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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Ringer und Ritter von Ramsin

Von MATTHIAS PRASSE 24.11.2010, 18:02

RAMSIN/MZ. - Wer zu Zeiten der verflossenen DDR über Ramsin sprach, sprach dann oft über das Ringen, jene auf antike Traditionen zurückreichende Kampfsportart, die seit 2004 auch olympische Disziplin für Frauen ist. Denn Ramsin war in der DDR geradezu eine Ringerhochburg und Kaderschmiede für viele Talente. Mit der politischen Wende verlor der Ort aber seine sportliche Bedeutung. Trotzdem muss in Ramsin heute noch gerungen werden: um das Schicksal des alten Herrensitzes.

Zwar liegt die Gründung des Dorfes im Dunkeln, doch seine spätere Entwicklung weist Parallelen zu anderen Orten der Region auf. Ramsin fiel nämlich gleich vielen Dörfern im späten Mittelalter wüst. Es wurde irgendwann vor 1388 aufgegeben und seine Äcker, die Dorfmark, von außerhalb bewirtschaftet. Ebenfalls wie andernorts profitierten davon vorrangig Adelsfamilien. Schon 1444 wird ein Hans von Westeregeln erwähnt, der die wüste Dorfstätte bewirtschaftet. Doch er ist nicht allein, mehrere Adelsgeschlechter haben ihre Finger ausgestreckt und so finden sich auch die Beyersdorff, die Reibitzsch und die Hoendorff in der Ramsiner Mark begütert.

Ein Dorf gab es zu dieser Zeit längst nicht mehr. Dessen Lehmkaten waren lange zerfallen, der Pflug zog über sie hinweg. Es sind die Westeregeln, die sich letztendlich im Ringen um die Ramsiner Flurstücke durchsetzen. Als Agrarkonjunktur und Bevölkerungsentwicklung im 16. Jahrhundert wieder anziehen, wird auch Ramsin wiederbelebt. Ein adeliges Gut entsteht, ringsherum Bauernstellen. 1575 kann sich Ramsin wieder Dorf nennen, denn neben dem Rittergut des Asmus von Westeregeln existieren mittlerweile 29 Bauernstellen, eine stattliche Anzahl. Wenig später findet sich das Rittergut im Besitz einer anderen regionalen Adelsfamilie, der Hoyer.

Lange glaubte man, der Landadel hätte für seine Untertanen nichts übrig gehabt, ja diese nur ausgebeutet. Solche Ansichten bestimmen auch noch heute das Bild vom so genannten Junker in den Köpfen vieler Menschen, übrigens in Ost und West. Doch die neuere Geschichtswissenschaft ist mit derartig pauschalen Vorurteilen vorsichtiger. Schließlich wirkte das Gespür für Bildung und Wissen der Landadeligen auch in deren unmittelbares Umfeld hinein.

Und so verdanken die Einwohner von Ramsin der Herrschaftszeit und dem finanziellen Engagement derer von Hoyer zwei wichtige kulturtragende Institutionen. Denn Joachim von Hoyer stiftete dem Dorf sowohl die Kirche - 1604 - als auch die Schule - 1610. Damit ist er keineswegs eine Ausnahme unter seinen Standesgenossen. In der Zeit nach der Reformation brach das bisherige Schul- und Armenwesen zusammen. Kloster- und Stiftsschulen verschwanden, Armenspitäler wurden geschlossen.

Es war nun zumeist der Adel, der Dorfschulen und Armenhäuser gründete und für die Reparaturen der Kirchen aufkam. Für letzteres übrigens oft bis 1945. "Ich vernehme, das meine Untertanen mehr Lust und Willen bekommen, ihren Kindern etwas lehren zu lassen", heißt es in einem adeligen Testament aus dem Jahre 1584, das eine neue Dorfschule finanziert.

