten Computer fanden die Ermittler zudem Unmengen von pornografischen Bild- und Videomaterial sowie Chatprotokolle. Diese Chats belegen, dass Sebastian F. mit einer Vielzahl von Frauen aus dem Internet kommunizierte und sie auch aufforderte, ihm Nacktbilder von sich zu schicken. Dabei trat er mit wechselnden Identitäten auf.

16. Januar 2017: Xenia I. bricht überraschend ihr Schweigen

Die Mitangeklagte Xenia I. hat am zehnten Verhandlungstag überraschend eine Aussage gemacht und ihren damaligen Lebensgefährten Sebastian F. schwer belastet. Vor dem Landgericht schilderte die 21-jährige unter Tränen, dass ihr Lebensgefährte Yangjie Li schon im Hausflur überwältigt hatte und über sie hergefallen war. „Er wollte sie fesseln. Aber Frau Li hat sich die ganze Zeit gewehrt, hat um sich geschlagen und getreten.“ Sebastian F. habe das Opfer festgehalten, ihm den Mund zugehalten, es unter massiver Gewalt in eine leer stehende Wohnung des Hauses, in dem nur sie wohnten, gezogen und vergewaltigt.

Die 21-Jährige berichtete auch, dass sie von ihrem Freund selbst misshandelt und missbraucht worden war. Seit dem Sommer 2013 waren die beiden ein Paar. 2014 ist die Beziehung offenbar problematisch geworden. Sebastian F. habe sie fast täglich zum Sex gezwungen, sie mehrfach heftig geschlagen.

Verhandlungstage 11 - 20

23. Januar 2017: Mitangeklagte schildert Gewalt und Missbrauch seit 2014

Über zwei Jahre lang soll Sebastian F. seine damalige Partnerin Xenia I. immer wieder misshandelt und missbraucht haben. Am elften Verhandlungstag schilderte die Mitangeklagte die Beziehung zwischen ihr und F.

Demnach hätten sich nach einem ersten Übergriff im Sommer 2014 die Gewalt und der sexuelle Missbrauch immer weiter gesteigert. Auch unabhängig davon, dass er sie zum Sex gezwungen habe, soll sie mehrfach geschlagen und getreten worden sein. Erzählt haben will Xenia I. niemandem davon.

Außerdem berichtete Xenia I. vor Gericht von schwierigen eigenen Familienverhältnissen. Ihr Stiefvater soll sie nach eigenen Angaben mehrfach vergewaltigt haben, mit der Mutter gab es Streit.

24. Januar 2017: Xenia I. schweigt

Nach ihrem Teilgeständnis beantwortet die Mitangeklagte keine weiteren Fragen von Richterin Uda Schmidt. Warum sie sich nicht weiter zur Tatnacht und den Tagen danach äußern wollte, sagte sie nicht.

Bereits am Vortag hatten ihre Verteidiger durchblicken lassen, es bei den bisherigen Einlassungen vor Gericht und beim psychiatrischen Gutachten von vergangener Woche zu belassen. Der zwölfte Prozesstag war damit schon nach nur 40 Minuten beendet.

30. Januar 2017: Polizist räumt Fehler bei Ermittlungen ein

Bei der Aufklärung des Mordes an der chinesischen Studentin Yangjie Li hat es Versäumnisse gegeben. Das räumte ein hochrangiger Polizeibeamter am 13. Prozesstag ein.

Demnach hätten die Beamten bei der Kontrolle des Hauses Fenster nicht geöffnet und so Blutspuren an einem Baugerüst nicht entdeckt. Die Polizisten hätten das Fenster nicht geöffnet, "weil draußen Leute Blumen niedergelegt haben und Presse da war", sagte Kriminalrat Thomas E.

Außerdem wurde nicht sofort das gesamte Videomaterial einer Überwachungskamera des Antiquitätenhändlers, der sich im Erdgeschoss des Wohnhauses befindet, gesichert. Es habe bei der Polizei an den technischen Kapazitäten gefehlt, so der Zeuge vor Gericht.

