Austausch über Arbeitsbedingungen in der Kohleindustrie Für Festival „Osten“ in Wolfen: Teilnehmer für Exkursion ins Ruhrgebiet gesucht
Eine Exkursion nach Nordrhein-Westfalen, für die nun Teilnehmer gesucht werden, soll im Rahmen des „Osten“-Festivals Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden.

Wolfen/MZ. - Das Ruhrgebiet hat, ähnlich wie die Region um Bitterfeld-Wolfen, in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Wandel durchlebt und musste sich vielfach neu erfinden. Lange war Steinkohle hier der Motor der Industrie. Sie sorgte für Arbeit, zog Tausende in die Städte an Ruhr und Emscher. Mit ihr kamen Kokereien, Stahl- und Kraftwerke. Doch bereits in den 1960ern beginnt das Zechensterben – und ist trotz millionenschwerer Subventionen nicht aufzuhalten. Im Jahr 2018 holen Bergleute in Bottrop das letzte Stück Kohle aus der Erde und erklären den Steinkohle-Bergbau in Deutschland für beendet.
Bitterfeld-Wolfen und Witten im Ruhrgebiet verbindet seit 1990 eine Städtepartnerschaft. Wie blicken die Menschen in den beiden Industrieregionen auf die erlebten Umbrüche? Welche Arbeitserfahrungen haben sich eingeprägt? Was verbindet die Menschen miteinander? Diesen Fragen gehen Fotografin Franziska Klose und Hörfunkautor Lorenz Hoffmann in ihrem Projekt „Auf Schicht“ für das Festival „Osten“ vom 1. bis 16. Juni nach. Dafür suchen sie nun Teilnehmer für eine Exkursion.
Neue Formen des Erzählens
Gemeinsam mit Menschen, die in der Industrie arbeiten oder gearbeitet haben, möchten sie sich auf die Suche nach neuen Formen des Erzählens machen. „Wir möchten Entwicklungen untersuchen, die häufig nur regional betrachtet werden, obwohl sie strukturell bedingt sind und in Ost wie West auftauchen“, erklärt Klose.
In einem ersten Rechercheteil reisen Klose und Hoffmann mit Zeitzeugen aus Bitterfeld-Wolfen vom 2. bis 5. Mai ins Ruhrgebiet. „In Gesprächen mit Menschen aus dem Ruhrgebiet möchten wir mehr über die Arbeits- und Alltagserfahrungen der 1980er bis 2020er Jahre erfahren und auch frühere Arbeitsorte besichtigen“, erklären sie. Workshops sollen Gespräche über Arbeits- und Alltagswelt, Transformation, Produkte und Fabrikate anregen und den Blick auf gemeinsame und unterschiedliche Erfahrungen lenken.
Eine besondere Rolle für das Projekt spielen Fotos: Welche Bilder visualisieren Arbeitserfahrungen und Umbrüche am besten? Bei der Begegnung im Ruhrgebiet sollen gemeinsam Aufnahmen ausgewählt werden. Sie bilden die Grundlage für ein Bilder-Bingo, das beim Festival-Auftakt am 1. und 2. Juni spielerisch zum Austausch einladen wird.
Gemeinsam mit dem Festivalpublikum und den Zeitzeugen aus dem Ruhrgebiet, die dafür nach Wolfen reisen, soll gerätselt werden, ob es sich bei den gezeigten Aufnahmen zum Beispiel um Wolfen oder Witten handelt. „Wir haben das Spielformat Bingo ausgewählt, weil es einerseits so niedrigschwellig ist und andererseits ein Glückspiel – so wie Erwerbsarbeit in Zeiten von Strukturwandel zum Glücksfall werden kann“, erklärt Hoffmann das Format. Klose und Hoffmann möchten damit den Austausch über Arbeits- und Lebenserfahrungen anregen.
Ähnlich wie 2022?
Bereits beim ersten Festival „Osten“ 2022 haben sich Klose und Hoffmann für den Audiowalk „Schichten / Shifts“ intensiv mit der Industriegeschichte in Bitterfeld-Wolfen und den Spuren der Arbeit auseinandergesetzt. An 18 Hörstationen beschreiben ehemalige Arbeiter der Braunkohle- und Chemieindustrie ihren Alltag in der DDR, die Zeit der Wende, Deindustrialisierung und Transformation. Die Stadt Bitterfeld-Wolfen hat den Audiowalk nach dem Festival in ihr Tourismuskonzept übernommen, die Hörstationen können ganzjährig abgelaufen werden.