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Einer der größten Internetbetrugsfälle im Land Betrug bei Ebay in 427 Fällen von Mann aus Hettstedt: "Strohmann" hinter Gitter

Von Torsten Adam 12.07.2019, 09:58
Wegen Beihilfe zum Betrug in 427 Fällen muss ein 43-jähriger Hartz-IV-Empfänger für vier Jahre hinter Gitter.
Wegen Beihilfe zum Betrug in 427 Fällen muss ein 43-jähriger Hartz-IV-Empfänger für vier Jahre hinter Gitter. torsten adam

Magdeburg/Bernburg - In einem der größten Internetbetrugsfälle Sachsen-Anhalts ist am Donnerstag am Landgericht Magdeburg ein erstes Urteil gefallen. Ein 43-jähriger Hartz-IV-Empfänger aus Hettstedt muss wegen Beihilfe zum Betrug in 427 Fällen für vier Jahre hinter Gitter.

Da der gelernte Konditor drogenabhängig ist, wies ihn die 5. Strafkammer in eine Entziehungsanstalt ein. Im Sommer hatte der Mann als Handlanger zweier noch flüchtiger Krimineller von Bernburg aus über die Verkaufsplattform Ebay hunderte Kunden bundesweit um ihr Geld gebracht. Binnen einer Woche ergaunerte das Trio rund 320.000 Euro.

Betrug bei Ebay in 427 Fällen: Bei falschem Franzose ging alles glatt durch

Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Hettstedter war nach eigenen Angaben von seinem Bekannten, einem gewissen Zlatko, und einem ihm bis dahin unbekannten Mann während einer Autofahrt in einen heimtückischen Plan eingeweiht worden.

Er sollte mit gefälschtem französischen Reisepass - ausgestellt auf den Namen Pierre Lemounte und mit eigenem Passbild versehen - ein Konto bei der Salzlandsparkasse eröffnen sowie die Lemounte IT GmbH gründen. „Ich bin verwundert, wie glatt das durchging“, sagte die Vorsitzende Richterin Claudia Methling.

Aber der Mann, der mit Mansfelder Dialekt spricht, ging im Februar 2018 bei Notar und Sparkasse als Franzose durch und weckte auch kein Misstrauen bei den Bewohnern eines Mehrfamilienhauses an der Thomas-Mann-Straße in Bernburg-Roschwitz. Hier mietete der 43-Jährige eine Wohnung an und ließ sie als Firmensitz eintragen.

Betrug bei Ebay in 427 Fällen: „Merci“ als Dankeschön

Der Verurteilte eröffnete dann am 3. Mai bei Ebay ein Benutzerkonto und wickelte darüber in den folgenden drei Monaten eine Vielzahl von Warenan- und verkäufen ab. Die Pakete, die an der Thomas-Mann-Straße ankamen, ließ er von Nachbarn annehmen und bedankte sich dafür wiederholt standesgemäß als Franzose mit einer Pralinenschachtel „Merci“.

Das Ziel: Mit dem Sammeln guter Ebay-Bewertungen seitens der Handelspartner sollte das Vertrauen der späteren Opfer erschlichen werden.

Am 27. Juli 2018 begann der monatelang vorbereitete Massenbetrug. Kunden, denen Fernseher, Klimageräte oder Computerzubehör angeboten wurden, konnten nicht mehr auf die sichere Bezahlmethode Paypal zugreifen. Sie sollten stattdessen das Geld bei Vorkasse überweisen. Angesichts der sehr guten Bewertungen ließen sich Hunderte darauf ein. Meist waren es dreistellige Beträge, teilweise aber auch vierstellige. Dem Hettstedter wurden 427 Fälle nachgewiesen.

Betrug bei Ebay in 427 Fällen: Zahl der Geprellten scheint wesentlich höher

Nach Einschätzung des Staatsanwalts dürfte es aber mindestens 200 weitere Geprellte geben, die ihre Forderungen erst nach der Anklageschrift anzeigten. Binnen weniger Tage gingen auf dem Sparkassenkonto mehr als 320.000 Euro ein.

Der Hartz-IV-Empfänger hob zweimal Bargeld in Höhe von 50.000 und 60.000 Euro ab. Die Banknoten musste der „Strohmann“ nach Auffassung des Gerichts an die Haupttäter abliefern, die per Onlinezugang und EC-Karten die komplette Kontogewalt hatten. Sie waren es auch, die 40.000 Euro auf ein weiteres Konto bei der Salzlandsparkasse transferierten, das einer der Haupttäter ebenfalls mit gefälschten Personalien eröffnet hatte.

Der Betrug lief rund eine Woche, dann sperrte das Kreditinstitut die Konten wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Exakt 146.858,65 Euro wurden eingefroren - diese Summe kann nun über eine Quotenregelung an die Opfer verteilt werden.

Betrug bei Ebay in 427 Fällen: Eigenes Passfoto verrät ihn

Die Polizei kam dem Hettstedter wegen des Passfotos im falschen Reisepass auf die Schliche. Denn der 43-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt, saß wegen Betruges bereits im Gefängnis und stand wegen des gleichen Deliktes zum Zeitpunkt der Taten unter Bewährung. Am 1. Oktober erließ ein Richter Haftbefehl.

Die Justiz hat damit aber nur das „kleinste Licht“ der Täter zu fassen gekriegt. Für seine Dienste als Strohmann hatte der Hettstedter nach eigenen Angaben 3.000 Euro von Zlatko erhalten. Das Gericht hält diese Aussage für glaubhaft, da bei einer Durchsuchung seiner Wohnung ebenso wenig Geld gefunden wurde wie auf seinem Konto bei der Sparkasse Mansfeld-Südharz.

Während weiter nach beiden Mittätern gefahndet wird, unterzieht sich der 43-Jährige, der das Urteil akzeptierte, nun erst einmal einer Entzugstherapie. Seine Drogensucht und Schulden bei einem Dealer identifizierte die Strafkammer als Hauptbeweggrund für seine Taten. (mz)