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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Himmlisches Wesen schwebt hernieder zur Taufe

Von CHRISTINE KRÜGER 05.12.2010, 17:36

SALZFURTKAPELLE/MZ. - Kinder aus Salzfurtkapelle - zumindest die, die getauft worden sind - haben eine besondere Beziehung zu Engeln. Und das ist kein Wunder. Schließlich kommt der himmlische Bote mit der Taufschale in der Hand in der kleinen romanischen Kirche direkt zu den Täuflingen herab geschwebt. "Der Engel bringt dem Kind die Botschaft: Gottes Gnade kommt zu dir", erklärt der evangelische Pfarrer Torsten Göhler, der von diesem anmutig geschnitzten Wesen vom ersten Tage an angerührt war.

Und deshalb hat er auch alles dafür getan, dass der Taufengel wieder seinen Dienst als Segensspender übernehmen kann. Denn viele Jahre hing der traurig im Tonnengewölbe der Kirche und durfte nicht mehr das tun, wozu er eigentlich um 1700 geschaffen worden war. Offenbar dem Trend der Zeit folgend, hatte die Gemeinde einen neuen, eigentlich recht kargen Taufstein aufgestellt. "Ich wollte wieder den Engel", sagt Göhler und schaut lächelnd in die Höhe, wo das feine Geschöpf vor dem Altar schwebt. "Dann hat einer aus der Gemeinde ein neues Seil gespendet, die Kurbel wurde in Ordnung gebracht. Und nun konnte der Engel wieder bewegt werden." Das erste Baby, zu dem der Taufengel in Salzfurtkapelle dann hernieder schwebte, war Michel Röder. Das war 2002, erinnert sich der Pfarrer. "Da war der Engel noch nicht restauriert." Das ist er inzwischen. Und es scheint, als sei sein Lächeln nun hingebungsvoller, als wehten seine zartfarbenen Gewänder leichter.

Doch sollte man den filigranen Himmelsboten nicht unterschätzen. Der Pfarrer lacht, denn die Lehre, die ihm der Engel gab, die hat er nicht vergessen. "Man muss mächtig aufpassen, dass er schwebend im Gleichgewicht bleibt, wenn man das Wasser in die Taufschale gießt, die sich in der Jacobsmuschel in seinen Händen befindet. Das wusste ich natürlich anfangs nicht. Und plötzlich kippte der Engel zu weit nach vorn und ich hatte nasse Füße." Doch: Hat das alles vielleicht gar einen tieferen Sinn? Will das stumme Wesen eventuell etwas mitteilen? Torsten Göhler sieht es so: "Das ist ein gutes Symbol. Schon bei der Taufe wird man erinnert: Halte dein Gleichgewicht, du darfst Gott danke sagen und du darfst Gott klagen." Der Taufengel von Salzfurtkapelle ist ein Kleinod. Denn in der gesamten Kirchenprovinz Sachsen gibt es nur noch etwa 200 von ihnen. Die hohe Zeit der Repräsentanten der himmlischen Welt, die zwischen Himmel und Erde vermitteln und Gottes Wille verkünden, schlug im Barock. Vor allem in den Dorfkirchen. Und dass sie nicht auf der Erde stehen, sondern unter dem Kirchenhimmel schweben, das hatte einen ganz praktischen Grund: Damals nahm die Bevölkerung stark zu. Die Gemeinden wurden größer. In den Kirchen wurde es eng. Doch, so wollte es Luther, alle mussten im Altarraum Platz haben, denn die ganze Gemeinde sollte teilhaben an der Taufe. Was also lag da näher, als Gegenstände, die nicht aktuell gebraucht wurden, einfach in die Luft zu hängen?

Diese Schätze zu bewahren, hatte die Landeskirche Sachsen vor einigen Jahren ein Programm aufgelegt. In dessen Genuss kam 2006 auch der Engel von Salzfurtkapelle. Das Geld für die Restaurierung, sagt Göhler erfreut, hat die Gemeinde von der Kirchlichen Stiftung für Kunst und Kulturgut erhalten. Und von zwei Engel-Paten. Einer von ihnen bleibt anonym, der andere ist Livonia von Zanthier. Sie ist ein Mitglied der ursprünglichen Patronatsfamilie von Salzfurtkapelle, deren Namen sich noch heute mit der kleinen, ungewöhnlich schönen Kirche verbindet. Vieles hat sie dem Gotteshaus gestiftet - auch den wunderschönen Taufengel, der übrigens als einer von nur 20 im "Jahr der Taufe" 2006 im Magdeburger Dom ausgestellt war.