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NS-"Euthanasie" Gedenkstätte für Opfer der NS-"Euthanasie" Bernburg: Ausstellung ist jetzt moderner und informativer

Von Sophia Möbes 04.09.2018, 11:56
Die neue Ausstellung in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ ist auch optisch eindrucksvoll.
Die neue Ausstellung in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ ist auch optisch eindrucksvoll. Pülicher

Bernburg - Nach mehrmonatigem Umbau ist am Sonntag die Gedenkstätte für Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg mit einer neuen Ausstellung „Die Vernichtung der Unbrauchbaren“ wieder eröffnet worden. Die kleinen, engen Kellerräume des Gebäudes boten nicht genügend Platz für die vielen Gäste der Eröffnungsfeier.

Deshalb fand diese im Festsaal des Fachklinikums der Salus gGmbH statt, auf dessen Gelände sich die Gedenkstätte befindet. Genau an dieser Stelle befand sich während der NS-Zeit das Casino der ehemaligen Beschäftigten der damaligen Euthanasie-Anstalt.

Rossini-Quartett und Kammersängerin Undine Dreissig traten auf

Die würdevolle Eröffnung wurde musikalisch umrahmt vom Rossini-Quartett Magdeburg und der Kammersängerin Undine Dreissig. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Kai Langer, begrüßte die Gäste „fast auf den Tag genau 79 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs an diesem Ort der Euthanasie“.

Er gab einen statistischen Überblick der hier verübten Verbrechen, informierte über Probleme bei der Umsetzung des Ausstellungs-Drehbuches, machte mit verschiedenen Hinweisen neugierig auf die neue Präsentation.

Ministerin Grimm-Benne verweist auf aktuelle Debatten

Petra Grimm-Benne (SPD) betonte besonders ihre Verantwortung als Gesundheitsministerin von Sachsen-Anhalt bei diesem Thema. Waren doch viele der hier Getöteten körperlich, seelisch oder geistig behindert.

Sie verwies aber auch auf die aktuellen Probleme im Land, seien es die Vorkommnisse in Chemnitz oder die Diskussion um den Verein „Miteinander“, die einen Nährboden schaffen für eine so dunkle Zeit, wie sie Deutschland nie wieder erleben sollte.

„Wir müssen einfach zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben.“ Durch und mit dieser neuen Präsentation sieht sie sowohl Anknüpfungspunkte für Demokratie und Menschenrechte als auch für Medizin-Ethik. „Diese Woche hat gezeigt: Es gibt wichtige aktuelle Gründe, nicht zu vergessen“.

Gedenkstätte besteht erst seit Anfang der 1980er Jahre

Salus-Geschäftsführer Matthias Lauterbach erinnerte daran, dass „das Leid hilfebedürftiger Menschen … über Jahrzehnte aus dem Gedächtnis der Menschen verschwunden war.“ Erst Anfang der 1980er Jahre wurde begonnen, die hiesige Gedenkstätte zu errichten.

„Durch das Verantwortungsbewusstsein der Initiatoren wurde hier eine würdevolle Erinnerungskultur geschaffen. Zudem haben Opfer und Angehörige ein Recht auf eine schonungslose Aufklärung.

Die neue, didaktisch zeitgemäße Exposition verdient Respekt und Anerkennung“, so Lauterbach und er sicherte Leiterin Ute Hoffmann zu, als Träger immer ein verlässlicher Partner zu sein.

Zu guter Letzt gab Ute Hoffmann ein Resümee über die Entstehung der Gedenkstätte, die allererste Ausstellung „Aktion T 4“ eines Westberliners zur Eröffnung, die Erarbeitung der ersten und zweiten eigenen Ausstellung und der Vorbereitung dieser neuen, dritten Präsentation.

Die Gäste erfuhren auch, dass die bisherige Ausstellung auf dem Weg nach Treblinka (Polen) ist, um dort in der Gedenkstätte des ehemaligen Vernichtungslagers gezeigt zu werden. In diesem Lager waren 13 Männer aus Bernburg tätig, neben einem Arzt noch Verwaltungspersonal und Arbeiter.

Auch strafrechtliche Verfolgung in der DDR ist ein Thema

Die neue Ausstellung, die 300.000 Euro kostete und mit Hilfe von Lotto Toto realisiert werden konnte, ist trotz des weiterhin geringen Platzes informativer und aussagefähiger geworden: einmal durch die Möglichkeit, Akteneinsicht in Stasi-Unterlagen zu erhalten und so neue Erkenntnisse zu erhalten.

Der alten Exposition wurde ein Bereich hinzugefügt, der sich mit Euthanasieproblemen lange vor der NS-Zeit beschäftigt und ein weiterer ist der strafrechtlichen Verfolgung in der DDR gewidmet.

Zum Anderen hat Ausschreibungssieger Bergzwo aus Berlin mit kräftigen Farben und hochwertigen Materialien eine hervorragende gestalterische Arbeit geleistet. Auf geringer Fläche wurde das Wesentliche optisch eindrucksvoll dargestellt. Das bestätigten die Gäste bei der Besichtigung sehr gern.

Außerdem erhielten sie von Ute Hoffmann noch viele zusätzliche Erläuterungen aus ihrer wissenschaftlichen Forschung dazu.

Trotzdem hat die Leiterin der Gedenkstätte noch einen Traum: Sie wünscht sich, dass dieses kleine Museum auch überregional von den Medien beachtet wird. Denn der Zuspruch ist so groß, dass jetzt bereits Besuchstermine für 2020 vergeben werden. Das Thema und die Darstellung haben es verdient.  (mz)