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Glückwunsch! Grüne Apotheke in der Breiten Straße: Bernburgs älteste Apotheke wurde vor 325 Jahren gegründet

Von Felix Filke 05.02.2019, 14:36
Apotheker Hendrik Frenzel und sein Team der Grünen Apotheke: Helena Bock (von links), Kristin Berger und Birgit Eisenhuth.
Apotheker Hendrik Frenzel und sein Team der Grünen Apotheke: Helena Bock (von links), Kristin Berger und Birgit Eisenhuth. Pülicher

Bernburg - Alter ist relativ. Für ein siebenjähriges Kind ist ein 30-jähriger Mann uralt. Ein 60-Jähriger wäre hingegen wohl gerne wieder 30. Die Grüne Apotheke in der Breiten Straße ist alt – uralt. Und zwar objektiv, denn sie ist die älteste Apotheke der Stadt. Am Dienstag hat sie Geburtstag und wird 325 Jahre alt. Und wahrscheinlich ist sie sogar noch viel älter, sagt ihr Inhaber Hendrik Frenzel.

Nachweislicher Gründer der Grünen Apotheke war am 5. Februar 1694 Johann Heinrich Ludwig. „Die ersten Anfänge liegen aber schon im 16. Jahrhundert“, ist sich Frenzel sicher.

In all der Zeit hat sich das Berufsbild des Apothekers sehr gewandelt. „Das waren früher Universalgelehrte“, sagt der 64-Jährige. So wurden sie beispielsweise als Gerichtsmediziner immer dann zu Rate gezogen, wenn es galt, unklare Todesfälle aufzuklären.

Ludwig Franz Bley wies 1853 an einer Leiche einen Mord nach

Einer dieser Universalgelehrten war auch Ludwig Franz Bley, von 1826 bis 1868 Inhaber der Grünen Apotheke. Mit ihm ist ein besonders spektakulärer Fall der Rechtsmedizin in Bernburg verbunden.

Im Jahr 1853 konnte er an den ausgegrabenen Leichenresten eines zehn Jahre zuvor gestorbenen Mannes eine tödliche Dosis Arsen nachweisen – der arme Tropf war also vergiftet worden. Übrigens von seiner eigenen Ehefrau – einer gewissen Frau Eichel –, wie der anschließende Prozess ergab.

Frau Eichel wollte nämlich Platz für einen neuen Mann schaffen – hatte aber die Rechnung ohne den Apotheker Bley gemacht. Das Ende der morbiden Geschichte: Frau Eichel wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt.

Apotheker waren früher Gerichtsmediziner, Chemiker, Forscher

Solche kriminalistischen Zeiten sind für Apotheker lange vorbei. Gerichtsmediziner, Chemiker, Forscher – all das sind sie längst nicht mehr. „Heute sind sie mehr oder weniger reine Verkäufer“, sagt Frenzel, der der 16. Inhaber in der langen Geschichte der Grünen Apotheke ist.

„Früher haben die Apotheker noch selber ihre Chemikalien hergestellt und beispielsweise das Morphium aus den Pflanzen extrahiert.“ Heutzutage kommt das alles fix und fertig vom Großhändler. Selbst zusammengemixt wird in den hauseigenen Labors, die jede Apotheke nach wie vor haben muss, nur noch wenig: besondere Mundspülungen etwa oder individuelle Hautsalben.

„Noch zu DDR-Zeiten hatten wir bestimmt 15 Rezepturen pro Tag“, sagt Frenzel und zählt Hustensäfte, Nasentropfen und Zäpfchen auf. Heute sei es im Schnitt noch eine Rezeptur. Dafür kommen viermal täglich Arzneimittellieferungen. „Das sind mehrere kleine Kistchen, vor der Wende kam alle zwei Wochen eine große Lieferung per Lastwagen.“

Seit 1738 sind die Namen Rote, Grüne und Blaue Apotheke verbürgt

Die kuriosen Namen Rote, Grüne und Blaue Apotheke in Bernburg sind übrigens schon seit 1738 verbürgt. Woher die Bezeichnungen stammen, ist nicht ganz klar. Frenzel vermutet, dass schon damals die Fassadenfarbe der Grund für die Benennung war.

Damals lagen allerdings noch alle drei Apotheken an der Breiten Straße. Mit dem Wachsen der Bergstadt wurde aber dort der Ruf nach einer eigenen Apotheke lauter. Im 19. Jahrhundert zogen dann die Blaue und die Rote um.

Das Gebäude der Apotheke in der Breiten Straße wurde 1775 erbaut

Einzig die Grüne blieb all die Jahre dort, wo sie immer war. Das Gebäude an der Breiten Straße 115, in dem sich die Apotheke heute befindet, stammt aus dem Jahr 1775 – die Vorgängerbauten wurden bei einem Feuer zerstört.

Hendrik Frenzel ist seit 1982 Chef der Grünen Apotheke. Auch unter der Leitung des gebürtigen Gröbzigers hat sich einiges getan. Denn zwischen 1983 und 1988 musste die Apotheke zeitweise in die Breite Straße 1 umziehen, weil das denkmalgeschützte Haus renoviert werden musste.

Großes Apothekensterben

Ob das Traditionsgeschäft auch die kommenden 325 Jahre überdauern wird, bleibt abzuwarten. „Jedes Jahr schließen 300 Apotheken in Deutschland“, sagt Frenzel. Und tatsächlich gab es laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Ende des Jahres 2017 mit 19.748 so wenige Apotheken im Land wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Im vergangenen Jahr musste auch die Blaue Apotheke in Bernburg schließen. Der 64-Jährige macht für den Apothekenschwund vor allem drei Gründe verantwortlich: „Internet-Apotheken, steigende Kosten und der Sparwillen der Ärzte.“

Und er selbst ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Irgendwann wird sich ein Nachfolger finden müssen. Kein Forscher. Kein Chemiker. Kein Gerichtsmediziner. Sondern ein Apotheker. (mz)

Zeitreise: So sah es in der Grünen Apotheke im Jahr 1904 aus.
Zeitreise: So sah es in der Grünen Apotheke im Jahr 1904 aus.
Frenzel