Altersarmut Altersarmut: Ausstellung in Dessau-Roßlau zeigt die "vergessenen Frauen" der DDR

Dessau - „Kann man Frauen bei einer gesetzlichen Regelung mal eben so vergessen“, fragt Finanzbürgermeisterin Sabrina Nußbeck. Sie weiß die Antwort bereits. Man kann nicht nur, man hat - aber bis heute auch nichts getan, um das zu ändern.
Es geht um das Rentenrecht, genauer gesagt, um die Rente von in der DDR geschiedenen Frauen. Am Montag wurde dazu eine eindrucksvolle Ausstellung im Bürger-, Bildungs- und Freizeitzentrum in der Erdmannsdorffstraße eröffnet. Der Landesfrauenrat präsentiert dort eine großformatige Fotoausstellung für den Verein der in der DDR geschiedenen Frauen. „Frauen kämpfen um ihr Recht - In der DDR geschieden, durch den Einheitsvertrag diskriminiert“ ist sie überschrieben.
16 Frauen schauen den Betrachter an, schildern in einer kurzen Biografie ihre besondere Situation, die weder im Einigungsvertrag noch in der Rentenüberleitung berücksichtigt wurde.
Denn mit dem Einigungsvertrag wurde geregelt, dass das bisher ursprünglich in der BRD geltende Rentenrecht ab 1992 für das gesamte Bundesgebiet, also auch für die neuen Bundesländer, gilt. Die DDR-Regelungen entfielen ersatzlos.
So wurde die Pflege Angehöriger aberkannt, freiwillige und symbolische Beitrage (die es in der DDR gab) wurden entwertet. Es zählten nicht mehr die letzten 20, sondern alle Berufsjahre. So sank das Rentenniveau weit unter die erbrachte Leistung. Einen Ausgleich von ihren Männern, wie es das bundesdeutsche Rentenrecht vorsieht, erhalten die Frauen nicht.
Im Rahmenprogramm der Ausstellung im BBFZ gibt es am Mittwoch, 22. Juni, um 14 Uhr eine offene Sitzung der Initiativgruppe DDR-Geschiedene. 16 Uhr folgt ein Vortrag: „Führte Stress in der Wende zu einer Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen?“ Am Donnerstag, 23. Juni, heißt es um 14.30 Uhr: „Haben Frauen das verdient?!“ Es geht dabei um den Vergleich von Frauen- und Männergehältern.
„Wir wurden enteignet!“
„Das Rentenüberleitungsgesetz nahm uns unverschuldet unsere Rentenansprüche“, sagt Elisabeth L, 1940 geboren, Kitaleiterin, 41 angerechnete Berufsjahre, zwei Kinder, eine Angehörige gepflegt, 21 Jahre verheiratet. „Wir wurden enteignet!“
Christine F., 1933 geboren, OP-Schwester, zwei Kinder, war 25 Jahre verheiratet, beklagt: „Mein Mann hat studiert und es war selbstverständlich, dass ich mich um alles kümmere. Ist das keine Arbeit?“ Dass F. am Existenzminimum lebt, darauf weist folgende Aussage hin: „Meine Tochter gibt mir monatlich Geld, damit ich mir wenigstens eine Monatskarte leisten kann.“
Doris K., 1935 geboren, Krankenschwester und Krippenleiterin, 38 anerkannte Berufsjahre, ein Kind, war 32 Jahre verheiratet. Sie ahnt: „Die Politik wartet auf eine biologische Lösung.“
Die Benachteiligung geht weiter
Auch Erika Arnoldi und Helga Hoch befürchten das - wie die Frauen auf den Bildtafeln. Die Dessauerinnen sind froh, dass die Ausstellung in ihre Heimatstadt gekommen ist, um auf das Problem aufmerksam zu machen. „Ich selbst bin zum Glück nicht auf die Hilfe meines Sohnes angewiesen“, sagt Hoch, die 23 Jahre lang verheiratet war. Aber vielen Frauen gehe es anders, weshalb sie für alle mit kämpfe.
Viele Betroffene, stellt auch Finanzbürgermeisterin Nußbeck fest, müssen mit sehr geringen Renten auskommen bzw. sind von Sozialleistungen abhängig. Denn obwohl - auch noch heute - ostdeutsche Frauen und Mütter häufiger Vollzeit arbeiten als Frauen in den westlichen Bundesländern, liegt das Bruttoeinkommen der Haushalte im Osten immer noch niedriger. „Damit geht die Benachteiligung ostdeutscher Frauen weiter, denn obwohl sie mehr arbeiten, werden sie später mit niedrigeren Renten rechnen müssen, ganz zu schweigen, wenn dann noch Zeiten der Erwerbslosigkeit zu Buche schlagen“, sagt Nußbeck.
Eine Frage des Wollens
Eine Lösung für die in der DDR geschiedenen Frauen wäre politisch möglich, findet Daniela Suchantke vom Landesfrauenrat, etwa mit einem Entschädigungsfonds. „Aber es ist eine Frage des Wollens.“ Für Erika Arnoldi und Helga Hoch steht fest: „Wir müssen das schaffen - bevor wir alle sterben.“ Denn von einst 800.000 betroffenen in der DDR geschiedenen Frauen leben heute nur noch 300.000.
Die Ausstellung ist 14 Tage lang im BBFZ zu sehen. Danach wird sie in Wernigerode, Halberstadt, Halle und Magdeburg gezeigt. (mz)
