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Neuer Vertrag, Aufgeben oder Abriss Neuer Vertrag, Aufgeben oder Abriss: Garagenbesitzer fühlen sich enteignet

Von Franz Ruch und Torsten Adam 24.09.2019, 09:56
Sämtliche Nutzer des Garagenkomplexes Stauffenbergstraße fühlen sich wie Andreas Stollberg (rechts) von der Stadtverwaltung hintergangen, weil diese den Verkauf des Grundstücks nicht ausschrieb.
Sämtliche Nutzer des Garagenkomplexes Stauffenbergstraße fühlen sich wie Andreas Stollberg (rechts) von der Stadtverwaltung hintergangen, weil diese den Verkauf des Grundstücks nicht ausschrieb. Engelbert Pülicher

Bernburg - Für Andreas Stollberg ist es eine Zumutung: Die Garage, die er seit über zehn Jahren sein Eigen nennt, soll nicht mehr ihm gehören. Bisher war der Boden, auf dem das Gebäude steht, in der Hand der Stadt Bernburg.

Im Juni hat sie das Grundstück an zwei Privatleute verkauft. Diese stellen den Garagenbesitzer nun vor vollendete Tatsachen. Sie kündigten den Pachtvertrag zum Jahresende und bieten an, ab 2020 einen neuen abzuschließen: für 40 Euro pro Monat. Bislang zahlten die Nutzer nach eigenen Angaben rund 100 Euro pro Jahr.

„Ich fühle mich enteignet“, sagt Andreas Stollberg. Der Bernburger hat die Garage an der Stauffenbergstraße 2008 von einer Vorbesitzerin in dem Glauben abgekauft, dass er sich in Zukunft um einen sicheren Stellplatz für sein Auto keine Sorgen mehr machen muss. Doch die Garage gehört ihm gar nicht mehr. Die Ursache begründet sich in der Wiedervereinigung.

Garagenbesitzer in Bernburg sind sauer: Zwei Rechtssysteme waren unvereinbar

Nachdem 1990 nicht nur zwei politisch, sondern auch rechtlich völlig unterschiedliche Systeme eins wurden, gab es allerlei Komplikationen. War es in der DDR noch möglich, eigenen Besitz auf fremden Boden zu haben, war das nach der Wende mit BRD-Recht unvereinbar.

Um den Garagenbesitzern eine gewisse Schonfrist einzuräumen, gab es bis zum Jahr 2000 einen Bestandsschutz. Seitdem gilt jedoch: Wechselt das Grundstück den Besitzer, fallen auch alle Bauten darauf an den Käufer. „Wir wurden von dem Verkauf völlig überrascht“, erzählt Stollberg.

Garagenbesitzer in Bernburg sind sauer: Nicht informiert und als Interessenten in Erwägung gezogen

Ende August erfuhr er wie alle anderen Nutzer der 64 Garagen in dem Komplex erst durch einen Brief von der Stadtverwaltung davon. Aus dem Rathaus habe es im Vorfeld nicht nur keine Information gegeben, dass geplant ist, das Grundstück zu verkaufen. Auch seien die Garagenbesitzer als potenzielle Käufer nicht in Betracht gezogen worden.

Deshalb ist die Verärgerung bei den Betroffenen groß über das Agieren der Stadtverwaltung: „Wir hätten auf jeden Fall eine Kaufabsicht gehabt“, sagt Stollberg. Er hätte es sich gut vorstellen können, im Verbund mit den anderen Pächtern das Grundstück selbst zu kaufen. Um so wütender ist er über die Abläufe, von denen die Öffentlichkeit erst nach dem Verkaufsbeschluss des Hauptausschusses des Stadtrates aus dem Amtsblatt erfuhr: „Ich fühle mich von der Stadt im Stich gelassen.“

Garagenbesitzer in Bernburg sind sauer: Verwaltung sieht keine Pflicht der öffentlichen Ausschreibung

Auf MZ-Nachfrage teilte die Verwaltung mit, dass sie nicht verpflichtet sei, derartige Grundstücksangebote öffentlich auszuschreiben. Aufgrund guter Erfahrungen der Bernburger Wohnstättengesellschaft mit den Interessenten, habe man von Seiten der Stadt die Verhandlungen aufgenommen.

Nach MZ-Informationen hatten die Käufer zuvor bereits Garagenkomplexe an der Wettiner Straße und Kalistraße aus kommunaler Hand erworben. Für den Grund und Boden an der Stauffenbergstraße zahlten sie laut Stadtverwaltung für eine Fläche von 2.155 Quadratmetern einen Kaufpreis von 64.650 Euro, der dem Bodenrichtwert entspreche. Möglicherweise hätte die Stadt bei einem Bieterverfahren aber mehr Geld einnehmen können. So wie es bei der Kreisverwaltung Usus ist.

Von dort heißt es: „Der Salzlandkreis führt aufgrund des Grundsatzes der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung vor den Kaufvertragsverhandlungen stets ein Bieterverfahren durch. Nur so lässt sich ein Preis erzielen, der über dem angenommenen Verkehrswert liegt.“ Mit einem Bieterverfahren werde zudem dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich von Transparenz und Diskriminierungsfreiheit entsprochen.

Garagenbesitzer in Bernburg sind sauer: Neue Eigentümer haben Kaufpreis mit neuer Miete schnell wieder drin

Für die Erwerber des Garagenkomplexes könnte die Rechnung indes aufgehen: Sollten für alle 64 Garagen neue Verträge abgeschlossen werden, hätten sie den Gesamtkaufpreis in gut zwei Jahren wieder eingenommen. Die Garagennutzer haben indes drei Optionen: Entweder sie gehen den neuen Mietvertrag ein, sie geben die Garage ab oder sie reißen sie auf eigene Kosten ab. (mz)