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101. Geburtstag 101. Geburtstag: Vor der Feier hat sie noch fürs Essen gesorgt

Von Lothar Gens 29.12.2002, 18:17

Roßlau/MZ. - Vormittags um 10 Uhr gratulieren, das hatte das Roßlauer Stadtoberhaupt eigentlich vorgehabt. Doch diese angenehme Aufgabe musste Bürgermeister Klemens Koschig verschieben auf den Nachmittag. Denn auch, wenn es Samstag war, und auch, wenn es noch dazu ihr 101. Geburtstag war: Vormittags musste Maria Künzl nämlich kochen.

Musste? Nein, wollte. Denn, wenn es geht, dann steht sie auch in ihrem hohen Alter noch am Herd und zaubert etwas Leckeres zu Mittag: für Sohn Werner und sich. Das lässt sich die alte Dame nicht nehmen. Ebenso eine lieb gewordene Pflicht der Jubilarin: Mit Pudel Irco auszugehen - in Begleitung des Sohnes. "In den vergangenen Tagen, als es so glatt war, sind wir natürlich nicht spazieren gegangen", ließ sich Werner Künzl am Ehrentag seiner Mutter vernehmen. "Aber wenn das Wetter morgen wieder einigermaßen ist, dann wird meine Mutter wohl an die frische Luft gehen wollen."

Doch zunächst war es noch Samstag, und nachmittags kamen die Geburtstagsgäste. Allen voran der Bürgermeister mit seiner verschobenen Gratulation. Selbstverständlich wünschte letzterer Maria Künzl noch viele Jahre im Kreis ihrer Lieben, dazu Gesundheit und Wohlergehen.

Gleichlautende Wünsche kamen von den anderen Gästen, darunter eine langjährige Arbeitskollegin des Geburtstagskindes. Marianne Kuller, die auf 82 Lebensjahre zurückblickt, kennt Maria Künzl, die älteste Roßlauerin, aus gemeinsamer Arbeit in der Pharmazie des DHW Rodleben. Dort hatte die rüstige Jubilarin bis nach der Rente gearbeitet - obwohl sie eigentlich aus Österreich stammt.

Geboren worden ist Maria Künzl in Klosterneuburg nahe Wien. Als sie zehn Jahre alt war, wurde sie aufs Dorf geschickt. Zuvor war ihre lungenkranke Mutter gestorben - beim Vater und den vier Brüdern konnte Maria Künzl damals nicht bleiben. Es folgte Arbeit bei einem Bauern in Weiterndorf, einem Ort mit seinerzeit sechs Häusern. Dessen Mutter, erinnert sich Maria Künzl, war gut zu ihr - fast wie eine Mutter. Doch ihre Arbeit auf dem Feld war schwer: den Knecht hatte man zum Militär eingezogen. Seine Arbeit lastete nun auch auf den Schultern des damals jungen Mädchens.

1928 ist sie mit einer Freundin in einen Zug gestiegen, denn in Deutschland suchte man Fremdarbeiter. Beschäftigung fand Frau Künzel in Wurzen - wieder bei einem Bauern. Hier lernte sie auch ihren Mann, einen Melker, kennen. Dessen Schwester wiederum wohnte in Roßlau, Künzls zogen hierher und arbeiteten im DHW. Der junge Mann fiel im Krieg.

Maria Künzl arbeitete weiter schwer und glaubt noch heute, dass ihr das nicht geschadet hat.