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Starke Frauen Stark und selbstbewusst: Drei Frauen aus Aschersleben und dem Seeland erzählen

Kathrin Sommer, Annika Fischer und Hannah Schneider gehen ihren Weg. Wo sehen sich die drei Frauen zum gegenwärtigen Zeitpunkt? Eine Bestandsaufnahme zum Frauentag 2024.

Von Katrin Wurm und Regine Lotzmann Aktualisiert: 08.03.2024, 08:11
Drei starke Frauen: Kathrin Sommer, Annika Fischer und Hannah Schneider. (v.l.n.r.)
Drei starke Frauen: Kathrin Sommer, Annika Fischer und Hannah Schneider. (v.l.n.r.) (Fotos: Frank Gehrmann)

Am heutigen 8. März ist Frauentag: Ein Grund zum Feiern? Die MZ stellt drei Power-Frauen vor, die in ihrem Job viel Verantwortung tragen, sich für Gleichberechtigung einsetzen oder Familie und Beruf miteinander vereinbaren. Doch gelingt die Vereinbarkeit so spielend leicht, wie es scheint? Und wo liegen die Fallstricke? Eine Bestandsaufnahme zum Frauentag 2024:

„Frauen treffen andere Entscheidungen“

Kathrin Sommer, Aschersleben: Die Gleichstellungsbeauftragte wünscht sich mehr Frauen in der Politik

1 2 von 32. Lediglich ein Drittel des Ascherslebener Stadtrates ist weiblich. Dabei sollen die politischen Gremien ein Spiegel der Gesellschaft sein. „Doch unsere Gesellschaft besteht nun mal zur einen Hälfte aus Männern und zur anderen Hälfte aus Frauen. Warum findet sich dieses Gleichgewicht nicht in der Politik wieder?“, fragt sich nicht nur Ascherslebens Gleichstellungsbeauftragte Kathrin Sommer, sondern auch der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt.

Gemeinsam wollen sie bei einer Aktion, die am 25. April am Hennebrunnen stattfindet, auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam machen. „Frauen sind in den politischen Gremien, egal ob auf Kommunal- oder Bundesebene, massiv unterrepräsentiert“, sagt Kathrin Sommer. Wenn sie am 25. April gemeinsam mit anderen Akteurinnen 32 Papphocker rund um den Hennebrunnen aufstellt, soll das keine Einladung zum Platznehmen sein.

Kathrin Sommer, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Aschersleben.
Kathrin Sommer, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Aschersleben.
(Foto: Frank Gehrmann)

„Wir symbolisieren damit die derzeitige Sitzverteilung im Stadtrat. Ersichtlich wird das über verschiedenfarbige Hocker.“ Man wolle mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen, gemeinsam überlegen, warum es trotz vieler feministischer Entwicklungen immer noch ein Ungleichgewicht gibt. „Das Ungleichgewicht haben ja nicht nur die Männer zu verantworten. Frauen selbst müssen mutiger werden, sich mehr zutrauen“, sagt Kathrin Sommer.

Die sogenannte Care-Arbeit – Sorge- oder Pflegearbeit für Kinder oder andere Familienangehörige – muss sich auch mit der Arbeit in einem politischen Gremium und dem eigentlichen Job vereinbaren lassen. „Dazu gehört auch, dass Frauen Fürsorge-Aufgaben an die Männer abgegeben. Das fällt nach meinen Beobachtungen vielen Frauen noch schwer.“ Doch auch Männer müssten ihre Partnerinnen viel selbstverständlicher unterstützen und wirkliche Gleichberechtigung leben.

Für die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt ergeben sich durch einen höheren Anteil an Frauen in politischen Gremien nur Vorteile: „Frauen setzen andere Prioritäten, dadurch würden sich politische Entscheidungen verändern und möglicherweise auch verbessern.“

Der Blick auf Landes- und Bundesgremien zeigt, dass das Ungleichgewicht kein Ascherslebener Einzelfall ist: 35,7 Prozent beträgt der Anteil von Frauen im Bundestag. In Landtagen liegt er durchschnittlich bei 34,2 Prozent – in Sachsen-Anhalt sogar nur bei 28 Prozent.

Übrigens: Die ersten Stadträtinnen hat es 1919 in Königsberg und in Kassel gegeben. Aschersleben hat mit Gabriele Puchner (Widab) zumindest eine Stadtratsvorsitzende, allerdings mit Elke Reinke (Die Linke) lediglich eine Fraktionsvorsitzende. CDU, Widab, FDP und Grüne/SPD werden im Stadtrat von Männern geführt.

Als Kanzlerin Managerin einer Fachhochschule

Annika Fischer, Aschersleben/Quedlinburg: Verwaltungsleiterin der FH Polizei und dreifache Mutter – so klappt der Spagat

Der Frauentag ist für Annika Fischer ein passender Anlass, um sich mit Freundinnen zu treffen, anzustoßen und stolz darauf zu sein, ihr Leben selbstbestimmt gestalten zu können.

Die 45-Jährige ist der Inbegriff einer Powerfrau. Seit 2020 ist die Juristin die Kanzlerin der Fachhochschule Polizei in Aschersleben und damit Leiterin der Verwaltung. Sie ist zuständig für Personal, Haushalt, Liegenschaften und den Auswahldienst. „Den Begriff Kanzlerin muss ich tatsächlich oft erklären, wenn ich gefragt werde, was ich beruflich mache“, meint die Quedlinburgerin schmunzelnd. Denn mit dem Posten des Regierungschefs in Deutschland hat ihr Job nichts zu tun. Im Hochschulwesen führt ein Kanzler oder eine Kanzlerin die Verwaltung an.

