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Anhaltische Gemäldegalerie Anhaltische Gemäldegalerie: Betuchter Maler und leicht betuchte Damen

Von Thomas Altmann 22.01.2003, 14:39

Dessau/MZ. - Der um 1510 entstandene Marienaltar mit seiner zärtlich körperlichen Heiligkeit gilt als Höhepunkt neuzeitlicher Kunst. Heute bildet das von Friedrich dem Weisen und seinem Bruder Johann in Auftrag gegebene Werk einen Eckstein der Sammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie.

Traten die Stifter von Andachtsbildern sonst bescheiden in den Hintergrund, so posieren die Landesherren auf den Flügeln des Altarbildes selbstbewusst in ebenbürtiger Größe. Umgeben sind die sie von ihren Schutzpatronen als Mittler zwischen Mensch und Gott. Dass passt zum eigentlichen Ort des Altarbildes, der Marienkapelle der Wittenberger Schlosskirche. Hier frönte ausgerechnet der Landesvater der späteren Reformation seiner unbändigen Lust des Reliquiensammelns. Die mächtige Sammlung zählte 1509, als Lucas Cranach einen Katalog der heiligen Überreste anfertigte, stolze 5 005 Reliquien.

Mit der Reformation erlitt der Markt der Marienbilder einen Einbruch, auch wenn Friedrich weiterhin Cranach-Täfelchen gegen Reliquien tauschte. Dafür galt es biblische Episoden darzustellen, wobei - gut reformatorisch - die Schrift in der Schrift, also das gesprochene Wort Jesu, in den Vordergrund trat. Zudem erlangte der Holzschnitt Gewicht. Als Andreas Karlstadt 1522 in Abwesenheit Luthers zum Bildersturm aufrief, war sogar der entfernte Dürer äußerst besorgt. Der Maler und Ratsherr aus Wittenberg hat vermutlich Luther angeregt, die Wartburg zu verlassen, um zu intervenieren.

Über die Größe der Cranachwerkstatt kann nur anhand von Indizien spekuliert werden. Zeitweise waren wohl bis zu zehn Gesellen beschäftigt. Hinzu kamen Subunternehmer. Doch keiner der Gesellen trat - anders als in Dürers Werkstatt - in das Licht der Kunstgeschichte. Sie waren derart auf den Stil des Meisters eingeschworen, dass keine evidente Händescheidung möglich ist.

Effizient wurden in Cranachs Werkstatt beliebte Sujets variiert. Dazu zählt auch "Das Urteil des Paris", welches in der Gemäldegalerie nur als Fragment erhalten ist. Während der Kriegsauslagerung gelangte das Bild in fremde Hände und wurde wohl aus Besitzstreitigkeiten "wie mit einem Axthieb" vertikal getrennt. Vom trojanischen Prinzen in Ritterrüstung ist nur der gepanzerte Schuh zu erkennen. Die drei mädchenhaften Göttinnen sind erhalten. Ihnen fehlen jedoch identifizierende Accessoires.

Um 1508 erstellte Cranach einen ersten Holzschnitt zum damals durchaus moralisierend gedeuteten Schönheitswettbewerb. Ein Jahr später folgte ein erster Versuch in der Aktmalerei. Die "Venus mit dem Amorknaben" (Petersburg) zeigt sich noch in der breithüftigen Konstitution der Renaissance.

Dann nehmen die Göttinnen in seinem Werk an Gewicht und Alter ab. Ob Venus, Diana oder gar Eva - Cranachs Kindfrauen machten ihn zum Aktspezialisten der Epoche trotz effizienter Werkstattproduktion. Fraglich bleibt, ob der didaktische Wert der Mythen oder eher die delikate, mädchenhafte Sinnlichkeit das Interesse der Auftraggeber weckte.