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Landesbücherei Anhaltische Landesbücherei in Dessau: Forscherin sucht nach Raubgut in der Bibliothek

Von Danny Gitter 18.07.2017, 07:54
Ein Bücherregal in einer Bibliothek
Ein Bücherregal in einer Bibliothek imago stock&people

Dessau - Seit dem 11. Juli forscht Diana Richter, Nachwuchswissenschaftlerin und Absolventin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg für einen Zeitraum von sechs Monaten zu NS-Raubgut in kommunalen Bibliotheken in Sachsen-Anhalt.

Bucher wurden in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlen

Neben Gemälden, Kunst- und Gebrauchsgegenständen sind bei der Enteignung vor allem jüdischer Familien zur Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 teilweise auch Bücher unrechtmäßig entwendet worden, die zum Teil bis heute auch in öffentlichen Beständen von Bibliotheken zu finden sind.

Um die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken voranzutreiben, hat der Landesverband Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband einen sogenannten Erstcheck in fünf Bibliotheken des Landes gestartet. Daran beteiligen sich die Harzbücherei Wernigerode, die Bibliothek des Europa-Rosariums Sangerhausen, die Francisceumsbibliothek Zerbst, die Stadtbibliothek Magdeburg sowie die Anhaltische Landesbücherei Dessau. Finanziell unterstützt werden die Nachwuchswissenschaftlerin und der sachsen-anhaltische Bibliotheken-Landesverband bei ihrer Suche nach NS-Raubgut vom Deutschen Zentrum für Kulturverluste in Magdeburg.

Erstcheck hat schon begonnen

Beim Erstcheck in den Bibliotheken wird Diana Richter anhand diverser wissenschaftlicher Kriterien nach Büchern fahnden, die möglicherweise NS-Raubgut geworden sind. Dazu zählt unter anderem die Provenienzforschung. Sie widmet sich als Teildisziplin der Geschichte der systematischen Erforschung der Herkunft und den Besitzverhältnissen von Kulturgütern. Einerseits wird direkt an den Büchern nach Hinweisen zur Herkunft geforscht. Zum anderen werden auch archivierte Akten und Verzeichnisse durchforstet.

In der Anhaltischen Landesbücherei wird der Erstcheck voraussichtlich im Herbst stattfinden. „Schon im Vorfeld haben wir dafür umfangreiches Material an Akten und Verzeichnissen zur Verfügung gestellt“, so Adrian La Salvia, Leiter der Anhaltischen Landesbücherei. Er geht davon aus, dass der Erstcheck vor Ort nur wenige Tage dauern wird.

Landesbücherei hat schon eigene Recherchen betrieben

„Durch eigene Recherchen hat die Landesbücherei festgestellt, kaum Bestände zu haben, die möglicherweise NS-Raubgut sein könnten“, erläutert der Bibliotheksleiter. „Trotzdem begrüßen wir die Initiative, weil wir uns dadurch endgültig absichern“, sagt La Salvia. Sollten dennoch Bücher im Bibliotheksbestand als NS-Raubgut identifiziert werden, werden sie an die Eigentümer oder Hinterbliebenen zurückgegeben.

Es kommt tatsächlich hin und wieder vor, dass sich enteignete Bücher im Bibliotheksbestand befinden und zurückgegeben werden. Es handelt sich dabei sehr oft um Bücher aus der Zeit der Bodenreform um 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht. Großgrundbesitzern wurde oft nicht nur der Grund und Boden, sondern der gesamte Besitz, darunter auch Bücher, entzogen. Ein Teil dieser enteigneten Bücher landete in öffentlichen Bibliotheken, darunter auch in Dessau.

Einige Bücher wurden schon zurückgegeben

„Bei Raubgut aus der Bodenreform hatten wir schon einige begründete Verdachtsfälle und private Anfragen von ehemaligen Eigentümern und Hinterbliebenen“, so La Salvia. Wenn die Besitzverhältnisse eindeutig geklärt sind, übergibt die Anhaltische Landesbücherei die Bücher an ihre rechtmäßigen Besitzer.

(mz)