31. Januar 2017: Sebastian F. soll Stiefsohn immer wieder gequält haben

Eine Gartennachbarin des Angeklagten schilderte am letzten Verhandlungstag vor der planmäßigen dreiwöchigen Pause, wie der Angeklagte seinen Stiefsohn mehrfach auf brutale Weise misshandelt haben soll. Sebastian F. soll das Kind etwa an den Beinen gepackt und es kopfüber in eine mit Wasser randvoll gefüllte Regentonne gesteckt haben.

Die  Frau berichtete auch, dass der Angeklagte das Kind tagelang in einem Zimmer eingesperrt habe.  Offenbar musste der Junge auch seine Notdurft in dem Raum verrichten, „denn es stank im ganzen Haus“, so die Zeugin. Die 50-Jährige habe das Jugendamt informiert, eine konkrete Reaktion habe es aber nicht gegeben.

Daneben wurde ein Polizist gehört, der den Angeklagten zu Beginn der Ermittlungen vernommen hatte. Er berichtete, dass Sebastian F. erst selbstsicher und arrogant aufgetreten, später aber in Tränen ausgebrochen sei und verlangt habe, seine Mutter zu sprechen.

In der dreiwöchigen Verhandlungspause wurden umfangreiche Nachermittlungen aufgenommen. So wurden etwa alle Mülltonnen aus dem Tathaus in der Dessauer Johannisstraße 7 abgeholt. Sebastian F. soll Yangjie Li nach der Tat in einer Mülltonne in das Hinterhaus transportiert haben. Außerdem wurden Hörtests durchgeführt, um zu klären, wo im Haus Schreie zu hören gewesen sein könnten.

20. Februar 2017: Beste Freundin sah Yangjie Li nur wenige Stunden vor der Tag

Am ersten Tag nach der Wiederaufnahme des Prozesses wurde die beste Freundin der getöteten chinesischen Studentin gehört. Sie beschrieb Yangjie Li als sehr nette junge Frau, offen und hilfsbereit gegenüber Freunden. Yangjie Li habe Sport geliebt und sei sehr fleißig im Studium gewesen.

Sie sahen sich oft, manchmal täglich, kochten und aßen zusammen, verbrachten ihre Freizeit gemeinsam. Am Abend vor der Tat hätten sich die Freundinnen demnach in einem Supermarkt getroffen, am nächsten Morgen wollten sie gemeinsam frühstücken.

Mehrere Nachfragen hatte die Richterin zur Persönlichkeit von Yangjie Li: Wie sie auf Unbekannte reagiert habe, ob sie sich auf Unterhaltungen eingelassen habe. Die Zeugin beschrieb ihre Freundin als zurückhaltend und schüchtern gegenüber Fremden.

21. Februar 2017: Sebastian F. prahlte in Chat-Nachrichten mit Leiche

Der Hauptangeklagte hat mit fataler Prahlerei im Internet möglicherweise Täterwissen preisgegeben. Das geht aus Chat-Nachrichten hervor, aus denen am 16. Verhandlungstag zititert wurde.

Sebastian F. soll demnach am 12. Mai um 3.56 Uhr einer Bekannten geschrieben haben, dass er angeblich gerade einen Einsatz als Feuerwehrmann hatte. „Mussten Amtshilfe für Polizei leisten. War nicht gerade schön.“ Auf die Frage, worum es gegangen sei, antwortete Sebastian F.: um eine Leiche.

Yangjie Li wurde in der Nacht vom 11. zum 12. Mai misshandelt, missbraucht und getötet. In einem Video ist mutmaßlich Sebastian F. zu sehen, wie er um 2.24 Uhr um das Haus herumgeht - vermutlich, um die Leiche von Yangjie unter einer Konifere hinter dem Hinterhaus zu verstecken. Dort war sie am 13. Mai gefunden worden.

Außerdem beantragte der Nebenklageanwalt Sven Peitzner an diesem Verhandlungstag, dass ein Amtsarzt die seit Monaten krank geschriebene Mutter des Anklagten untersucht. Die Staatsanwaltschaft schloss sich dem Antrag an.

