Bitterfelder Kulturpalast Bitterfelder Kulturpalast: Erinnerung an Jugendweihe mit TV-Übertragung

bitterfeld/MZ - Neue Schuhe zu bekommen war nicht einfach damals. Man schrieb das Jahr 1963, und auch in der 8b der Bitterfelder Comeniusschule stand die Jugendweihe an. „Vor allem für uns Mädchen war das natürlich ein Höhepunkt“, erinnert sich Marlis Büttner. Die ersten Absatzschuhe sollten nun endlich Premiere haben, „doch es gab ja nicht viel“. Schließlich hatte eine Verkäuferin ein paar weiße Schmuckstücke zurückgelegt, „die mir aber gar nicht gefielen“. Doch besser als gar keine.
Der „Westbesuch“ indes brachte die Rettung für die junge Marlis, die damals noch Homann hieß, mit ein paar dunkelbraunen Damenschuhen aus dem anderen Teil Deutschlands. „Die weißen hat dann meine Freundin angezogen.“ Schon einen Tag vor dem großen Höhepunkt wurde in der MZ-Vorgängerin „Freiheit“ über die Jugendweihe der Schulklasse berichtet - und angekündigt, dass der Deutsche Fernsehfunk live über die Veranstaltung berichten wird.
Dass dann ein Kamerateam bei der Feierstunde drehte, hat die Jugendlichen bei ihrem Schritt in das Erwachsensein dann allerdings weniger interessiert. „Wir waren viel zu aufgeregt“, sagt Marlis Büttner im Gespräch mit der MZ.
An all das erinnerte sich die 64-Jährige, die in Bitterfeld geboren und aufgewachsen ist und seit 1973 mit ihrer Familie in Friedersdorf wohnt, als sie vor einigen Wochen einen Aufruf in der MZ las. Das MDR-Fernsehen suchte Zeitzeugen im Zusammenhang mit dem Bitterfelder Kulturpalast. Und Marlis Büttner griff zur Feder und schrieb ihre Erinnerungen auf - schließlich hat auch ihre Jugendweihe in diesem geschichtsträchtigen Haus, das damals noch Kreiskulturhaus „Wilhelm Pieck“ hieß, stattgefunden. „Wir waren meines Erachtens die einzige Klasse, deren Jugendweihe live im Fernsehen übertragen wurde“, sagt Marlis Büttner nicht ohne Stolz. Und sie freut sich auf das nächste Klassentreffen, bei dem das Ganze gewiss wieder eine Rolle spielen wird.
Der Bitterfelder Kulturpalast wurde in den Jahren 1952 bis 1954 erbaut - und zwar in Tausenden Aufbaustunden von Leuten, die hier und in der Umgebung gelebt und gearbeitet haben. Hauptgrund dafür war, dass es bis dato in der Kreisstadt nur den Bürgergarten (später Klubhaus der Jugend) als kulturelles Zentrum gab. Und der reichte längst nicht mehr aus, um die Interessen der Jugend unter einen Hut zu kriegen.
Auch Konrad Preuß aus Schwemsal, der in Rösa zur Schule ging und dann als Zimmererlehrling im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld begann, hatte während der Lehre seinen Hauptarbeitsplatz am Bau des Kulturpalastes. Seitdem verfolgt er die Entwicklung dieses Hauses, erklärt der Rentner, der in der nächsten Woche seinen 74. Geburtstag feiert. „Mein Ziel ist es, 95 Jahre zu werden“, sagt er mit einem Schmunzeln, „dann wird der Kulturpalast auch schon 80.“
Und so haben viele in Erinnerungen geschwelgt und dem MDR Erlebnisse mitgeteilt. „Leider konnten wir nur einen kleinen Teil davon in der Sendung unterbringen“, bittet MDR-Autorin Mandy Giersch um Verständnis und bedankt sich gleichzeitig bei allen, die den Sender so umfangreich und unbürokratisch bei den Recherchen unterstützt haben. Stellvertretend nennt sie Melanie Blaschke vom Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen, das Kreismuseum und natürlich den Kulturpalast selbst.
Auch Lutz Breuer aus Schlaitz gehört zu jenen, die etwas zu berichten haben. Der heute 62-Jährige hat damals gegenüber vom Kulturpalast gewohnt und eine schöne Kindheit dort verbracht, wie er zur MZ sagt. Mit dem Haus verbinden ihn nicht nur Jugendweihe und Modenschauen, bei denen er als Kind dabei war. In den 60er Jahren hatte er auch einen Fernsehauftritt bei „Gesucht und gefunden“. Dafür hatte es einen Aufruf gegeben, Fotos zu machen. Die wurden dann im Fernsehen gezeigt, und wer sich erkannt hat, sollte in die Sendung kommen. Ein Kollege des Vaters hatte heimlich ein Foto vom kleinen Lutz eingeschickt - und siehe da, er wurde erkannt. „Und weil ich gleich gegenüber wohnte, hat man mich direkt aus der Badewanne auf die Bühne geholt“, erzählt Breuer von der lustigen Geschichte.
Der Kulturpalast war nicht nur Heimstatt für viele Zirkel und Kulturgruppen, in ihm gaben und geben sich Künstler die Klinke in die Hand. Auch Bianca Graf: Neben vielen anderen Auftritten hier organisierte sie 1993 gemeinsam mit der MZ ein Benefizkonzert für die Aktion Sorgenkind (heute Aktion Mensch), bei der über 14 000 Euro zusammen kamen.
Nach seiner Schließung erwarb 2003 Jürgen Preiss-Daimler mit seiner Chemiepark GmbH den Palast und ließ ihn ein Jahr später zum 50. Geburtstag des Hauses in altem neuen Glanz erstrahlen. Und all das wird im MDR erzählt (siehe Artikel „Sendung am Sonntag“).