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Prozess Schornsteinfeger kommt mit Polizei und Ordnungsamt

Von Detlef Anders 20.11.2019, 06:56
Ein Bezirksschornsteinfeger stuft während einer Feuerstättenschau den Emissionsausstoß eines Kaminofens mit Hilfe einer Tabelle ein.
Ein Bezirksschornsteinfeger stuft während einer Feuerstättenschau den Emissionsausstoß eines Kaminofens mit Hilfe einer Tabelle ein. dpa-tmn

Aschersleben/Seeland - Jedes Haus, das eine Feuerstätte hat, bekommt Besuch vom Schornsteinfeger. Kehren und Abgaswegemessung kosten Geld. Auch eine Feuerstättenschau muss regelmäßig durchgeführt werden (siehe Kasten). Doch mitunter gibt es Widerstand. Ein Fall wird jetzt vor dem Amtsgericht in Aschersleben verhandelt.

Einem 61-Jährigen aus der Stadt Seeland wird von der Staatsanwaltschaft Magdeburg ein tätlicher Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten, der dem Schornsteinfeger den Zugang zu den Feuerstätten ermöglichen sollte, vorgeworfen. Er habe mit körperlicher Gewalt zu Boden gebracht werden müssen, sagte die Staatsanwältin.

Schornsteinfeger hatte bei Polizei und Ordnungsamt um Amtshilfe gebeten

Im April hatte sich der Schornsteinfeger zur Feuerstättenschau und der Ausführung der im Vorjahr verweigerten Arbeiten angemeldet. Da der Mann ihn schon einmal nicht ins Haus ließ, bat der Schornsteinfeger um Amtshilfe.

Mitarbeiter des Ordnungsamtes des Salzlandkreises waren mitgekommen und hatten Polizei zur Unterstützung angefordert. „Wir haben damit gerechnet, dass Widerstand geleistet werden könnte“, sagte ein Landkreis-Mitarbeiter.

Willi P. (Name geändert) hatte das Hoftor mit Holz und Eisenstangen verbarrikadiert. Ein zu Hilfe gerufener Schlüsseldienst bohrte das Schloss zum Hof auf. Dann wurde mit Hilfe eines Brecheisens aus dem Polizeifahrzeug die trotz des geknackten Schlosses noch immer verbarrikadierte Hoftür aufgebrochen, schilderten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes und des Schlüsseldienstes.

Das verbarrikadierte Hoftor wurde mit Unterstützung eines Schlüsseldienstes aufgebrochen

Nach langem Zureden habe Willi P. die Haustür geöffnet. „Er fühlte sich im Recht“, sagte eine Verwaltungsfachangestellte. Nachdem Willi P. die Tür geöffnet hatte, habe er sich aber in den Weg gestellt und die Polizisten nicht reingelassen.

Was dann genau passierte, sahen einige Zeugen aufgrund des schmalen Hausflurs nicht genau. Sie bekamen nur die Rangelei mit, in deren Folge der erste Polizist den Angeklagten zu Boden gebracht hatte. Ein Verwaltungsangestellter erklärte aber, dass er sah, wie eine Hand des Angeklagten in Richtung Brust oder Hals des Polizisten ging. Außerdem sei der Beamte beleidigt worden.

„Das war kein Zugriff, das war ein Angriff“, erklärte der Angeklagte

Willi P. fiel - ohne Rederecht - nicht nur der Staatsanwältin, sondern auch mehreren Zeugen ins Wort. Wenn er etwas anders sah, wurde der Zeuge der „Lüge“ bezichtigt. Auch von Strafandrohungen des Strafrichters ließ sich P. nicht abhalten.

So hätte der Zeuge nach P.s Meinung gar nichts sehen können. „Das war kein Zugriff, das war ein Angriff“, betonte P.. Schon bei der Verlesung der Anklage hatte er die Staatsanwältin unterbrochen. „Wenn ich mich gewehrt hätte, dann wäre der im Krankenhaus gelandet.“

Er sah in dem Auftreten einen Hausfriedensbruch und Einbruch sowie Gewaltanwendung. „Ich allein und da kommen acht Mann mit Pistole“, fühlte sich der Mann im Recht.

Den Befangenheitsantrag des Angeklagten gegen ihn wies der Amtsrichter als unzulässig ab

Auch auf Hinweis von Strafrichter Robert Schröter, „hier redet nur einer“ und die Androhung, die Zeugen ohne den Angeklagten vernehmen zu können, „wenn Sie nicht in der Lage sind, sich zu benehmen“, ergriff der Seeländer ungefragt das Wort.

Als er das Wort erteilt bekam, beantragte Willi P. einen Pflichtverteidiger. Schröter wies den Antrag zurück und P. erklärte, dass er dagegen Rechtsmittel einlege. Den Befangenheitsantrag von P. gegen ihn wies Schröter als unzulässig ab. „Sie können das Urteil anfechten“, so Schröter. P. warf ihm nun „kriminelle Machenschaften“ vor.

„Der kam mir mit irgendeinem Gegenstand entgegen“, erklärte der Polizist, der hinter seinem angegriffenen Kollegen gestanden hatte. P. sei ziemlich drohend aufgetreten, sagte er. „Ich habe nichts in der Hand gehabt“, meinte P. und beantragte eine Vereidigung des Polizisten. Schröter lehnte dies ab, da aus seiner Sicht keine Änderung der Aussage durch den Eid zu erwarten wäre. „Der hat sowieso gelogen“, meinte P.

Schornsteinfeger und zweiter Polizeibeamter sollen noch als Zeugen aussagen

Der erste Polizist konnte aufgrund eines Unfalls nicht zur Verhandlung erscheinen. Der Schornsteinfeger war wegen einer Weiterbildung nicht als Zeuge da. Beide sollen noch gehört werden. Schröter erhofft sich davon Erkenntnisse, ob es sich nur um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte handelt, für den es eine Geldstrafe geben könnte, oder um einen tätlichen Angriff, auf den eine Haftstrafe steht.

P. erklärte, dass er das Eindringen auf seinen Hof gefilmt habe und kündigte an, das Video später öffentlich ins Internet zu stellen. Auf ein Einreichen habe er „keinen Bock“, sagte er dem Richter. „Es geht beim Schornsteinfeger nur um überhöhte Gebühren, um nichts anderes“, tat er seine Meinung kund.

Widerstand gegen Schornsteinfeger gibt es manchmal, sagte die Landkreismitarbeiterin auf MZ-Anfrage. „Aber bisher nicht körperlich“, berichtete sie. (mz)