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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: «Ich wurde zum Glückspilz»

Von SYLVIA CZAJKA 22.07.2011, 15:50

WOLFEN/MZ. - Der "Hexentanz" begann vor 20 Jahren, beginnt ein junger Mann seine Erinnerungen in Worte zu fassen. Genauer gesagt, am 13. August 1991. Ein Datum, das Dirk Tomczak nicht vergessen kann. Jubiläen feiert man, weiß er. Er nicht. Aber Jubiläen geben einem auch die Zeit, nachzudenken.

Damals schnitt ihm ein Wagen die Vorfahrt. Dirk Tomczak, mit dem Moped unterwegs, stürzte. "Dann war Schicht im Schacht." Das Leben ganz weit weg. Doch es sollte wiederkommen. Fünf Jahre hat der Wolfener dazu gebraucht. Die Stationen zur Wiederkehr wurden meist von Menschen in Weiß betreut. Ärzte in Kliniken und bei den Rehabilitationsmaßnahmen in deutschen Kurzentren. Alles begann noch einmal wie in seiner Kindheit. Lesen, schreiben, laufen - "ich war zudem noch einseitig gelähmt". Dem gelernten Schlosser war klar, seinen Beruf kann er nie mehr ausüben. Trost fand er immer bei seiner Familie: den Eltern Elvira und Siegfried, die in Bitterfeld leben, und Bruder Gerald. "Die waren immer da für mich, egal, in welcher Klinik ich lag." Und Dirk Tomczak lag in vielen.

Dann folgten fast zehn Jahre, da ging es ihm gut. Er arbeitete in Jugendclubs. Der Tag hatte auch unbeschwerte Stunden. "Eine schöne Zeit." Die er hoffte, festhalten zu können. Doch es gelang nicht. Die Diagnose: Die Leber ist geschädigt. Für Dirk Tomczak war es wie ein Schlag ins Gesicht. K.o., dachte er. Das war's. Ein Dreivierteljahr stand er auf der "Warteliste" und hoffte täglich auf ein passendes Spenderorgan.

Am 14. Dezember 2006 war es dann so weit. Zwölf Stunden dauerte die Operation. Die war am Ende erfolgreich. Der Körper nahm das Spenderorgan gut an. Was für ein Glück, sagt Dirk Tomczak. Zweimal war es dem heute 40-Jährigen vergönnt, "zweimal wurde ich zum Glückspilz". Und sogar um 60 Kilogramm leichter. Heute ist ihm wieder zum Lachen. "Hauptsache, ich lebe", sagt er. Rentner ist er jetzt. "Rentner mit 40", meint er nachdenklich. "Aber kein rüstiger mehr." Er kann nicht mehr riechen und nicht mehr schmecken. Aber das Auge esse schließlich mit, lächelt er.

Hilfe bekam Tomczak nicht nur von der Familie, sondern auch von der Selbsthilfegruppe Lebertransplantierter Deutschland, die von Leipzig aus Betroffene betreut. Roland Schier ist der Ansprechpartner. Mit 64 Jahren wurde ihm eine Leber transplantiert. "Ich würde heute nicht mehr leben", sagt er. Gemeinsam mit der Universität Leipzig werden Betroffene unterstützt. Auch Tomczak. Dafür ist der Wolfener noch heute dankbar. "Wir haben viele persönliche Gespräche geführt", blickt er zurück. "Das war mir sehr wichtig und wir haben heute noch Kontakt."

1 300 Mitglieder zählt die Selbsthilfegruppe. Der Wolfener ist einer von ihnen und will es bleiben. Er wird nicht müde, Menschen über den Sinn von Organspendeausweisen zu informieren, verteilt Handzettel, die alles erklären, und Dirk Tomczak ist dankbar für seine zweite Chance, weiterleben zu können. "Man soll wenigstens ein bisschen was für Aufklärung tun." Und es versteht sich von selbst, dass auch er einen Organspendeausweis bei sich trägt.

Was Dirk Tomczak aus Wolfen und Roland Schier aus Leipzig hoffen: Dass die Leber noch viele Jahre hält. Toi, toi, toi.

Die Selbsthilfegruppe Lebertransplantierter hat für den 3. September 18 Uhr einen Gottesdienst in der Leipziger Thomaskirche organisiert.