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Geologische Schätze Geologische Schätze: Tauchen nach Bernstein?

Von Ulf Rostalsky 27.05.2013, 17:04
Roland Wimmer - Chef der Fachgruppe Geologie: „Wir kennen noch Lagerstätten im Goitzsche- See.“
Roland Wimmer - Chef der Fachgruppe Geologie: „Wir kennen noch Lagerstätten im Goitzsche- See.“ Kehrer Lizenz

Bitterfeld/MZ - Bernstein und Bitterfeld. Beides gehört zusammen und ist seit Jahrzehnten Gesprächs- und Forschungsthema. „Völlig zu Recht“, meint Jochen Rascher vom Arbeitskreis Bergbaufolgen der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften. Deshalb hat der Arbeitskreis zusammen mit der Fachgruppe Geologie im Förderverein des Kreismuseums Bitterfeld die dritte Auflage des Bitterfelder Bernsteinkolloquiums auf den Weg gebracht - und mehr als 80 internationale Experten angelockt.

Rascher vergleicht das Wissen um das fossile Harz mit einem Schweizer Käse. „In Gänze ist das alles in Ordnung. Wird er aber aufgeschnitten, tun sich viele Löcher auf.“ Die Feststellung ist keine Bankrotterklärung, sondern Ansporn. Hobbyisten und Forscher gleichermaßen sind auf der Suche nach neuen Erkenntnissen um den Bernstein. Dass dabei auch die Goitzsche noch eine Rolle spielen kann, schließt Roland Wimmer von der Fachgruppe Geologie nicht aus.

Abbau hat Millionenerlöse gebracht

„Wir kennen noch Lagerstätten“, sagt er. Nur müsse heute danach getaucht werden. 40 Meter und tiefer liegen die Harze im Goitzschesee. Fördern wollte sie für touristische Zwecke einst sogar die mittlerweile insolvente Entwicklungs-, Betreiber- und Verwertungsgesellschaft Goitzsche mit Schwimmbaggern und Saugtechnik. Das habe aber schon Anfang der Neunziger nicht richtig funktioniert, erzählt Gerhard Liehmann.

Er war Produktionsleiter im Braunkohlenkombinat Bitterfeld (BKK), das zwischen 1975 und 1993 für die Förderung von 400 Tonnen Rohbernstein verantwortlich war. Die Saugeinrichtung hätte einfach nicht ausgereicht, um das fossile Harz rentabel zu fördern. Aber auch mit Baggertechnik war die Bernsteingewinnung eine Herausforderung. Aus einem Kubikmeter Schluff kamen im Schnitt 180 Gramm Bernstein.

Das BKK dagegen arbeitete industriell und mit patentierten Anlagen im Mehrschichtsystem. Das Harz ging nach Ribnitz-Damgarten zum VEB Ostseeschmuck. Die Bitterfelder lieferten in diversen Größen, der daraus entstandene Schmuck ging nach Japan, in die Bundesrepublik und nach Dänemark. Millionenerlöse hat der aufwendige Abbau gebracht. Allein im Jahr 1983 förderten die Bitterfelder Bergleute 49 Tonnen Bernstein.

Im Mibrag-Tagebau geht es auf Spurensuche

Beim Kolloquium zählt aber nicht allein das Wissen der Praktiker. Fachleute versuchen vielmehr, aus den zahlreichen Einschlüssen im Bernstein ein detailgenaues Abbild des einstigen Bernsteinwaldes zu zeichnen. Hohe Bäume, dichter Bewuchs im bodennahen Bereich, dazu zahlreiche Tiere: In der Goitzsche könnte es vor gut 20 Millionen Jahren so ausgesehen haben, wie auf dem Bild am Zugang zum Tagungsraum. Fachleute nehmen immer wieder Einschlüsse unter die Lupe. Mal sind es Insekten, mal Teile von Blättern und Samen. „Immer wieder spannend“, sind Rascher und Wimmer überzeugt.

Die Gastgeber des Kolloquiums lassen es allerdings nicht bei bloßer Theorie. Im Mibrag-Tagebau Profen-Süd geht es auf Spurensuche. Dort gibt es anders als in Bitterfeld noch einen zugänglichen Bernsteinaufschluss. „Aber der Bitterfelder Bernstein lebt weiter.“ Liehmann macht seine Meinung nicht allein an der Tatsache fest, dass am Grund des Goitzschesees noch reichlich fossiles Harz auf seine Bergung wartet. Der pensionierte Bergmann zeigt Fotos mit Schiffsmodellen, Ringen, Ketten, Anhängern - allesamt aus Bitterfelder Bernstein.