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Abriss in Bernburg Abriss in Bernburg: Aus fürs Makarenko-Haus

Von Torsten Adam 06.03.2015, 14:14
Seit zwei Jahrzehnten ungenutzt, die Fassade beschmiert, Ziel von Vandalismus - das Makarenko-Haus wird ab kommenden Montag aus dem Stadtbild verschwinden.
Seit zwei Jahrzehnten ungenutzt, die Fassade beschmiert, Ziel von Vandalismus - das Makarenko-Haus wird ab kommenden Montag aus dem Stadtbild verschwinden. Engelbert Pülicher Lizenz

Bernburg - 169 Jahre nach ihrem Bau schlägt für die ehemalige Gaststätte des alten Bernburger Bahnhofs, den meisten Einheimischen besser als „Makarenko-Haus“ bekannt, das letzte Stündlein. Am Montag soll mit der Entkernung der Abriss des traditionsreichen Gebäudes am Rheineplatz eingeleitet werden. In Auftrag gegeben worden ist er von Eigentümer Solvay, nachdem das Landesverwaltungsamt im Herbst 2014 die Genehmigung erteilt hatte. Eine Sanierung wäre nach Unternehmensangaben nicht wirtschaftlich gewesen.

Der belgische Konzern verfolgt in Bernburg das Ziel, nicht mehr genutzte Immobilien und Grundstücke außerhalb des Werkgeländes zu verkaufen. Seit mehr als 20 Jahren hat Solvay versucht, das seit Anfang der 1990er ungenutzte einstige „Klubhaus der Sodawerker“ zu vermarkten – ohne Erfolg. Nach MZ-Informationen hatte unter anderem auch die Supermarktkette Edeka vor mehreren Jahren Interesse an dem Grundstück gezeigt, war mit Solvay aber nicht zu einer Einigung gekommen.

Das Haus mit der heutigen Adresse Rheineplatz 7 ist im Jahr 1846 im Stile des Klassizismus errichtet worden. Es ist das letzte noch erhaltene Zeugnis des im gleichen Jahr gebauten ersten Bernburger Bahnhofs. Der einst dreiteilige Bau diente als Empfangsgebäude für den Herzog von Anhalt-Bernburg und hohe Persönlichkeiten, als Bahnhofsgaststätte und als Hotel Saupe.

Der Kopfbahnhof der Strecke Bernburg - Köthen wurde bereits 1865 wieder stillgelegt. Im Jahr zuvor hatte Solvay den gesamten Gebäudekomplex von der Eisenbahngesellschaft erworben. Die Gleise, die durch die später angelegte Liebknechtstraße verliefen, wurden abgetragen, ebenso das Empfangsgebäude. An dessen Stelle entstand ab 1897 die Villa für den Direktor der Solvay-Werke, Carl Wessel (heutige Adresse: Friedensallee 22a). Sie steht heute ebenso leer wie unter Denkmalschutz.

Nach der Enteignung von Solvay nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude als „Klubhaus der Sodawerker“ genutzt, mit einer von der HO betriebenen Gaststätte „Makarenko-Haus“. Viele Betriebsangehörige, aber auch andere Bernburger feierten hier ihre Jugendweihen, Geburtstage und Hochzeiten.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde dem belgischen Solvay-Konzern das seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr genutzte Objekt rückübertragen. Da dem Unternehmen eine Vermarktung des rund 2000 Quadratmeter großen Grundstücks seitdem nicht gelang, beantragte es im vergangenen Jahr den Abriss. (tad)

„Es kam immer wieder zu Vandalismus im und am Gebäude, wir mussten ständig Geld für die Instandhaltung und Verkehrssicherung aufwenden“, erklärte Wolfgang Ohrmann, bei Solvay in Bernburg für die Liegenschaftsverwaltung zuständig. Im vorigen Jahr sei dann der Entschluss zum Abriss gefallen, um das 2000 Quadratmeter große Grundstück an Investoren verkaufen zu können. „Wir bedauern, dass es keinen Interessenten gibt und wir das Bauwerk jetzt abreißen müssen“, so Ohrmann weiter. Ein Neubau an gleicher Stelle oder eine anderweitige Nutzung des Areals durch Solvay sei nicht vorgesehen, sagte Firmensprecherin Nicole Dinter.

Ab Montag, 9. März, wird die Firma Jäger aus Bernburg mit der Entkernung des Hauses beginnen. Die Baumaterialien sollen sortiert und nach Möglichkeit wiederverwertet, die Arbeiten bis Ende April abgeschlossen werden.

Über den bevorstehenden Abriss war die Stadtverwaltung informiert, „unser Einverständnis aber nicht notwendig“, betonte Rathaus-Sprecher Wolfgang Knopf. Das Grundstück selbst zu erwerben, sei aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. „Es tut mir grundsätzlich leid um jedes Gebäude, das stadtbildprägend ist und eine lange Historie hat“, sagte Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) auf MZ-Nachfrage.

Mit der im Klubhaus der Sodawerker betriebenen HO-Gaststätte „Makarenko-Haus“ würden viele Bernburger schöne Jugenderinnerungen verbinden. Allerdings sei eine Restaurierung des Gebäudes nach seinem Kenntnisstand wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen und ein Abriss an dieser Stelle leichter verkraftbar als anderswo, wo dadurch eine Lücke in eine Häuserzeile gerissen würde.

Ihm zu Folge seien der Entscheidung umfangreiche Verhandlungen zwischen Solvay und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie vorausgegangen. Eine MZ-Anfrage, warum und auf welcher rechtlichen Grundlage dem Abriss des denkmalgeschützten Hauses zugestimmt wurde, ließ die Behörde in Halle seit Dienstag unbeantwortet. (mz)

Bernburgs alter Bahnhof (1846-1865) mit Blick auf den Sedanplatz (heute Rheineplatz) und die Richtung Rathaus führende Kaiserstraße (heute Friedensallee). Ganz links ist das Empfangsgebäude zu sehen, wo heute die Solvay-Villa steht, daneben die Gaststätte (später Klubhaus der Sodawerker und Makarenko-Haus).
Bernburgs alter Bahnhof (1846-1865) mit Blick auf den Sedanplatz (heute Rheineplatz) und die Richtung Rathaus führende Kaiserstraße (heute Friedensallee). Ganz links ist das Empfangsgebäude zu sehen, wo heute die Solvay-Villa steht, daneben die Gaststätte (später Klubhaus der Sodawerker und Makarenko-Haus).
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