Lange konnte man sich indes nicht an Kirche und Schule erfreuen, der Dreißigjährige Krieg brachte auch hierher Zerstörung und Leid. Joachim von Hoyer war es, der den Widerstand beim Überfall der schwedischen Truppen auf Ramsin am 29. und 30. August 1637 leitete. Zu diesem Zeitpunkt war er schon betagt und seit 20 Jahren Witwer. Sein Sohn Joachim Ernst hatte nach Roitzsch geheiratet, hierhin verlegte die Familie auch bald ihren Lebensmittelpunkt. Um 1700 finden wir Ramsin deshalb im Eigentum derer von Schick, die unter anderem auch zu Quetz saßen.

Auf Dietrich Schick geht das heutige barocke Herrenhaus zurück, das zwischen 1735 und 1738 errichtet wurde. Lohnend wäre deshalb eine eingehende Untersuchung, inwieweit die Herrenhäuser Ramsin und Quetz im Kernbestand Parallelen aufweisen oder gar die Handschrift der gleichen Baumeister tragen. Eine passende Aufgabe eigentlich für den heutigen Besitzer, eine Immobiliengesellschaft in Georgsmarienhütte. Man hat den Barockbau erworben, tut aber aktuell nichts gegen den Verfall. Bestehen denn überhaupt Pläne, den alten Adelssitz zu restaurieren? Für eine Stellungnahme war der Eigentümer leider nicht zu erreichen. 1754 erwarb Wilhelm Leopold Freiherr von Freyberg das Rittergut Ramsin. Dessen Familie saß bislang auf den Rittergütern Groß-Möhlau bei Dessau und Elsdorf bei Köthen, beide im Anhaltischen. Wie viele, ja die meisten Rittergüter in Anhalt, wurden auch die Güter der von Freyberg durch die Fürsten von Anhalt aufgekauft. Eine Entwicklung, die an anderer Stelle besonderer Erwähnung bedarf. Ramsin war für die Freyberg zunächst eine reine Geldanlage, denn gewohnt hat die Familie vorrangig in Halle, wo man sich auch bestatten ließ. Erst Sohn Georg Leopold Friedrich nahm seinen Wohnsitz in Ramsin. Hier wurden alle seine elf Kinder geboren, die er aus der Ehe mit Friedrica von Mandelsloh hatte. Als er 1816 stirbt, dauert es nur ein gutes halbes Jahr und das Rittergut ist aus dem Familienbesitz und verkauft.

Die drei Söhne hatten außerhalb Besitzungen erworben, Authausen bei Bad Düben, Sandberg bei Belzig und Reinsdorf bei Wittenberg. In kurzer Folge wechseln die Besitzer von Ramsin. Regionalgeschichtliche Bedeutung hat dabei das Jahr 1839, als der Bitterfelder Tuchfabrikant Johann David Schmidt das Rittergut erwarb, um auf der Flur noch im gleichen Jahr nach Braunkohle graben zu lassen. Die Eröffnung seiner Grube "Auguste" (nach dem Vornamen der Ehefrau) gilt als Beginn der Bergbautätigkeit zwischen Bitterfeld und Gräfenhainichen. Schließlich wurden die zum Rittergut gehörenden Äcker und Gebäude stückweise verkauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Bodenreform entwickelte sich das einstige Rittergut zum Volkseigenen Gut (VEG), später zum Versorgungsgut der Farbenfabrik Wolfen und schließlich zum Betriebsteil der LPG (T) Brehna. Heute gehören die verschiedenen Hofbereiche auch verschiedenen Eigentümern. Das sonst so gepflegte Ortsbild von Ramsin spiegelt sich derzeit nicht im historischen Areal wider. Gerade das Herrenhaus strotzt vor Gerümpel und eingeschlagenen Fensterscheiben. Noch ist es mit überschaubarem Aufwand einer neuen Nutzung zuzuführen, so man denn will. Aber will man denn in Georgsmarienhütte?

Eine ausführliche Chronik zum Rittergut Ramsin findet sich im Internet. Winfried Feja, Ortschronist von Ramsin seit 1998, hat in Detailarbeit die Puzzlestücke zusammengesetzt und einer breiten Öffentlichkeit zugängig gemacht.