1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Vergessenes Mozart-Werk kam beim Publikum an

Singspiel in der Bernburger Martinskirche Vergessenes Mozart-Werk kam beim Publikum an

Ensemble um Peter Blail feiert erfolgreiche „Zaide“-Aufführung in der Ausweichspielstätte Martinskirche.

Von Sophia Möbes 03.08.2021, 14:00
Ende gut, alles gut (von links): Jacob Romero Kressin, Henriette Schein, Thomas Fröb, Konstantin                Kozakevich und Peter Blail.
Ende gut, alles gut (von links): Jacob Romero Kressin, Henriette Schein, Thomas Fröb, Konstantin Kozakevich und Peter Blail. Foto: Sophia Möbes

Bernburg/MZ - Eigentlich wollte Peter Blail mit seinen Mitstreitern in diesem Jahr für die traditionelle Sommeroper in der Kirche Dröbel Lortzings Komische Oper „Der Waffenschmied“ inszenieren. Die hinlänglich bekannten Einschränkungen im Alltag ließen eine Aufführung mit Chören allerdings nicht zu, das Gotteshaus ist räumlich zu begrenzt. Nun waren aber zwei Tenöre verpflichtet – was also tun? Aus der Not heraus hat Peter Blail „einen wahren Schatz wirklich ausgegraben“, das Mozart-Singspiel-Fragment „Zaide“ in zwei Aufzügen.

Wechsel zwischen gesprochenem Wort und Gesang

Mozart schuf mit diesem unvollendeten Werk das erste deutsche ernste Singspiel mit einer sozialkritischen Handlung zu Sklaverei, Glaubenskämpfen, Unverständnis und Willkür der Herrschenden. Erst die späteren Singspiele erhielten einen heiteren Charakter. Und noch eine Besonderheit hat er bei „Zaide“ aufgenommen, das Melodram, einen steten Wechsel zwischen gesprochenem Wort (Melolog) und Gesang. Zu Unrecht in Vergessenheit geriet dieses Werk, weil Mozart zwei Jahre danach „Die Entführung aus dem Serail“ komponierte, ein Singspiel in drei Akten mit ähnlicher Handlung. Bis heute steht es auf vielen Spielplänen.

Die Bearbeitung von Peter Blail, die halbszenische Umsetzung durch Marita Biermann und die musikalische Realisierung unter Leitung von und durch Joachim Diemer, haben am Sonntagnachmittag in der Bernburger Martinskirche eine sehr ansprechende Uraufführung ermöglicht. Das „Stamm-Ensemble“ der Sommeroper mit Thomas Fröb als Sultan Soliman, Henriette Schein als seine Favoritin und Sklavin Zaide, Jacob Romero Kressin in der Rolle des versklavten Europäers Gomatz, Peter Blail als Sklave Allazim, der dennoch die rechte Hand des Sultans ist, Konstantin Kozakevich als Oberaufseher Osmin und Annelie Leuthäuser als weitere Sklavin bot trotz des ernsten Themas dem Publikum eine kunst- und genussvolle Darbietung.

Zöllner-Männerchor kam zur Unterstützung

Denn schon 1780 schilderte Johann Andreas Schachtner in seinem Libretto die Not unterdrückter Menschen und deren Versuch, daraus zu entkommen ebenso wie die Herrschsucht der Mächtigen und deren Unwissen über das Leben ihrer Untergebenen. „Ihr Mächtigen steht ungerührt“, singt Peter Blail in der Rolle des Alla-zim. Unterstützung erhielt das Sängerensemble von vier Mitgliedern des Zöllner-Männerchores.

Fotowünsche wurden erfüllt

Wie aktuell das Thema noch heute ist, verdeutlichten Zaide und Gomatz, als Allazim dem Liebespaar zur Flucht verhilft. Er schickt sie zum Strand, wo gerade ein Schiff mit neuen Sklaven ankommt: Gomatz trägt plötzlich eine moderne Sonnenbrille, Zaide über ihrem Gewand eine Lederjacke. Und das Paar hat einen Rollenkoffer dabei. Auch Allazim will sich danach seine Freiheit zurückholen. Der macht- und geldversessene Oberaufseher Osmin sorgt dafür, dass die Flucht misslingt. Nacheinander werden alle drei wieder zum Sultan gebracht. Dieser rast vor Wut, will tödliche Rache, spielt alle Möglichkeiten aus, die ihm als Herrscher zur Verfügung stehen. Thomas Fröb personifiziert das Böse in erschreckendem Maße. Erst als er begreift, dass Allazin ihm als spanischer Kapitän vor 15 Jahren das Leben gerettet hat, lenkt er ein, doch nur ihm gegenüber.

Am Ende waren Publikum und Künstler glücklich, wie der nicht enden wollende Applaus bewies. Marita Biermann dankte allen Beteiligten, insbesondere Pfarrer Lambrecht Kuhn als Hausherrn. Draußen wurden Fotowünsche erfüllt. „So viel Blut hat der junge Mann verloren“, meinte eine Zuschauerin, als sie das geschminkte Äußere des misshandelten Gomatz aus der Nähe sah.

Wer wissen möchte, wie das Singspiel endet, hat am Samstag, 7. August, ab 17 Uhr noch einmal Gelegenheit, diese sehens- und hörenswerte Aufführung im Martinszentrum zu erleben. Einige Restkarten gibt es noch.