27. Februar 2017: DNA-Spuren deuten unmissverständlich auf Sebastian F. und Xenia I.

An der Leiche von Yangjie Li gefundene DNA-Spuren passen eindeutig zu Sebastian F. und Xenia I. und belasten die beiden Angeklagten damit schwer. Eine Mitarbeiterin des Forensischen Labors der Martin-Luther-Universität erläuterte die Ergebnisse der DNA-Untersuchung am 17 Verhandlungstag: Die Beteiligung von Sebastian F. als Spurenverursacher ist demnach in mindestens einem Fall laut mikrobiologischem Gutachten 2,6 Billionen Mal wahrscheinlicher als die Beteiligung eines anderen Mannes. Xenia I.s Beteiligung ist gleich 245 Milliarden Mal wahrscheinlicher.

Unter anderem bestätigte sich die Hypothese bei Spuren, die an Haaren und am Fingernagel des Mordopfers gefunden wurden.

28. Februar 2017: Stiefvater von Sebastian F. sagt aus

Am 18. Verhandlungstag wurde endlich der Stiefvater des Hauptangeklagten gehört. Auf seine Aussage war lange gewartet worden. Der Stiefvater war Chef des Dessau-Roßlauer Polizeireviers, seine Frau, die Mutter des Angeklagten Sebastian F., ist ebenfalls Polizisten.

„Ich verabscheue diese Tat auf das Entschiedenste“, erklärte Sebastian F.s Stiefvater. Weiterhin gab er an, dass Sebastian F. wegen einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung beim Psychologen behandelt worden zu sein, auch eine gerichtliche Zwangseinweisung in Psychiatrie habe es gegeben.

6. März 2017: Ex-Freundin berichtet von Demütigung durch Sebastian F.

Eine Ex-Freundin des Hauptangeklagten hat am 19. Prozesstag von ihrer Beziehung zu ihm berichtet. Dabei beschrieb die 20-Jährige Sebastian F. als sprunghaft, launisch und bestimmend.

„Er wollte einen Menschen aus mir machen, der ich nicht war", sagte die Frau vor Gericht. So habe er sie etwa stets Pia genannt, obwohl das nicht ihr Name ist. Außerdem habe es sie sehr verletzt, dass Sebastian F. während eines sexuellen Kontakts mit ihr gleichzeitig per Mobiltelefon mit Xenia I. in Kontakt stand.

7. März 2017: Ermittler finden eine Blutspur an einem Schuh

Eine Blutspur, die Ermittler an einem Schuh gefunden haben, könnte auf Sebastian F. hindeuten. Die Spur ist unter anderem Thema eines Gutachtens des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalts nahe, das am 20. Verhandlungstag verlesen wurde.

So sei es bereits im August 2016 gelungen, einige wichtige Gemeinsamkeiten zwischen Schuhen des mutmaßlichen Mörders und einer Spur am Tatort nachzuweisen. Demnach passen das typische Wellenprofil der Schuhe von Sebastian F. und ein entsprechender Abdruck auf dem Bodenbelag in der Tatwohnung in der Dessauer Johannisstraße 7 offenbar zueinander. Auch die Größe 44/45 stimme überein.

Außerdem belegten die Ergebnisse der durchgeführten Hörests, dass Xenia I. die Schreie der chinesischen Studentin im ganzen Haus hätte hören müssen. Damit steht hinter einer grundlegenden Aussage der mitangeklagten Xenia I., die sie im Januar gemacht hatte, ein Fragezeichen.

Verhandlungstage 21 - 30

13. März 2017: Handyvideos zeigen Xenia I. bei erzwungenem Sex mit Sebastian F.

Am 21. Verhandlungstag sichteten die Richterin und die Anwälte Videoaufnahmen, die auf einem Mobiltelefon gefunden wurden. Darin ist zusehen, wie Xenia I. von Sebastian F. zum Oralverkehr gezwungen wird. Die Filme wurden verdeckt am Richtertisch gesichtet, die Geräusche drangen allerdings durch den Zuschauerraum. Zu hören waren Atemgeräusche, die Stimmen des damaligen Paares, Anweisungen von Sebastian F. an Xenia I. und ihre zwischenzeitliche Weigerung, diesen zu folgen.

Außerdem verlas die Richterin einen Brief, den Xenia I. in der Haft an ihren Expartner Sebastian F. geschrieben hat. Darin rechnet sie mit ihm ab. „Ich werde dich nicht mehr schützen“, schreibt sie. „Ich habe dich immer geliebt. Jetzt ist Schluss."

