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Bernburg Bernburg: Neustädter Torhaus weicht 1880 den Pferdefuhrwerken

Von PAUL SPENGLER 11.07.2011, 16:58

BERNBURG/MZ. - "Wir wollen Sie nicht erschlagen mit Informationen", versprach Joachim Grossert vom Verein für Anhaltische Landeskunde, als er am späten Freitagnachmittag eine immer größer werdende Schar von rund 150 Besuchern zu seiner vierten Straßenführung durch Bernburg begrüßte. Dieses Mal ging es durch Stationen der historischen Neustadt, die sich rund um die Nikolaikirche erstreckt.

An der Kirche wartete der städtische Denkmalexperte Uwe Hey mit Details zu dem Gotteshaus auf, dessen frühester Teil 1 230 n. Chr. entstanden ist. Um 1 400 wurde der Bau zur Hallenkirche umgebaut. Neben dem rund 50 Meter hohen Turm sind die Ansätze für einen zweiten Turm zu sehen, der jedoch niemals ausgeführt wurde.

"Sie werden sehen, dass die Kirche von allen Seiten her anders aussieht", versprach Hey, der als Mitglied der katholischen Gemeinde auch Wortgottesdienste gestaltet. Seit 1965 hat die Bernburger katholische Gemeinde einen Nutzungsvertrag mit der evangelischen Gemeinde in der Talstadt geschlossen.

Weiter ging es zum Zorn'schen Hof in der Nikolaistraße, der kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg 1653 erbaut wurde und heute völlig verfallen ist. Zur Straße hin wird der Komplex gegen eventuell herab stürzende Ziegel geschützt. Auf der Fläche befand sich ursprünglich die älteste slawische Siedlung Dubck. Später wurde die Straße Diebziger Graben genannt. Im 19. Jahrhundert erwarb die Familie Zorn das Gehöft, nach der es noch heute benannt ist.

Dem ehemaligen Wohnhaus von Friedrich Gothe in der Schillerstraße galt ein weiterer Abstecher. Der politisch liberale Gothe, 1871 geboren, war von 1919 bis 1933 Bürgermeister der Saalestadt, bis er von den Nazis abgesetzt wurde. Dem gelernten Architekten haben Bernburg und Köthen viel zu verdanken. Unter anderem hat er gemeinsam mit Franz Stoye die Entwürfe zum Bau des Friederiken-Lyzeums in Bernburg geliefert. Gothe leitete auch den Wiederaufbau des ausgebrannten Christiansbaus im Schloss Bernburg 1895. In sein ehemaliges Wohnhaus ist ein Turm eingebunden. Auch ein Teil der alten Stadtmauer ist dort zu sehen.

An der Ecke Gartenstraße / Seegasse hatte Grossert eine Stelle erreicht, die zur näheren Erläuterung einlud. Fürst Wolfgang hatte 1547 das Neustädter Torhaus mit zwei Durchfahrten gebaut, das seit 1880 nicht mehr dort steht. Eine Durchfahrt ging in Richtung Flutbrücke, die zweite nach Waldau. "1880 wurde das Tor nur noch als Verkehrshindernis empfunden", verwies der Straßenführer auf den zunehmenden Verkehr durch Pferdefuhrwerke. Grossert zeigte auch die zwei Wappensteine von Fürst Wolfgang und Fürst Viktor Amadeus, die gerettet wurden. 2007 wurden Nachbildungen der Steine an der Flutbrücke angebracht.

Eine eigene Station war Grossert ein Haus in der Korngasse 7 wert. Hier waren ursprünglich zwei Gedenktafeln für den Widerstandskämpfer Bruno Hinz und dessen Schwester Marianne Latoschinski angebracht. Während in der DDR die Erinnerung an Bruno Hinz hochgehalten wurde, verblasste schnell die Erinnerung an dessen Schwester, die in einem KZ ermordet wurde. Für Grossert stellt sich generell die Frage, wo die nichtjüdischen Opfer des Nazismus geehrt werden.