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Großbäckerei Lieken investiert in Brehna

Von Steffen Höhne 14.11.2014, 09:48
Seit dem Jahr 1994 betreibt Lieken eine Großbäckerei in Brehna. Dort werden vor allem Toast-Brote produziert.
Seit dem Jahr 1994 betreibt Lieken eine Großbäckerei in Brehna. Dort werden vor allem Toast-Brote produziert. Andre Kehrer Lizenz

Halle (Saale) - Eine der größten Bäckereien Deutschlands, Lieken, baut ihre Produktion kräftig um. Einerseits werden gleich fünf Betriebe in Deutschland geschlossen. Dies ist ein wahrer Aderlass. Andererseits soll ein neues Werk im Rhein-Main-Gebiet errichtet und drei weitere ausgebaut und modernisiert werden. Insgesamt sollen dafür 400 Millionen Euro investiert werden. Der tschechische Eigentümer Agrofert, mit dem Milliardär und tschechischen Finanzminister Andrej Babiš an der Spitze, unterstützt die Strategie. Das Toast- und Sandwich-Werk in Sandersdorf-Brehna (Anhalt-Bitterfeld) profitiert von der Umstrukturierung.

Die Großbäckerei Lieken gehört seit Mitte vergangenen Jahres zur tschechischen Agrofert-Gruppe. Eigentümer des Agrar-Konzerns, der 1993 gegründet wurde, ist der Milliardär Andrej Babiš (Foto). Agrofert erwirtschaftete laut Medienberichten einen Umsatz von umgerechnet 5,2 Milliarden Euro. Es ist das drittgrößte Unternehmen Tschechiens und besitzt 57 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Zu der Gruppe gehören mehr als 200 Unternehmen. In den vergangenen Jahren expandierte Agrofert auch in Deutschland. Seit dem Jahr 2002 gehört der große Düngemittelhersteller SKW Piesteritz aus Wittenberg zu dem Konzern. SKW machte im Jahr 2012 einen Umsatz von 707 Millionen Euro und beschäftigt etwa 800 Mitarbeiter.

Andrej Babiš wurde in Bratislava geboren. Er ist laut dem Nachrichtenmagazin Týden mit vier bis fünf Milliarden Euro Privatvermögen der zweitreichste Bürger des Landes und Gründer und Vorsitzender der Partei ANO. Seit Januar 2014 ist er Vizepremier und Finanzminister der Tschechischen Republik im Kabinett Bohuslav Sobotka. Die Umfragewerte von ANO liegen ebenso im Dauerhoch wie die Beliebtheitswerte ihres Vorsitzenden Babiš, den sechs von zehn Tschechen für vertrauenswürdig halten.

Auf MZ-Anfrage teilte Lieken-Sprecherin Judith Janzen am Freitag mit, dass in den kommenden Jahren in Brehna „ein zweistelliger Millionenbetrag investiert wird“. So sollen neue Produktionsanlagen errichtet und das Lager erweitert werden. Bisher arbeiten bei Lieken in Brehna etwa 150 Mitarbeiter. Zu zusätzlichen Arbeitsplätzen machte Lieken keine Angaben. Von dem Konzernumbau nicht berührt ist das Werk Weißenfels (Burgenlandkreis), in dem weiterhin Brote, Toasties sowie Aufback-Produkte produziert werden.

700 Arbeitsplätze fallen weg

Von den derzeit zwölf deutschen Werken sollen fünf in den nächsten zwei bis drei Jahren geschlossen werden. Betroffen seien die Standorte in Weißenhorn (Bayern), Essen (Nordrhein-Westfalen), Garrel (Niedersachsen) sowie zwei hessische Werke in Stockstadt und Pfungstadt, teilte das Unternehmen mit. Die Gewerkschaft NGG bezifferte die Zahl der wegfallenden Stellen auf rund 700. Im Zuge weiterer Umstrukturierungen seien in den kommenden Jahren jedoch weitere 1 100 Stellen bedroht, berichtete Ernst Busch, der für die Gewerkschaft im Lieken-Aufsichtsrat sitzt. Insgesamt beschäftige das Unternehmen etwa 4 300 bis 4 400 Mitarbeiter.

„Durch veränderte Marktbedingungen und neue Backwarenkonzepte im Handel sind diese Schritte unerlässlich“, rechtfertigt Lieken-Produktionsvorstand Markus Biermann die Schließungen. Im Handel geht derzeit der Trend hin zu offenfrischen Backwaren. Immer mehr Supermärkte bieten eigene Backstationen an, in denen sogenannte Teiglinge aufgebacken werden. Dieses Tiefwaren gewinnen rasant an Bedeutung. Lieken bedient dieses Segment, die tragende Säule sind aber immer noch abgepackte Brote und Toast. So gehört Lieken die Marke „Golden Toast“. Die Marktveränderungen zwingen Lieken offenbar zum Handeln. Im Jahr 2013 erwirtschafte das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf einen Umsatz von 815 Millionen Euro und schrieb nach eigenen Angaben schwarze Zahlen.

Während in den vergangenen Jahren vor allem kleine und mittlere Bäckereien unter dem Preisdruck in der Branche litten, erwischt es nun auch die Großbäckereien. Die Zahl der Bäckereien in Deutschland ging von 16 200 im Jahr 2007 auf 13 400 im vergangenen Jahr zurück. Dies ist ein Minus von mehr als 17 Prozent. Kleine und mittlere Bäckereien verloren kontinuierlich Marktanteile. Die kleine Gruppe von fünf Unternehmen, die mehr als 250 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften, konnte ihren Marktanteil vom Jahr 2000 an dagegen von 9,6 auf nun 15,3 Prozent ausweiten. Zu den Erfolgsfaktoren des Wachstums gehören nach Angaben des Verbandes Deutscher Großbäckereien unter anderem Kundenzufriedenheit, effiziente Werbung und Verkaufsförderung. Hinzu kann man sicher noch den Preis zählen.

Frische Waren gefragt

Doch gerade die mittelständischen Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen zehn bis 50 Millionen Euro haben zuletzt wieder Boden gut gemacht. Sie betreiben meist mehrere Filialen, die gleichzeitig als Café fungieren. Dies spricht viele Verbraucher an, die Wert auf Frische legen. Häufig produzieren diese Bäcker nicht alle Produkte selbst, sondern kaufen etwa spezielle Körnerbrote als Tiefkühlwaren ein.

Hinzu kommen die bereits erwähnten Backstationen in den Supermärkten als neue Konkurrenten. Diesen Marktveränderungen will Lieken nun mit dem „Abbau bestehender, nicht mehr leistungsfähiger älterer Kapazitäten“ begegnen. (mz)