Annika Fischer, Kanzlerin Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt in Aschersleben.
Annika Fischer, Kanzlerin Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt in Aschersleben.
(Foto: Frank Gehrmann)

Nicht nur beruflich hat Annika Fischer alle Hände voll zu tun und einen rappelvollen Terminkalender. Die Juristin ist auch alleinerziehende Mutter dreier Kinder. Wie sie das alles unter einen Hut bekommt? „Ich habe ein gutes Netzwerk“, sagt sie. Homeoffice und mobiles Arbeiten hätten zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert, findet sie. „Ich erledige, wenn nötig, Aufgaben auch mal in den Abendstunden, wenn die Kinder schlafen. Da habe ich mich gut organisiert und profitiere von der Flexibilität.“

Ihren Weg hat Annika Fischer immer gemacht, blickt sie auf Schule, Studium und Arbeitsleben zurück. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich aufgrund meines Geschlechts schlechter behandelt, benachteiligt oder diskriminiert wurde oder werde.“ Das sei im öffentlichen Dienst sowieso seltener der Fall, weiß sie. „In der freien Wirtschaft sieht das bestimmt teilweise anders aus. Aber ich konnte immer an meinen Zielen festhalten“, sagt sie ganz selbstbewusst.

Der Wunsch, Karriere zu machen, habe sie schon immer begleitet. „Und ich wollte auch Kinder. Dass sich die Familienplanung mit den Karrierewünschen beißt, das habe ich zum Glück nie erlebt.“ Annika Fischer denkt auch heute noch oft an die Worte ihrer Mutter, nimmt sie sich zu Herzen: „Sie sagte immer zu mir: ,Mädchen, sei fleißig und sieh zu, dass du auf eigenen Beinen stehst!’“

Als Kanzlerin der Fachhochschule Polizei sieht sie allerdings auch, dass der eigentliche Polizistenberuf immer noch überwiegend männerdominiert ist. „Das hat sich in den vergangenen Jahren zwar deutlich positiv entwickelt, doch noch entscheiden sich mehr Männer als Frauen für eine Ausbildung oder ein Studium an der FH Polizei.“ Dabei seien Frauen in Reihen der Polizei überaus wichtig. „Sie handeln anders, zum Beispiel bei Deeskalationen.“ Frauen sind überall ein Gewinn, ist sich Annika Fischer sicher und selbst bestes Beispiel dafür.

Zurück zu ihren deutschen Wurzeln

Hannah Schneider, Gatersleben: Die Amerikanerin ist Arbeitsgruppenleiterin am Leibniz-Institut

Ihr Lachen wirkt ansteckend. „Sie ist nett, offen, herzlich – eben die sympathische Seite der USA“, findet Christian Schafmeister, Sprecher des Gaterslebener Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. Und verrät schmunzelnd: Nicolaus von Wirén, der Geschäftsführende Direktor, habe sich zwei Jahre lang darum bemüht, die junge Wissenschaftlerin an sein Institut zu holen.

Nun ist Hannah Schneider in Gatersleben Arbeitsgruppenleiterin für die „Genetik und Physiologie der Wurzelentwicklung“. Ihr Arbeitsplatz die PhänoSphäre, eine hochmoderne Klimakammer, in der Umweltbedingungen, wie Temperatur, Lichteinfall oder Luftfeuchtigkeit, exakt kontrolliert werden können. Ihr geht es darum zu erforschen, wie Pflanzenwurzeln selbst trockenen, unfruchtbaren Böden noch Nährstoffe abgewinnen können. Damit bricht sie ein in eine einstige Männerdomäne.

Hannah Schneider, Wissenschaftlerin in Gatersleben.
Hannah Schneider, Wissenschaftlerin in Gatersleben.
(Foto: Frank Gehrmann)

Warum die Amerikanerin ins Seeland gekommen ist? „Weil Gatersleben sehr berühmt ist“, sagt die 34-Jährige. „Deutschland ist stark in der Forschung und das Institut hier weltbekannt. Es steht für seine Experten und die Qualität der Forschung“, begründet sie ihren Entschluss, nun Teil davon zu sein. Eigentlich stammt die junge Frau aus dem US-Bundesstaat Minnesota. Dort hat sie Pflanzenwissenschaften studiert, war dann drei Jahre lang am nordrhein-westfälischen Forschungszentrum Jülich und drei Jahre in den Niederlanden. Sie hat ihren Doktor gemacht und nun auch eine Professur in Göttingen, für zwei Stunden die Woche.

Ihre Arbeit in Gatersleben bezeichnet Hannah Schneider als interessant. „Ich genieße die Zeit hier wirklich“, meint sie und schwärmt: „Die Leute sind sehr, sehr freundlich.“ Nachdem sie, als sie im vergangenen Oktober hier angekommen ist, zwei Monate im Gästehaus des Instituts lebte, hat sie jetzt eine Wohnung im Ort und sich schon häuslich eingerichtet.

Ihre Familie, meint sie, sei noch in den Staaten. Doch das mache ihr nichts aus, angesichts ihrer netten Kollegen, bei denen sie sich gut aufgehoben fühlt. Egal ob Männer oder Frauen. „Und ja“, sagt sie angesichts ihres Namens und ihrer Forschung ein bisschen doppeldeutig, „ich habe deutsche Wurzeln.“ Es sei aber schon über 200 Jahre her, dass ihre Vorfahren in die USA ausgewandert waren. „Und nun bin ich zurück“, sagt sie mit ihrem ansteckenden Lachen. Und meint: „Vielleicht bleibe ich ja auch für immer.“

Sie liebe die Freiheit, faszinierende Fragen zu stellen und kreative Wege zu finden, um sie zu beantworten. Und auch die Umgebung von Gatersleben gefalle ihr ausnehmend gut. „Ich gehe gern wandern. Hier und auch im Harz.“