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Gemäuer mit wechselvoller Geschichte

Von Iris Lademann 09.12.2007, 18:01

Friedersdorf/MZ. - Wenn man Liebe auf den ersten Blick mit einem Gebäude verbinden kann, dann muss das bei Sabine Gutjahr der Fall gewesen sein. Denn die Inhaberin des Friedersdorfer Gasthofes "Zum Stern" hat das leer stehende Gebäude, das immerhin auf eine 500-jährige Geschichte zurückblicken kann, vor gut zehn Jahren entdeckt. Und die einstige Immobilienmaklerin führte der Weg zur Arbeit nach Bitterfeld jeden Tag am Gasthof vorbei.

Sie träumte von einem "Antik-Café". Doch es wurde mehr daraus. Denn da war auch noch das Hobby ihres Ehemannes Frank, der zum damaligen Zeitpunkt einen Antikhandel betrieb. Und deshalb schmücken schöne, alte Möbelstücke aus der Gründerzeit nicht nur die Gaststätte, sondern das gesamte Haus - auch die Pensionszimmer und die erst vor kurzem eröffnete "Stern-Bar". Diese sei übrigens die Idee ihres ihres 25-jährigen Sohnes Mario gewesen, der seit kurzem auch das Reich der Töpfe und Pfannen im Gasthof regiert. Ein Azubi steht dem gelernten Koch, der auch auf praktische Jahre in der Schweiz verweisen kann, zur Seite. Das sei nicht nur der Speisekarte anzusehen, sondern auch den Arrangements auf den Tellern, sagt die Mutter stolz.

Vor zwei Jahren habe sie ihren Job als Immobilienmaklerin an den Nagel gehangen. Denn Gaststättenbetrieb, Antikgeschäft und Buchhandel - im Haus ist auch der Laden 9 des Buchdorfes Mühlbeck-Friedersdorf untergebracht - fordern sie ganz. Unterstützung erhalte sie allerdings auch von ihrem Ehemann, wo immer seine helfende Hand nötig ist. Noch keinen Tag habe sie übrigens bereut, das alte, geschichtsträchtige Gemäuer gekauft zu haben, das in der Bitterfelder Chronik im Juni 1591 Ersterwähnung fand - als erste Gaststätte im Ort, als "Friedersdorfer Schänke" damals.

Die Ortschronik verrät, dass im Gasthof "Zum Stern" nach dem ersten Weltkrieg die SPD ihr Vereinslokal einrichtete. Während des Zweiten Weltkrieges herrschte sogar Tanzverbot, obwohl das Wirtshaus von jeher Mittelpunkt im gesellschaftlichen Leben des Ortes war. Doch gleich nach dem Krieg entwickelte sich die Gaststätte wieder zum Treffpunkt im Dorf schlechthin. "Regelmäßig fanden Tanzveranstaltungen statt", weiß Sabine Gutjahr aus Erzählungen. Später wurde das Haus Vereinsgaststätte für die Sportler, und nach einigen Umbauten nannte es sich dann "Klubhaus der Werktätigen". Es wurde kulturelles Zentrum und Sitz des Dorfklubs. Wieder wurde umgebaut. Der Saal bekam eine Bar. "In den letzten Jahren der DDR war das Klubhaus Vereinsgaststätte des VKSK, der Vereinigung der Kleingärtner.

Nach der Wende wurde es still um das Haus. Es war nur noch eine Immobilie, die der Kommune wie ein Klotz am Bein hing. Händeringend wurden Käufer gesucht - die sich in Familie Gutjahr 1996 fand. "Wir haben dabei auch an die berufliche Perspektive unserer Kinder gedacht", nennt Sabine Gutjahr einen weiteren Grund, der zum Kauf veranlasste. Sohn Mario, der heutige Küchenchef im Gasthof "Zum Stern", lernte zum damaligen Zeitpunkt im Schwarzwald Koch.