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Zscherndorfer Gasthof Zscherndorfer Gasthof: Schandfleck steht zum Verkauf

Von Sylvia Czajka 05.06.2015, 08:05
Einst ein Aushängeschild von Zscherndorf: „Die Linde“. Jetzt verfällt das Haus. Michael Aermes hofft, dass sich bald etwas ändert.
Einst ein Aushängeschild von Zscherndorf: „Die Linde“. Jetzt verfällt das Haus. Michael Aermes hofft, dass sich bald etwas ändert. Thomas Ruttke Lizenz

Zscherndorf - „Die Linde“, sie war der Tanzpalast Nummer eins. Im Zscherndorfer Gasthof steppte quasi der Bär. Sogar die mehrfache Olympiasiegerin im Schwimmen, Kornelia Ender, heute Grummt-Ender, soll sich einst in jungen Jahren auf dem Parkett des „Gasthofs Zscherndorf“ gedreht haben, erzählen die Einheimischen. Legendär waren hier die Tanzabende, das hat sich bis zum Ortsbürgermeister Michael Aermes herumgesprochen.

Legendär? Das war einmal. Der Gasthof bröckelt. Der Zahn der Zeit nagt seit etwa 1999. Das Dach wurde provisorisch mit einer Plane bedeckt. Die weht im Wind.

Für Michael Aermes ist aus dem ersten Haus am Platze ein Schandfleck und eine Gefahrenquelle geworden. „Gott sei Dank, das bisher nichts passiert ist“, sagt er. Wie lange die Mauern noch halten, ist eine Frage der Zeit.

Er selbst hat keine Handhabe, am einstigen Zscherndorfer Gasthof etwas zu verändern. Das Gebäude gehört seit 1998 einem Berliner Immobilienunternehmen. Das versucht seit Jahr und Tag, das Haus zu verkaufen. Bisher ohne Erfolg. Burghard Philipp hatte es bei einer Auktion ersteigert. Gaststätte und Wohnraum messen etwa 1.200 Quadratmeter, allein der Saal fasst 300 Quadratmeter. Angebaut ist noch eine Kegelbahn, die jedoch, schätzt Philipp ein, müsse wohl abgerissen werden.

Für 39.000 Euro wolle er das Objekt veräußern. Philipp spricht von einer „Top-Lage“. In der Nähe der Goitzsche, was wolle man mehr, sagt er gegenüber der MZ. Eigentlich hatte er einst selbst viel mit dem Haus vor. Doch „Rabauken“ hätten seinem Bauvorhaben immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dann habe er schließlich das Vorhaben aufgegeben.

Seit Wiedervereinigung geschlossen

„Die Linde“ - wie die Zscherndorfer den Gasthof nennen - ist ein traditionsreiches Haus. Sandersdorf-Brehnas Stadtarchivarin Anja Aschenbach kennt eine Anekdote zur Grundsteinlegung: Nach einem Streit zwischen dem Wirt Kunze und dem Bauer Körner soll der Grundstein für das Gasthaus Zscherndorf gelegt worden sein. Angeblich beendete der Bauer Körner den Streit mit den Worten: „… dann baue ich mir eben selber eine Kneipe …“ 1911 wird das Bauprojekt Realität - durch den Bauunternehmer Friedrich Pobbig.

Die Schankkonzession wurde vorerst aus „Kunzes Gasthof“ übertragen. Als Pächter seien darauf Friedrich Pobbig, Franz Schrödter, Emil Günter und Familie Telchow eingetragen, informiert Anja Aschenbach. In den 1950er Jahren wurde das Objekt der Handelsorganisation zugeordnet. Im Hof hatte der Fleischer Franz Schrödter ein Schlachthaus eingerichtet. Der Verkauf der Produkte erfolgte in einem Nebenraum des Gasthofes. In den 1960er Jahren wurde das Schlachthaus zur Kegelbahn umgebaut.

Seit der Wiedervereinigung ist der Gasthof geschlossen. Bis 1999 führte der Zscherndorfer Karnevalsverein noch im Saal seine jährliche Veranstaltung durch. Danach wurde das Objekt durch die Treuhand verkauft. Seitdem verfällt „Die Linde“, bedauern die Leute im Ort. (mz)

Der Gasthof in der Blütezeit
Der Gasthof in der Blütezeit
Archiv/Sandersdorf-Brehna Lizenz
Im großen Saal trafen sich einst die Zscherndorfer.
Im großen Saal trafen sich einst die Zscherndorfer.
Archiv/Sandersdorf-Brehna Lizenz