14. März 2017: Rechtsmedizinerin legt Gutachten vor, demnach starb Yangjie Li unter unvorstellbaren Qualen

Am 22. Verhandlungstag trug eine Rechtsmedizinerin ein Gutachten zu den Verletzungen von Yangjie Li vor. Das Gutachten zeigt das Ausmaß der Brutalität, mit der die junge chensische Studentin missbraucht und misshandelt wurde.

„Der Körper war übersät mit Hämatomen. Das Gesamtverletzungsmaß war erheblich“, erklärte Fachärztin Carolin Richter vom Institut für Rechtsmedizin in Hallevor dem Dessauer Landgericht.

Die Gerichtsmedizinerin konnte den Todeszeitpunkt am Dienstag nicht genau eingrenzen: Er könnte am frühen Morgen des 12. Mai beziehungsweise in den Stunden danach eingetreten sein. Gestorben war die junge Chinesin an Herzversagen infolge einer so genannten Lungenfettembolie, erklärte die Fachärztin.

27. März 2017: „Wie viele Jahre gibt es für Mord?“ - Ermittler des BKA werten die Mobiltelefone des angeklagten Paares aus

Zwei Polizistinnen, die mit der Auswertung der Mobiltelefone der Angeklagten befasst waren, berichteten am 23. Prozesstag vor Gericht über ihre Arbeit.

Was sie auf Fragen von Richterin Uda Schmidt im Zeugenstand mitteilten, erschütterte die Zuschauer des Prozesses.

Der Inhalt von Telefonaten und Kurznachrichten sowie Suchaufträge im Netz weckte die Erinnerung an das grausame Geschehen vom 11. Mai 2016, infolgedessan Yangjie Li starb. So wurde mit dem Mobiltelefon unter anderem nach folgenden Begriffen gesucht: Leiche draußen, Spürhund, Polizei, Leichenstarre, DNA und „Wie viele Jahre gibt es für Mord?“

3. April 2017: Psychiatrischer Gutachter hält weitere Taten von Sebastian F. für möglich

Ein psychiatrischer Gutachter hat den Angeklagten Sebastian F. am 24. Verhandlungstag im Yangjie-Li-Prozess als „außergewöhnlich empathielosen Menschen“ und äußerst gefühlskalt charakterisiert. Sebastian F. zeige keine Schuldgefühle, Scham oder Reue, erklärte Spezialist Bernd Langer vor dem Landgericht in Dessau.

Der Gutachter erklärte, bei Sebastian F. habe es schon seit dem frühesten Kindesalter eine Aufmerksamkeitshyperaktiviätsstörung in Verbindung mit gestörtem Sozialverhalten gegeben. „Er biss, kratzte und schlug Kinder.“ Es gab mehrere Klinikaufenthalte, zuletzt 2012. Sebastian F. hatte die Schule nach der achten Klasse verlassen.

Zudem sagte der Gutachter: „Es spricht mehr gegen die Anwendung des Jugenstrafrechts als dafür.“ Sebastian F. war zum Zeitpunkt der Tat 20 Jahre alt.

18. April 2017: Mutter von Sebastian F. wird für Prozessunfähig erklärt

Im Verfahren um die Ermordung der chinesischen Studentin Yangjie Li kann und muss die Mutter des Angeklagten Sebastian F. vorerst nicht aussagen.

Die Polizistin war seit etlichen Monaten krankgeschrieben. Ein vom Gericht angefordertes amtsärztliches Gutachten bestätigte dies nun.

Richterin Uda Schmidt fasste das Gutachten so zusammen: „Die Verhandlungsunfähigkeit der Mutter des Angeklagten Sebastian F. wird voraussichtlich für mehrere Monate fortbestehen.“ Von ärztlicher Seite werde das traumatische Erleben der Ereignisse rund um die Ermordung und dessen Aufklärung als Hauptgrund angeführt. Das mache sowohl ein Erscheinen vor Gericht als auch eine Aussage bis auf weiteres unmöglich.

