Sensation in Gartensparte Sensation in Gartensparte: Keiner weiß, wie die Bude dort hin kam

Bernburg - Für alle Fans von roter, gelber und grüner Brause in Bernburg dürfte das eine echte Sensation sein. Denn bisher war wohl die gesamte Stadt davon ausgegangen, dass von den einstigen Kult gewordenen Limonadenbuden der Firma Gastrich nicht eine Holzlatte mehr übrig geblieben ist.
Vor 46 Jahren verschwanden die zehn Brausekioske aus dem Stadtbild. Fast. Denn in einer wird auch heute noch Brause eingegossen. Und zwar in der von Jana Franz.
Sensation in Gartensparte: Von der Bude fasziniert
Seit acht Jahren ist die 48-Jährige stolze Besitzerin der wohl letzten Bernburger Gastrichbude.
Die steht aber nicht mehr für alle Kunden gut erreichbar im Stadtzentrum. Sie verbirgt sich mitten in der Gartensparte Naturfreunde 1891 an der Gröbziger Straße.
Als die Friseurmeisterin aus Belleben ihre Zelte in Bernburg aufschlug, suchte sie nach einem lauschigen Plätzchen zum Erholen.
„Meine Freundin hatte in der Sparte schon einen Garten. Als ich dann die Bude gesehen habe, war für mich klar: Ich möchte nur diesen Garten haben“, erzählt Franz.
Damals wusste sie noch nicht, wie kultig dieses kleine Holzhäuschen tatsächlich für die Bernburger ist.
Erst als sie ein paar Gartennachbarn aufklärten und ihr alte Fotos von den Gastrichbuden im Stadtzentrum zeigten, dämmerte es der neuen Budenbesitzerin.
Sensation in Gartensparte: Neuer Anstrich und Anbau
Inzwischen hat ihr kleiner „Kiosk“ auch einen neuen Anstrich in gelb und grün bekommen und noch dazu einen Anbau im selben Stil als kleines Wohnzimmer.
Schließlich ist der 2,20 Meter breite und 1,80 Meter lange Bau alles andere als geräumig.
In ihn passt allenfalls die kleine Küchenzeile ihrer Besitzerin, die immer wieder mal von den Gartennachbarn auf ihre Bude angesprochen wird.
Wie sie einst dorthin kam, dass wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Höchstwahrscheinlich muss sie sich jemand in den 1970er Jahren abgebaut und in die Sparte transportiert haben.
Sensation in Gartensparte: Überraschung für Witwe Gastrich
Selbst für Ingeborg Gastrich, Witwe des letzten Firmeninhabers, ist die Nachricht von der Entdeckung der originalen Gastrichbude, eine echte Überraschung: „Das freut mich sehr“, sagt die 91-Jährige.
Selbst sie konnte keine der so beliebten Brausebuden nach dem Übergang ins Volkseigentum im Jahr 1972 behalten.
Dabei waren die handgefertigten Holzhütten im Schweizer Baustil damals noch in einem guten Zustand.
„Ich weiß aber leider nicht, was aus ihnen geworden ist“, bedauert die Seniorin.
Sensation in Gartensparte: Nachfrage im Sande verlaufen
Nach der Wende hatte sie den damaligen Bernburger Oberbürgermeister angesprochen, ob er nicht vielleicht eine Gastrichbude wieder aufbauen beziehungsweise nachbauen lassen würde.
„Ich hätte mich auch gern an den Kosten beteiligt. Aber leider ist es im Sande verlaufen“, erzählt sie.
Sensation in Gartensparte: In Köthen neue Buden nach altem Vorbild gebaut
Die Stadt Köthen sei schon einige Schritte weiter. Nachdem auch dort zehn Buden standen, war man vor drei Jahren auf die Idee gekommen, eine neue Bude nach altem Vorbild nachzubauen und sie als historische Attraktion bei der Land-Wirtschafts-Messe zu präsentieren.
„Immer wieder wird sie bei Veranstaltung nun aufgebaut und genutzt“, sagt Gastrich, die natürlich froh ist, dass das Erbe ihres Mannes damit noch weiter lebt.
Erste Trinkhalle 1898 eingeweiht
Bereits 1898 war die erste Trinkhalle in Bernburg eingeweiht worden. Damit erfrischten sich in den knapp 75 Jahren mehrere Generationen mit der in Bernburg produzierten Himbeer- und Waldmeisterbrause der Familie Gastrich.
Die Bernburger Limonade gibt es zwar nicht mehr, ein Gläschen Brause hätte „Kioskbesitzerin“ Jana Franz aber kaltgestellt, wenn die ehemalige Chefin der Brausefabrik einen Blick in die Bude werfen möchte.
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Kultkioske mit langer Tradition
75 Jahre lang prägten die Brausebuden der Familie Gastrich das Straßenbild von Bernburg. 1897 eröffnete der Ur-Onkel des letzten Inhabers Josef Gastrich eine Mineralwasser-Fabrik in der Wallstraße in Bernburg. Für den Verkauf von alkoholfreien Getränken wurden die Getränke-Kioske im Stadtgebiet aufgestellt.
Dort konnten die Kunden eisgekühlte Limonaden aus so genannten Kugelverschluss-Flaschen kaufen. Diese besondere Verschlusstechnik durch eine Kugel machte auch in einigen anderen Städten Deutschlands die Runde.
Gefüllt wurden die Flaschen zunächst mit Limonadensirup mit Hilfe eines Kurbelapparats, dann wurde die Flasche mit Kohlensäure durchsetztem Wasser vollgefüllt.
Sie wurde daraufhin gedreht und die Kugel blieb dabei in der Flaschenmündung, in der sich ein Gummiring befand, haften. Mit einem Handholzdrücker wurde die Kugel beim Öffnen heruntergedrückt.
Es wird vermutet, dass Gründer Josef Happ diese Technik von seinem langjährigen Aufenthalt in Amerika mitgebracht hatte. Dort soll ihm auch die Idee der Brausebuden gekommen sein. Auch sein Bruder Peter stieg in das Geschäft mit ein.
Er ließ in weiteren Städten, neben Bernburg, auch in Aschersleben, aber auch Quedlinburg und Halberstadt Getränkekioske aufbauen. Diese bestanden aus Holz im Schweizer Baustil. Mit der Überführung ins Volkseigentum verschwanden die Gastrich-Buden nicht nur aus der Saalestadt. (mz)
