Wiederauferstehung eines Denkmals Der Stein des Anstoßes - In Wolfen wird über den Wiederaufbau eines Gefallenendenkmals diskutiert
In Wolfen soll das alte Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs wieder auferstehen. Dafür würde die Erinnerung an die Gründung des Ortes verschwinden. Das erhitzt die Gemüter.
Wolfen/MZ. - Ein mächtiger Stein trägt eine bronzene Platte. Darauf ist „Wulffen 1400“ zu lesen. Noch. Denn geht es nach den Mitgliedern des Wolfener Ortschaftsrates, wird nicht nur der Schriftzug vom Stein entfernt. Auch der Stein selbst wird umgenutzt und dann Hauptbestandteil des wieder errichteten Denkmals für Gefallene des ersten Weltkrieges. So, wie er es bis 1974 war, als das Denkmal geschliffen worden war. Alle zwölf in der Juni-Sitzung anwesenden Ortschaftsräte haben dafür gestimmt. Wie der Bitterfeld-Wolfener Stadtrat abschließend entscheiden wird, ist offen.
Heimat- und Kulturverein beklagt fehlende Kommunikation
Fest steht jedoch, dass die Wiedergeburt des Gefallenendenkmals zum Stein des Anstoßes geworden ist. „So ein Quatsch. Das braucht doch niemand“, erregt sich zum Beispiel Claudia Simon. Sie war jahrelang Vorsitzende des Wolfener Kultur- und Heimatvereins und kann die Kehrtwende am Denkmalstein überhaupt nicht verstehen. Sie kritisiert außerdem, dass nach ihrer Kenntnis in der so wichtigen Sache für den Ort niemand mit Vertretern des Vereins gesprochen habe.
Aber wo kommt dann die Idee zur Wiedererrichtung des Denkmals für die Weltkriegsgefallenen her? „Bei mir waren drei Bürger. Die haben sich für das Denkmal eingesetzt“, begründet Wolfens Ortsbürgermeister André Krillwitz (Pro Wolfen) sein Engagement für die neuerliche Umgestaltung des Erinnerungssteins. „Und letztlich gibt es einen einstimmigen Beschluss des Ortschaftsrats.“
Doch braucht Wolfen ein neues, praktisch aus der Versenkung geholtes Denkmal? Und wie wird dann in Zukunft an die erste urkundliche Erwähnung Wolfens im Jahr 1400 gedacht? Peter Schenk, amtierender Vorsitzender des Heimatvereins und jetzt für das Unabhängige Bündnis Mitglied im Bitterfeld-Wolfener Stadtrat, machte erst kürzlich im Bau- und Vergabeausschuss deutlich, dass man zweifellos ein Stück Erinnerungskultur wegnehmen würde. Man hätte dann keinen Ort mehr, der an die fast 625-jährige Geschichte Wolfens erinnert.
„Stimmt“, sagt Ortsbürgermeister Krillwitz nach der Frage, ob sich mit der Umwidmung des mächtigen Steines nicht eine Lücke in der Stadtgeschichte auftue. Ein unglücklicher Fakt, wo Wolfen doch nächstes Jahr groß Geburtstag feiern wolle? „Nein“, erklärt Krillwitz und fügt hinzu, dass es bis dahin schon eine neue Form der Erinnerns an die Ortsgründung geben werde.
Sehr viel präziser sind indes die Vorstellungen für die Wiedererrichtung des Gefallenendenkmals, die im Idealfall zum Deutschen Veteranentag am 15. Juni abgeschlossen sein soll und für dessen Pflege sehr wahrscheinlich der Bürgerverein Pro Wolfen einstehen werde. Arbeit würde auf jeden Fall ein Menge anfallen. Denn es müsste nicht nur die Platte „Wulffen 1400“ entfernt werden. Der seit dem Jahr 2005 auf Initiative des Heimatvereins, von Stadtverwaltung und Ortschronisten auf dem Markt in der Wolfener Altstadt befindliche Stein müsste zudem aus dem Erdreich gehoben und gedreht werden. Denn der stecke jetzt falsch herum in der Erde, wie Claudia Simon weiß.
Erinnern im Wandel der Zeit - Ist „Gegen jede Gewalt“ aussagefähig genug?
Ihr geht es aber nicht um die Arbeit, vielmehr um den Sinn der Aktion. Denn an Opfer von Krieg und Gewalt wird seit 2003 mit einem anderen Stein und der Inschrift „Gegen jede Gewalt“ neben dem Städtischen Kulturhaus erinnert. „Viel zu unpräzise. Das schließt ja praktisch alles ein. Wir wollen der Weltkriegstoten gedenken“, sagt André Krillwitz dazu. Während Claudia Simon in Erinnerung ruft, dass sich Ende der 1990er Jahre Wolfener Sekundarschüler mit ihr auch um die Aufarbeitung der Geschichte des Gedenksteins gekümmert hätten.
Der war erst Gefallenendenkmal neben der evangelischen Kirche, dann in der Berufsschule der Filmfabrik Erinnerung an Namensgeber Rudi Arndt und wurde schließlich 2005 zum Wolfen-Stein. „Das sollte er bleiben“, meint Simon und erinnert an die Schüler von einst. Die hätten sich für eine Absage an jede Gewalt stark gemacht. So wie sie nun seit mehr als 20 Jahren am Kulturhaus existiert. „Ein neues altes Gefallenendenkmal braucht doch niemand.“