24. April 2017: Gutachter fordert Jugendstrafrecht für Xenia I.

Der Gutachter Bernd Langer hat im Yangjie-Li-Prozess bei der Mitangeklagten Xenia I. die Anwendung des Jugendstrafrechts empfohlen.

Er hatte bei ihr eine deutliche Reifeverzögerung festgestellt, zugleich aber deutlich gemacht, dass er in einem stabilen Umfeld Potenziale für eine Nachreifung sehe.

Der Gutachter attestierte der ebenfalls 21-Jährigen eine Traumatisierung durch einen sexuellen Missbrauch als Kind durch den Stiefvater. Die Beziehung zu Sebastian F. sei fast schon von Hörigkeit geprägt gewesen. Es habe eine emotionale und psychische Abhängigkeit gegeben und extreme Ängste vor Alleinsein und Verlassenwerden.

26. April 2017: Jugendgerichtshilfe bestätigt Urteil des Gutachtens

Im Prozess um den Mord an Yangjie Li hat die Jugendgerichtshilfe empfohlen, bei Sebastian F. das Erwachsenenstrafrecht und bei Xenia I. das Jugendstrafrecht anzuwenden. Carola Kreiseler-Möbes vom Jugendamt in Dessau-Roßlau hatte am Dienstag ihre Einschätzung am Landgericht vorgelegt.

Sie folgte damit dem Urteil des forensischen Psychiaters Bernd Langer, der ebenfalls zu diesem Schluss gekommen war. Welches Strafrecht angewendet wird, ist entscheidend für das Strafmaß.

9. Mai 2017: Beweisaufnahme steht kurz vor dem Ende

Richterin Uda Schmidt erklärte am 28. Verhandlungstag am Dienstag, dass die Beweisaufnahme fast zuende sei. „Ich bitte alle, sich langsam auf die Plädoyers vorzubereiten.“

Die Verteidigerin von Xenia I. forderte, von Google gespeicherte Daten freizugeben. Der Verteidiger von Sebastian F. schlug vor, Justizvollzugsbeamte aus Raßnitz als Zeugen vorzuladen, um die Persönlichkeit von Sebastian F. einzuschätzen. F. sitzt dort ein. Der Verteidiger will zeigen, dass F. sich dort integriert habe und Anweisungen folge.

22. Mai 2017: JVA-Mitarbeiter sagen aus

Die Vorsitzende Richterin Uda Schmidt kündigte am Montag am Landgericht an, es würden noch Akten verlesen. Wann genau die Plädoyers gehalten werden, gab sie noch nicht bekannt.

Die Vernehmung von Zeugen aus der Justizvollzugsanstalt Raßnitz am Montag könnte für den Hauptangeklagten Sebastian F. im Yangjie-Li-Prozess zum Nachteil werden.

Der ehemalige Leiter der Justizvollzugsanstalt beschrieb Sebastian F. vor dem Landgericht Dessau einerseits als angepasst und in der Wohngruppe integriert. Andererseits sei der Angeklagte aber auch aufbrausend.

23. Mai 2017: Eltern von Yangjie Li fordern Schmerzensgeld

Im Mordprozess hat die Nebenklage einen so genannten Adhäsionsantrag gestellt, das heißt, dass Sebastian F. und Xenia I. Schmerzensgeld an die Eltern der chinesischen Studentin zahlen müssen. Die Höhe soll im Ermessen des Gerichts liegen.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben bis zum 31. Juli Zeit, ihr Plädoyer vorzubereiten. Die Verteidiger von Sebastian F. und Xenia I. sollen am 1. August ihr Abschlussplädoyer halten.

Verhandlungstage 31 - 36

29. Mai 2017: Angeklagte haben keine weiße Weste

Im Prozess hat die Vorsitzende Richterin am Montag die Auszüge aus dem Bundeszentralregister verlesen: Beide Angeklagte waren in der Vergangenheit schon mehrfach mit der Justiz in Konflikt.  Der 31. Prozesstag war nach nicht einmal zehn Minuten beendet.

6. Juni 2017: Nebenklage unternimmt letzten Versuch Mutter von Sebastian F. als Zeugin zu laden

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage dringen auf eine Vernehmung der Polizistin. Beide wollen das amtsärztliche Gutachten, nach dem die Mutter nicht verhandlungsfähig sei, nicht akzeptieren. Die Frau ist seit fast einem Jahr krankgeschrieben und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung.

