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Serumwerk hat vieles vor

Von Tilman Treue 27.02.2007, 18:35

Bernburg/MZ. - Pulmotin, Pyolysin und Parodontal. Diese Namen sind fast jedem ein Begriff. Hergestellt wurden die Medikamente schon zu DDR-Zeiten im Serum-Werk in Bernburg - und werden es bis heute. "Der Name Serum-Werk führt ein bisschen irre", erklärt Vorstandsvorsitzender Dr. Helge Fänger, "denn Seren werden bei uns überhaupt nicht hergestellt."

Der Name entstand, als das Werk 1954 als Ableger des Serumwerkes in Dessau den Betrieb aufnahm. 50 Prozent der DDR-Produktion an Infusionslösungen kamen damals aus dem Bernburger Werk. Dazu kamen unter anderem alle möglichen Veterinärarzneimittel außerdem Impfstoffe und das Apothekensortiment, zu dem zum Beispiel das Pulmotin gehört, das seit 1975 in der Saalestadt produziert wird.

Heute hat der Apothekenverkauf einen Anteil von fünf bis acht Prozent am Gesamtumsatz. Das ist nicht viel, doch Dr. Rosemarie Weidhase, Vertriebsleiterin Human, erklärt: "Wir bekennen uns zu unserer Tradition. Pulmotin ist seit 1998 Marktführer im Osten und kann ein geschlossenes Sortiment aufweisen." Mittlerweile gibt es unter der Marke Pulmotin neben der bekannten Erkältungseinreibung auch Inhalat, Erkältungsbad und Hustenlöser. Weitere Apothekenprodukte sind zum Beispiel die Hautpflegeserie BioPlant oder die entzündungshemmenden Salben Parodontal und Pyolysin. "Letztere ist für mich die beste Wundheilsalbe, die es gibt", ist sich die Biochemikerin sicher.

Trotz der positiven Zahlen wird das Apothekensortiment nicht weiter ausgebaut. "Das wäre nicht klug," erklärt Helge Fänger, "denn die Marketingkosten, die für die Einführung neuer Produkte notwendig wären, können wir als mittelständisches Unternehmen nicht aufbringen." Investiert wird stattdessen in einem ganz anderen Bereich - und das zahlt sich auch in zweistelligen Wachstumsraten aus. Es geht um die Synthese von Wirkstoffen. Das schließt an die Firmengeschichte an. Und es geht um die Herstellung eines neuentwickelten Volumenersatzmittels auf Basis von Hydroxyethylstärke (HES). Ein Volumenersatzmittel wird bei hohem Blutverlust nötig. Blutkonserven sind zwar eine wichtige Möglichkeit, aber sie stehen zum einen nicht unendlich zur Verfügung, außerdem ist dabei die Gefahr von Unverträglichkeiten relativ hoch. Kochsalzlösung hat den Nachteil, dass sie zwar den Flüssigkeitsanteil des Blutes ausgleicht, aber nicht das Volumen.

Bleiben also Volumenersatzmittel auf der Basis von HES, die drei Vorteile haben, wie der Vorstandsvorsitzende erläutert: "Sie sind preiswerter als Transfusionen, besser herzustellen und derzeit am besten verträglich." Mit HES-Präparaten der neuesten Generation, die in Bernburg entwickelt wurden, wird ein schneller Volumeneffekt erreicht, trotzdem wird die körperfremde Substanz schnell wieder aus dem Körper ausgeschieden.

Die erste Syntheseanlage wurde 1997 errichtet und seitdem mehrfach erweitert. "Die Entwicklung ist äußerst positiv", so Fänger weiter. "Im vergangenen Jahr konnten wir den Umsatz des Unternehmens um 13,5 Prozent steigern. 36,7 Prozent gingen in den Export." Und das über Außenhandelspartner in über 41 Länder von Südamerika über Europa bis nach Asien.

Da es in Europa nur zwei Firmen gibt, die diesen Wirkstoff herstellen, ist die Nachfrage entsprechend groß. "Im März / April erhöhen wir die Kapazität noch einmal um 30 Prozent", erklärt Fänger, doch damit ist die Grenze der alten Anlage erreicht. "Wir planen derzeit intensiv für den Neubau einer Syntheseanlage hier am Standort in Bernburg", so das klare Bekenntnis für die Saalestadt. Rund zehn Millionen Euro werden dafür investiert und die Zeit drückt: "Im ersten Quartal 2008 muss die Anlage fertig sein, damit wir nicht in Lieferschwierigkeiten kommen."

Abgesichert ist der großzügige Neubau durch langfristige Verträge, so dass man schon jetzt davon ausgehen kann, dass die Anlage in 2009 bis 2010 voll ausgelastet sein wird. Der Vorteil der Bernburger AG, die übrigens nur wenigen Eignern gehört, die auch zum Großteil selbst im Werk arbeiten, liegt klar auf der Hand. "Wir sind innovativer als die großen Firmen", erklärt der Vorstandsvorsitzende, "wir bestimmen unser Wachstum selbst."

Und so wird ein Großteil des Gewinnes reinvestiert, zum einen in neue Anlagen, zum anderen auch in die Entwicklung und Optimierung der Produkte. So wurden 2006 unter anderem eine Dextrananlage gebaut, die dritte Erweiterung der HES-Herstellung, die zweite Erweiterung der Eisendextranherstellung für den Veterinärbereich installiert und ein neues Hochregallager mit 4 300 Palettenplätzen eingeweiht. Insgesamt waren das Investitionen in Höhe von 4,7 Millionen Euro, was einem knappen Zehntel des Jahresumsatzes entspricht.

"Wir suchen uns Nischen, wo wir meinen, da sind andere nicht so stark", erklärt Helge Fänger die Firmenphilosophie, mit der das Unternehmen bisher gut gefahren ist und nun in eine positive Zukunft blicken kann. Die über 265 Arbeitsplätze, darunter 30 Lehrlinge, sind gesichert, ein weiterer Anstieg ist schon vorauszusehen.