"Die Abenteuer des Til Ulenspiegel" "Die Abenteuer des Til Ulenspiegel": Gèrard Philipe kommt im Dezember zurück ins Kino in Wolfen

Wolfen - Raguhn steht Kopf. Eine Filmcrew wirbelt im Frühjahr 1956 das Leben der Kleinstadt auf schöne Weise durcheinander. An der Spitze der „Liebling der Götter“ - der smarte wie begnadete französische Schauspieler Gérard Philipe. „Alle wollten ihn sehen“, erinnert sich 2014 eine damals 93-jährige Raguhnerin. „Die Polizei hat Mühe gehabt, alles abzusperren.“
Wer kann sich wie sie noch erinnern an das Ereignis, das einige Wochen das Thema an der Mulde ist? Wer war dabei - als Zuschauer oder gar als Statist? Wer kennt die Geschichten, die kleinen feinen Episoden vom und von neben dem Set? Das Team der MZ ist neugierig und gespannt. Es möchte sie hören und anderen Lesern mitteilen. Schreiben Sie unter MZ Bitterfeld, Mühlstraße 25, 06749 Bitterfeld-Wolfen oder [email protected] oder melden sich unter der Telefonnummer 03493/97 50 915.
„Über 1.000 Komparsen spielten damals mit“, sagt Kulturhistoriker Paul Werner Wagner. „Und alle in historischen Kostümen. Die Betriebe hatten die Leute alle freigestellt.“ Ja, die Raguhner sind baff und begeistert, sie sind neugierig und sofort dabei. Denn sie dürfen nicht nur gucken und staunen, sie dürfen mitspielen in dem Film, der hier auf den Muldewiesen gedreht werden soll: Die Abenteuer des Till Ulenspiegel. 1956 entstehen große Teile des Abenteuerstreifens, eine Koproduktion der Defa und der Ariane-Film, unmittelbar vor ihrer Haustür. Auch in Schweden, Frankreich und den Niederlanden wird gedreht.
„Die Abenteuer des Till Ulenspiegel“ flimmern im Dezember im Industrie- und Filmmuseum Wolfen über die Leinwand
Und um die Erinnerung nochmal richtig aufzufrischen: Der Film „Die Abenteuer des Till Ulenspiegel“ wird von Kulturhistoriker Paul Werner Wagner quasi wiederentdeckt. Am 11. Dezember um 18.45 Uhr flimmert er im Industrie- und Filmmuseum Wolfen über die Leinwand. „Wir erwarten viele Zuschauer“, sagt Wagner, der die Reihe „Filme wiederentdeckt“ vor 16 Jahren ins Leben gerufen hat.
Die Handlung des Films ist angesiedelt in den Niederlanden im 16. Jahrhundert, als spanische Truppen unter Philipp II. mordend durch Flandern ziehen. Till Ulenspiegels Vater wird wegen Widerstand gegen die Spanier auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aus dem Possenreißer Till wird ein mutiger und listiger Kämpfer gegen die fremde Besatzung. Till unterstützt den Prinzen von Oranien, der die Niederländer zum Kampf gegen die Besatzer aufruft. Er unterstützt ihn beim Sieg über die Spanier. Soweit die Handlung.
Gèrard Philipe hat - das einzige Mal in seiner Karriere übrigens - hier sowohl das Regiebuch in der Hand (beratend steht ihm Joris Ivens zur Seite) als auch die Hauptrolle vor der Kamera. Er ist der listige Volksnarr Till Ulenspiegel. In den Nebenrollen glänzen Jean Vilar, Erwin Geschonneck,Wilhelm Koch-Hooge, Marga Legal, Roger Monteaux und viele andere.
Gèrard Philipe wird nur 36 Jahre alt, 1959 stirbt der populäre Schauspieler in Paris
Übrigens fallen die Kritiken nicht sehr rosig aus. Zu langatmig, zu regieschwach, zu unausgewogen heißt es. Und wer weiß das schon? Das Pariser Publikum lässt die Koproduktion mit einer ostdeutschen Filmfirma durchfallen. Grund: Die Premiere des Streifens und die Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956 fallen knapp zusammen, was in Frankreich eine Welle der Empörung gegen den Ostblock auslöst.
Gèrard Philipe wird nur 36 Jahre alt, 1959 stirbt der populäre Schauspieler in Paris. Seinen Namen trägt das Kulturhaus in Raguhn - in Erinnerung an die turbulenten Tage mit dem beliebten, gut aussehenden Mimen.
Dem Film schließt sich im Ifm, wie gewohnt, ein Gespräch an. Moderator Paul Werner Wagner führt es mit dem Filmhistoriker Günter Jordan. Übrigens erscheint der Film „Die Abenteuer des Till Ulenspiegel“ im Dezember bei „Film-Juwelen“ als DVD. (mz)
