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Naherholung bei Bitterfeld Naherholung bei Bitterfeld: Die Goitzsche wird ganz privat

Von lisa garn und detmar oppenkowski 26.11.2013, 08:16
Fast wie am Mittelmeer: Der Badestrand am Pegelturm an der Goitzsche ist bei sommerlichen Temperaturen gut besucht.
Fast wie am Mittelmeer: Der Badestrand am Pegelturm an der Goitzsche ist bei sommerlichen Temperaturen gut besucht. kehrer Lizenz

bitterfeld/MZ - Ende oder Neuanfang? Die Goitzsche bei Bitterfeld steht vor dem Verkauf. Mehr als 1?000 Hektar See und 300 Hektar Land - darunter die Poucher Halbinsel und der Bitterfelder Berg - sollen im Paket an einen privaten Investor gehen. Zu den beiden Bietern und deren Angeboten schweigen sich die Stadt Bitterfeld-Wolfen und der Landkreis Anhalt-Bitterfeld bisher aus, doch nach MZ-Informationen laufen die Verhandlungen derzeit allein mit der Blausee GmbH.

„Wir haben ein gutes Gebot gemacht und wollen investieren. Alles weitere werde ich nicht kommentieren“, sagt Geschäftsführer Hans-Martin Oettinger. Noch vor Weihnachten wolle man sich einig werden. Das Unternehmen hat sich in die Seenlandschaft der Region bereits eingekauft. So entwickelt und bewirtschaftet es den Gremminer und den Gröberner See in unmittelbarer Nachbarschaft.

Die Blausee GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Aalener Blauwald GmbH & Co. KG. Das ist ein Forstwirtschaftsunternehmen im Besitz der Familie Merckle. Es zählt mit seinem Grundbesitz zu den größten privaten Forstbetrieben in Deutschland. Der verstorbene Unternehmer Adolf Merckle (ratiopharm) hatte die Gesellschaft 2004 gegründet.

Bereits 2005 wollte Blauwald die Goitzsche kaufen. Es stand sogar die Idee im Raum, die Flächen mit dem kommunalen Zweckverband Goitzsche zu entwickeln. Doch der damalige Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) schaltete sich ein und bestand darauf, dass der Goitzsche-Eigentümer zu 100 Prozent kommunal sein müsse. Daher kaufte die EBV den See von der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbaugesellschaft.

Im Ringen um das Vorzeigeobjekt Goitzsche hat sich die Blausee GmbH mit Sitz in Gräfenhainichen (Landkreis Wittenberg) offenbar eine Bieterschlacht geliefert. Derzeit sollen 2,88 Millionen Euro als Kaufsumme im Raum stehen - rund 188 000 Euro mehr als der Konkurrent EMM-Invest GmbH, eine Immobilienentwicklungsgesellschaft aus Baden-Württemberg.

Bemerkenswerte Wendung

Dass das imposante Paket nun in einem Stück verkauft wird, schürt jedoch Ängste unter den Menschen. Diskutiert wird vor allem, ob und wie lange der See noch frei zugänglich ist. Eilig versichern die Beteiligten, dass sich zunächst nichts ändern werde. „Der öffentliche Zugang ist Teil der Verhandlungen. Das will ich vertraglich bindend absichern“, bekräftigt Veit Wolpert. Der frühere FDP-Fraktionschef im Landtag wickelt als Liquidator die bisherige kommunale Goitzsche-Betreibergesellschaft ab.

Der Goitzsche-Verkauf markiert eine bemerkenswerte Wendung: Denn um sich vor einer Privatisierung zu schützen, hatte 2005 die eigens gegründet Entwicklungs-, Betreiber- und Verwertungsgesellschaft Goitzsche (EBV) das Areal mit Grundstücken gekauft. Die Kaufsumme damals soll sich auf 3,5 Millionen Euro belaufen haben. Doch die Rechnung, das Areal zu entwickeln und zu vermarkten, ging am Ende nicht auf. Das Mutterunternehmen, die Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungsgesellschaft (BQP), geriet in Schieflage - und damit auch die EBV. Im Frühjahr 2013 gaben die Stadt Bitterfeld-Wolfen und der Landkreis als Gesellschafter bekannt, dass die BQP samt ihrer Töchter aufgelöst wird. Die offizielle Begründung: der Wandel in der Arbeitsmarktförderung. So kamen über die BQP vor allem Beschäftigte auf dem zweiten Arbeitsmarkt in Lohn und Brot. Weil die Mittel für diesen Bereich gekürzt wurden, habe sich das Modell überholt.

Auch die EBV hielt nicht das, was man sich von ihr versprochen hatte: Der geplante Verkauf von Flächen an der Goitzsche lief nur schleppend. Gerüchte, nach denen Geld zwischen den Gesellschaften hin- und hergeschoben wurde, Verbindlichkeiten in Millionenhöhe entstanden seien, wurden bis heute nicht bestätigt. So bleibt es bei der Lesart einer unabwendbaren Entwicklung. Auch Wolpert will sich zur Situation der Gesellschaften in der Vergangenheit nicht äußern. Nur so viel: „Die Gläubiger könnten nach einer Vertragsunterzeichnung alle bedient werden. Es bliebe sogar etwas übrig.“

Ein touristischer Magnet

Mit dem Verkauf werden die Gesellschaften also entschuldet - doch der Einfluss auf die weitere Entwicklung ist nun der Knackpunkt in den Verhandlungen. Um den freien Zugang zum See zu sichern, kam bereits vor Monaten ein weiterer Akteur ins Spiel: der Zweckverband Goitzsche. Er ist für die Infrastruktur auf seinen Flächen zuständig und hat nun der EBV weitere 23?Hektar mit öffentlichen Wegen im Uferbereich abgekauft. „So wollen wir uns ein Mitspracherecht sichern. Sie sollen touristisch genutzt werden“, sagte Geschäftsführer Klaus Hamerla. Doch selbst wenn mit dem Käufer vertraglich der freie Zugang vereinbart wird: ob dafür künftig bezahlt werden muss, ist unklar.

Die Goitzsche ist eines der größten Naherholungsgebiete in Sachsen-Anhalt, ein touristischer Magnet und das Pfund, mit dem die Stadt Bitterfeld-Wolfen gern wuchert. Den See und die Uferbereiche nutzen vor allem im Sommer tausende Besucher: Sie suchen Abkühlung im Wasser, schippern mit dem Boot über die Goitzsche, angeln, wandern und fahren mit dem Fahrrad um den See. Oberbürgermeisterin Petra Wust (parteilos) geht davon aus, dass der Zugang zum See weiterhin möglich bleibt. „Das heißt nicht, dass alles umsonst sein wird. Der Investor muss den Kauf refinanzieren.“ Als Beispiel nannte sie Parkgebühren, die für heute noch kostenlose Plätze erhoben werden könnten.

Klar ist: In die Goitzsche-Entwicklung soll weiter investiert werden. Das wolle man auch im Vertrag regeln, so Wolpert. Zu Summen oder Zeiträumen sagt er aber nichts. „Man kann dem Käufer schlecht Daumenschrauben anlegen. Und je mehr Informationen nach außen gelangen, desto schwieriger ist die Verhandlung.“