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Bald «Seepferdchen» für 78-Jährige

Von Silke Ungefroren 23.05.2008, 16:33

Bitterfeld/Sandersdorf/MZ. - Richtig: Gerda Volk absolviert seit einigen Wochen einen Kurs beim Bitterfelder Schwimmverein (BSV). Kaum zu glauben, dass sie bis dahin noch nie richtig in einem Hallen- oder Freibad war. "Was sollte ich dort auch, wo ich doch sowieso nicht schwimmen konnte?" Dass sie das jemals lernen würde, hätte sie bis vor kurzem selbst nicht geglaubt. Doch jetzt, mit 78 Jahren, ist die Rentnerin auf dem bestem Wege dazu. Und macht große Fortschritte, wie Gatter bestätigt.

Sie ist die älteste Schülerin, die der Trainer und Übungsleiter bisher unter seinen Fittichen hatte. "Vor Jahren hat mal ein 74-Jähriger bei mir schwimmen gelernt, und ab und zu meldet sich auch mal jemand um die 60 zum Kurs an", sagt er. Doch halte sich das Interesse in höherem Alter in Grenzen: "Die Leute trauen sich nicht, auch wenn sie gern wollten. Sie denken, sie müssten mit Kindern zusammen üben. Das machen wir natürlich nicht, weil das weder für die Großen noch für die Kleinen gut wäre."

So lernt auch Gerda Volk jeden Montagabend nur mit zwei weiteren Erwachsenen. Und der Kurs macht ihr mittlerweile sogar Spaß, wie sie betont. Denn: "Wenn man will, schafft man das auch!" Dabei war ihre Scheu vorher nicht weniger groß als bei anderen. Und ganz von allein hat sie den Schritt auch nicht gewagt. Sohn Rainer, der Mitglied im Schwimmverein ist und Taucher im Wasserrettungszug, wusste von ihrem heimlichen Wunsch. Und hat sie deshalb irgendwann einfach angemeldet. . . Jetzt sind nicht nur er und seine Schwester Christel stolz auf die Mutter, sondern vor allem die drei Enkelkinder.

Und stolz können sie auch sein auf diese Frau, die so einiges durchmachen musste in den letzten Jahren. Erst war sie selbst schwer krank, dann ihr Mann, den sie Monate lang pflegte. Seit vier Jahren ist sie Witwe, hält dennoch ihr Haus in Sandersdorf mit dem großen Garten allein in Schuss. "Ich mache langsam, jeden Tag etwas, und bleibe dadurch in Bewegung." Außerdem geht sie seit vielen Jahren zwei Mal pro Woche zur Sportgruppe, in deren Gemeinschaft sie sich sehr wohl fühlt. "Das Training macht nicht nur Spaß", sagt sie, "sondern hilft auch gegen meine Schmerzen, die von der Wirbelsäule kommen."

Die waren war auch der Hauptgrund dafür, dass sie oft ans Schwimmen dachte. Dazu nämlich hatte ihr die Ärztin ebenfalls geraten. Dass sie das aber gar nicht konnte, hat Frau Volk ihr bis heute nicht erzählt - aus Scham. Doch sie muss sich nicht schämen dafür, dass sie schon im frühen Alter hart arbeiten musste. In der Landwirtschaft und später in der Mühle, die die Familie in Sandersdorf betrieb. Der Vater und die Brüder waren eingezogen, die große Schwester musste sich um die Pferde kümmern. Da blieb keine Zeit für solche Dinge. Dann hatte sie eine eigene Familie, arbeitete als Verkäuferin. Und so verrann die Zeit.

"So ging es damals vielen, und das ist keine Schande", will Gatter auch anderen Mut machen, noch im Alter schwimmen zu lernen. "Wir nehmen den Leuten die Angst, beginnen ganz langsam mit Bewegungsübungen im Wasser, um den Teilnehmern das Gefühl dafür zu geben." Gerda Volk hat es erlebt und ihren Entschluss nicht bereut.

Nur noch wenige Unterrichtsstunden, dann wird sie ihren Kurs beenden können. Mit einer Stufe, die bei den Kleinen mit einem "Seepferdchen" belohnt wird. Sprich: 25 Meter müssen ohne Unterbrechung absolviert werden. "Auf den sonst bei dieser Stufe geforderten Sprung ins tiefe Wasser verzichten wir natürlich", sagt Klaus Gatter schmunzelnd.

Mit dem Abschluss des Kurses aber soll für Gerda Volk, die trotz allem ihre Lebenslust nie verloren hat, das "Schwimmerleben" erst richtig beginnen. Sie will weiter regelmäßig kommen - nicht nur, aber vor allem ihrer Krankheit wegen. Weil sie nichts auslassen will, was sie aus eigener Kraft zur Linderung beitragen kann. Deshalb würde sie sich freuen, wenn ihr die Krankenkasse bald auch die Kur genehmigen würde, die ihr aus ärztlicher Sicht dringend empfohlen wird, der entsprechende Antrag aber bisher abgelehnt wurde. . .