1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bernburg
  6. >
  7. Seine Mutter starb nach Behandlung: Nach Vorwürfen über Missstand bei Pflege: Ameos-Klinik Aschersleben kündigt Pfleger fristlos

Seine Mutter starb nach Behandlung Nach Vorwürfen über Missstand bei Pflege: Ameos-Klinik Aschersleben kündigt Pfleger fristlos

Von Torsten Adam 17.09.2018, 11:13
Der Familie von Karin Flügel sind nur Erinnerungen und Fotos aus glücklichen Tagen geblieben. Ehemann Helmut und Sohn Karsten wollen nun auf zivilrechtlichem Wege gegen Ameos auf Schadensersatz klagen.
Der Familie von Karin Flügel sind nur Erinnerungen und Fotos aus glücklichen Tagen geblieben. Ehemann Helmut und Sohn Karsten wollen nun auf zivilrechtlichem Wege gegen Ameos auf Schadensersatz klagen. Ute Nicklisch

Wohlsdorf/Aschersleben - Nachdem der Krankenpfleger Karsten Flügel wegen des Todes seiner Mutter in einem MZ-Artikel schwere Vorwürfe gegen seinen Arbeitgeber Ameos erhoben hat, ist er fristlos gekündigt worden. „Aus wichtigem Grund“, wie es in dem Schreiben heißt, das der Wohlsdorfer vor einer Woche in seinem Briefkasten fand.

„Einen Tag, bevor ich nach meiner Krankschreibung wieder zum Dienst antreten wollte, erhielt ich die schriftliche Suspendierung. Eine Woche später folgte die Kündigung“, sagt der 41-Jährige.

Der Suspendierung folgte eine Woche später die Kündigung

Und die Familie muss eine weitere schlechte Nachricht verkraften: Wie die MZ jetzt erfuhr, hat die Polizei ihr Ermittlungsverfahren zur Todesursache abgeschlossen. „Die Frau ist eines natürlichen Todes gestorben“, sagt Reviersprecher Marco Kopitz zum Ergebnis der Obduktion in der Rechtsmedizin Magdeburg. Deshalb sei keine Strafrelevanz erkennbar. Weitere Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft werde es zumindest vorläufig nicht geben.

Obduktion ergab: Frau starb eines natürlichen Todes

Die Behörden spielen damit den Ball zur Familie der Verstorbenen zurück. Diese müsste nun in einem zivilrechtlichen Verfahren mittels Gutachten beweisen, dass der Tod von Karin Flügel in kausalem Zusammenhang mit ihrem 24-tägigen stationären Aufenthalt im Ameos-Klinikum Aschersleben steht.

„Sollte sich dabei der Verdacht einer Straftat, wie beispielsweise einer unterlassenen Hilfeleistung ergeben, würden Polizei und Staatsanwaltschaft den Sachverhalt prüfen“, erklärt Marco Kopitz. Die jüngsten Ermittlungen hätten sich einzig und allein darauf beschränkt, ob die Frau am 2. August eines natürlichen Todes gestorben war oder nicht. Die Leichenschau habe den Eintrag des Hausarztes im Totenschein bestätigt.

Familie hatte Karin Flügel gegen den Rat der Ärzte nach Hause geholt

Unbekannt ist indes weiter die genaue Todesursache. Die Familie hatte Karin Flügel am 26. Juli gegen den Rat der Ameos-Ärzte nach Hause geholt, dort war sie acht Tage später im Alter von 60 Jahren gestorben. „Unserem Anwalt liegt der Obduktionsbericht bislang nicht vor“, sagt Karsten Flügel.

Die Familie vermutet ein multiples Organversagen in Folge einer Blutvergiftung, die von einem Dekubitus schwersten Grades am Kreuzbein herrührt. Dieses Druckgeschwür sei während des Klinik-Aufenthaltes entstanden.

Karsten Flügel kennt sich als Pfleger aus mit Dekubitus

„Als meine Mutter dort eingeliefert wurde, hatte sie nicht mal ein gerötetes Gesäß“, beteuert der 41-Jährige. Auslöser des Dekubitus sei eine stundenlange Operation auf einem harten OP-Tisch gewesen, ist er überzeugt. „Die haben meine Mutter in den Wochen danach regelrecht verfaulen lassen“, wirft Karsten Flügel Ameos schwere Pflegeversäumnisse vor - neben einer Vielzahl von Behandlungsfehlern.

Dass er sich mit diesem Krankheitsbild bestens auskennt, bescheinigte ihm das Klinikum bereits vor zehn Jahren in einem Zwischenzeugnis: „Besonders hervorzuheben sind seine Kenntnisse im Wund- und Dekubitusmanagement, welche er immer sach- und fachgerecht einsetzt.“ Karsten Flügel schrieb sogar im Namen des Krankenhauses einen Artikel über die richtige Behandlung von Druckgeschwüren in einem Pflege-Fachmagazin.

Ameos-Direktor Lehotzki will sich nicht äußern

Sebastian Lehotzki, Direktor der Ameos-Kliniken in Aschersleben und Staßfurt, wollte sich mit Hinweis auf ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz nicht zu den Vorwürfen im Detail äußern. Sein Angebot im am 25. August veröffentlichten MZ-Artikel, dass seine Tür für Familie Flügel weiterhin offen stehe, empfindet Karsten Flügel im Hinblick auf seine folgende Kündigung als „scheinheilig“.

Der Wohlsdorfer räumt allerdings auch ein, dass die Entlassung für ihn als „Nestbeschmutzer“ nicht unerwartet kommt. Dennoch will er sich dagegen wehren: „Mein Anwalt hat die Kündigungsschutzklage bereits abgeschickt.“

Keine Kosten und Mühen scheuen will die Familie auch im Kampf um die Aufklärung der Todesumstände der fünffachen Mutter. „Sonst würden wir keinen Seelenfrieden finden, das sind wir uns selbst schuldig“, sagt Karsten Flügel. Seine Mutter, die 34 Jahre ihres Lebens geopfert habe, um seine schwerstbehinderte Schwester Kerstin zu pflegen, „hat solch ein elendes Ende nicht verdient. Wir wollen Gerechtigkeit, auch wenn das Jahre dauert“. Die zuständige Krankenkasse habe bereits zugesagt, ein Gutachten beim Medizinischen Dienst in Auftrag zu geben.

Krankenkasse wird Gutachten in Auftrag geben

Um seine berufliche Zukunft macht sich Karsten Flügel, der zuletzt im Ameos-Klinikum Staßfurt tätig war, derweil weniger Sorgen. „Ich sehe keine Probleme, etwas Neues zu finden.“ Er habe noch nie Arbeitslosengeld in Anspruch genommen und wolle das auch jetzt nicht tun. Schnellstmöglich wolle er wieder als Krankenpfleger arbeiten. (mz)