Theater Rabenschwarze Komödie in Bernburg um einen immensen Lotto-Gewinn
Ein kleines Ensemble vom Renaissance-Theater Berlin brachte am Freitagabend „Nein zum Geld“ auf die Bühne des Theaters. Wie ein Millionengewinn im Lotto Familie und Freunde entzweit.

Bernburg/MZ. - Sondergastspiele füllen meist das Bernburger Theater, so auch am Freitagabend ein kleines Ensemble vom Renaissance-Theater Berlin. Bekannte Gäste wie Boris Aljinovic, Janina Stopper, Erika Skrotzki und Boris Valentin Jacoby haben eine rabenschwarze Komödie im Gepäck. „Nein zum Geld“ – wer würde das schon sagen? Die Französin Flavia Coste, Schauspielerin und Autorin, schuf unter diesem Titel ihr erstes Theaterstück.
Gewinn zunächst verheimlicht
Boris Aljinovic als Architekt Richard Carré verheimlicht seiner Familie und Freund und Geschäftspartner Etienne wochenlang einen immensen Lottogewinn, philosophiert lang und breit über die negativen Auswirkungen, die der Besitz von viel Geld mit sich bringt. Dabei hat seine Frau Claire (Janine Stopper) kurz zuvor beklagt, 280 Euro pro Monat für den Krippenplatz ihres Sohnes zahlen zu müssen. Ihr Gehalt ist die finanzielle Basis der Familie, während er freiberuflich auf jeden Auftrag hofft. Und als auch Mutter Rose (Erika Skrotzki) und Freund (Boris Valentin Jacoby) eingetroffen sind, rückt er mit der Sprache heraus: Er hat im Lotto gewonnen, 162 Millionen Euro, und lehnt es aus den zuvor genannten Gründen ab, das Geld anzunehmen. „Ich habe, was ich brauche und euch!“
Wir leben heute gefährlich in der ersten Reihe.
Ilona Pompe
Wer unter den Zuschauern könnte wohl diese Entscheidung nachvollziehen? Auch die drei anderen Personen sind fassungslos, bringen ihre Argumente vor, doch Richard bleibt bei seiner Meinung. Das alles geschieht in so witzigen Dialogen, dass das Publikum kaum aus dem Lachen herauskommt, obwohl ganz nebenbei ernsthafte Probleme aufgezählt werden. So schlägt seine Mutter vor, das Defizit in der Sozialkasse auszugleichen. Sein Freund bekennt, sich für das Architekturbüro privat hoch verschuldet zu haben. Seine Frau wirft ihm vor, er würde den neugeborenen Sohn um ein gutes Leben zu bringen. Und alle drei haben diesem mittelmäßigen Architekten für seine Träume immer den Rücken freigehalten. Doch das alles sind für ihn nur Beweise seiner Ansicht, dass Geld aggressiv macht. Wie zum Beweis donnert seine Frau das Geschirr auf den Boden, die Splitter fliegen sogar von der Bühne. „Wir leben heute gefährlich in der ersten Reihe“, kommentierte Zuschauerin Ilona Pompe das in der Pause.
Lottoschein angeblich weggeworfen
Den Lottoschein hat Richard angeblich weggeworfen und weiß nicht mehr wohin – da entdeckt ihn seine Frau am Kühlschrank. Er nimmt ihn an sich und geht damit schließlich zu seinem weinenden Kind. Ein wunderbar gespielter Anruf der Mutter bei der Lottogesellschaft ergibt, dass der Schein gerade noch gilt und der Gewinn umgehend beansprucht werden muss. Damit wird das Publikum in die Pause verabschiedet. Und in Gesprächen ist zu hören: „Hätten wir das Geld abgelehnt?“, „Wie wird es wohl ausgehen?“ „Ob er den Schein aufisst?“
Am Ende hat er Recht, seine Vorhersagen treffen haargenau ein.
Flavia Coste
Nach der Pause verzehren Ehefrau, Mutter und Freund das angebrannte Hühnchen, entschuldigen sich beieinander für vorherige böse Worte und überlegen, wie sie an den Lottoschein kommen könnten. Dabei kommt die Spielsucht seines Vaters zur Sprache und Richard wird sarkastisch zum Brudermörder abqualifiziert, weil sein Zwillingsbruder tot geboren wurde. Alle ziehen böse über ihn her – da kommt er ins Zimmer. Schlagartig ändert sich der Ton, sie hofieren ihn, unterbreiten Vorschläge für eine Verwendung des Geldes in seinem Sinne, doch Richard bleibt bei seiner Meinung. Er erinnert an die glücklichste Zeit ohne Geld während des Studiums, intoniert zur Freude des Publikums mit Etienne gemeinsam Joe Cockers „Million Dollars“. Seine Frau ist empört, fühlt sich als „Laborratte“ in seinem Spiel, fordert die Einlösung des Gewinnes, anderenfalls lässt sie sich scheiden. Als Mutter und Freund das unterstreichen, eskaliert die Situation. Er zerknüllt den Schein und steckt ihn in den Mund. Im anschließenden Gerangel geht er zu Boden, rührt sich nicht mehr, hat aber den Schein noch im Mund. Autorin Flavia Coste meint dazu: „Am Ende hat er Recht, seine Vorhersagen treffen haargenau ein: Seine Nächsten drehen durch.“
Geld oder Moral?
In dieser Komödie unter Regie von Tina Engel wird das Publikum fast eineinhalb Stunden lang humorvoll angeregt, sich selbst zu hinterfragen: Was ist mir wichtiger, Geld oder Moral? Welche der vier Sichtweisen wäre wohl meine? Aber alle Zuschauer sind sich sicher, eine sehr gute Vorstellung erlebt zu haben. Sie spenden stehend einen sehr langen und herzlichen Applaus.