Jüdischer Friedhof erzählt bewegende Geschichten
HALLE/MZ. - Doch der Historiker kann die Geschichte offensichtlich gar nicht oft genug erzählen. Denn die fast 40 Besucher, die am Sonntagvormittag gegen 11 Uhr zur zweiten Führung auf die nur einmal im Jahr geöffnete Begräbnisstädte am Rößeberg kamen, kannten sie noch nicht. Die Geschichte des leiblichen Großvaters von SPD-Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der auf dem jüdischen Friedhof in Bernburg begraben liegt.
Die Gäste lauschten aufmerksam den Worten des fachkundigen Referenten zur bewegenden Lebensgeschichte des Bernburger Bankiers Ludwig Gumpel (1860 bis 1935) und seiner folgenreichen, nächtlichen Liaison mit einer Hamburgerin, aus der der Vater des fünften deutschen Bundeskanzlers hervorging. Doch Grossert wusste nicht nur von Helmut Schmidt und dessen Vorfahren zu berichten. Den mehreren hundert Besuchern, die über den gesamten Tag verteilt den Friedhof besuchten, erzählte er zahlreiche Details aus der Geschichte der Juden in Bernburg. So auch die der Entwicklung des ersten Bernburger Kaufhauses in der Wilhelmstraße, das von Nathan Gottschalk eröffnet und später von Willy Cohn übernommen wurde. Der verkaufte das Haus nach der Reichspogromnacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von der DDR-Handelsgesellschaft Konsum genutzt.
Wieder einmal hatte sich der Arbeitskreises "Jüdische Geschichte in Bernburg" am Volkstrauertag viel Mühe gegeben, um den interessierten Gästen ein aufschlussreiches Programm zu bieten. Neben Geschichten und Vorträgen von Grossert hatten die Mitglieder des Gremiums auch wieder Informationstafeln über die Geschichte des Friedhofs und der Juden in Bernburg im Allgemeinen aufgestellt. Zudem wurde Auskunft über die Arbeit des Arbeitskreises gegeben.
Seit sich die Gruppierung um den größten jüdischen Friedhof im Salzlandkreis und im Raum Anhalt kümmert und ihn 1999 zum ersten Mal in Zusammenarbeit des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, erfreut sich das Interesse an der jüdischen Kultur in der Region einer stetig steigender Beliebtheit . Zudem ist es dem Arbeitskreis zu verdanken, dass die fast 400 Grabsteine auf dem knapp 2 800 Quadratmetern großen Gelände überhaupt noch in solch einem Zustand sind, dass man sie besichtigen kann. "Es ist eine mühevolle Arbeit, da uns nur sehr wenig Geld zur Verfügung steht. Aber jeder kleine Baustein ist eine große Motivation für uns", so Grossert und zeigt zu Recht mit Stolz auf den frisch sanierten Grabstein von Theodor Spanier.