20. Juni 2017: Die Mutter von Sebastian F. wird in diesem Prozess nicht mehr aussagen

Die Mutter des Angeklagten Sebastian F. schweigt weiterhin. In einem Schreiben ihres Anwaltes erklärte sie, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen würde.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten beantragt, die Mutter des angeklagten 21-Jährigen zu hören. Das Gericht lehnte die Anträge nun ab.

18. Juli 2017: Richterin Uda Schmidt schließt die Beweisaufnahme

Am 34. Verhandlungstag hat die Vorsitzende Richterin Uda Schmidt am Dienstag den letzten Beweisantrag verhandelt und abgelehnt. So sollte auf Antrag der Verteidigung von Xenia I. Daten in den Prozess eingebracht werden, die in der Mordnacht in den Google-Übersetzer auf dem Handy der Angeklagten eingegeben worden sein sollen.

Die Protokolle waren zu diesem Zeitpunkt allerdings schon gelöscht.

Am 31. Juli sollen Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Plädoyers halten. Die Verteidigung soll Ihre Plädoyers dann am 1. August vortragen können. Am 4. August wird das Urteil fallen.

31. Juli 2017: Staatsanwaltschaft fordert Lebenslang für Sebastian F. und acht Jahre Jugendstrafe für Xenia I.

Die Staatsanwaltschaft Dessau hat für den Hauptangeklagten Sebastian F.  im Fall Yangjie Li eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung und Mordes beantragt, für  Xenia I. soll es eine Jugendstrafe von acht Jahren geben.

Bei Xenia I. war die Staatsanwaltschaft dafür, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Ihr sei die Unreife noch heute anzusehen. Mit Blick auf Sebastian F. plädierte man auf das Erwachsenenstrafrecht. "Ich sehe keine Möglichkeit der Nachreifung. Das wäre im Jugendstrafrecht das Ziel."

1. August 2017: Verteidigung fordert zehn Jahre Jugendstrafe für Sebastian F. und drei Jahre für Xenia I.

Die Verteidiger sehen eine schwere Vergewaltigung mit Todesfolge als erwiesen an. Da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt gewesen ist und seine menschliche Reife große Defizite aufweise, fordert Rechtsanwalt Klaus Rumph für Sebastian F. eine Jugendstrafe von zehn Jahren.

Sollte das Gericht am Ende auf Mord entscheiden, will die Verteidigung eine Strafe von zwölf Jahren.

Rechtsanwältin Inselmann: „Xenia I. befand sich in einem starkem Abhängigkeitsverhältnis von Sebastian F.“ Erst im Laufe der Untersuchungshaft habe sie sich aus seinem Schatten lösen können. Drei Jahre Freiheitsentzug und Erlass der Verfahrenskosten, so lautet ihr Vorschlag zur Bestrafung von Xenia I.

Die Anwälte der Eltern schildern die Sicht der Opferfamilie. Rechtsanwalt Peitzner versucht, die Beklemmung so auf den Punkt zu bringen: „Die Eltern des Täters können ihren Sohn im Gefängnis besuchen, die Eltern von Yangjie Li werden ihre Tochter nie mehr sehen,“ und fordert eine Lebenslange Haftstrafe für Sebastian F. und 15 Jahre Jugenhaft für Xenia I.

4. August 2017: Das Gericht verurteilt Sebastian F. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie Xenia I. zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe.

Im Mordprozess Yangjie Li wurde kurz nach 9 Uhr das Urteil verkündet: Der Hauptangeklagte Sebastian F. muss wegen Mordes und Vergewaltigung lebenslang hinter Gitter. Bei ihm stellte das Gericht zudem eine besondere Schwere der Schuld fest. Er muss also mindestens 15 Jahre in Haft bleiben.

Xenia I., Mitangeklagte und Ex-Freundin, erhielt wegen sexueller Nötigung in besonders schwerem Fall eine Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Die Angeklagten vernahmen das Urteil ohne Regung. Beide müssen etwa 60.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Sebastian F. trägt zudem noch die Kosten des Verfahrens. Xenia I. nicht

(mz)