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Pflegeelternverein Quedlinburg Pflegeelternverein Quedlinburg: Eigenes Kind mit anderem Namen

Von Hendrik Kranert 23.12.2002, 17:36

Quedlinburg/MZ. - "Die Weihnachtsfeier ist immer der Höhepunkt des Jahres", erzählt Steffi Schmidt, "da kommen immer fast alle". Die 36-Jährige ist Vorsitzende des Quedlinburger Pflegeelternvereins, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Plattform für Erfahrungsaustausch, Fortbildung und Stütze für diejenigen Familien zu sein, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich um jene Kinder zu kümmern, denen anderenfalls die Unterbringung in einem Heim bevorgestanden hätte. "Für die Kinder ganz klar die bessere Variante", weiß Steffi Schmidt. Erst seit der Wende besteht im Osten der Republik die Möglichkeit, potentielle Heimkinder in Pflegefamilien unterzubringen. Befristet oder auf Dauer. Im einfachsten Fall ist es die alleinerziehende Mutter, die sich wegen eines unvorhergesehenen Krankenhausaufenthaltes nicht um ihr Kind kümmern kann, und wo Verwandte zur Betreuung fehlen. Hier springt die Bereitschaftspflege von "einer Minute zur anderen ein", sagt Schmidt.

Während wirtschaftliche Verhältnisse kaum eine Rolle spielen, sind es in der Regel Kinder aus sozial vernachlässigten Familien, weiß die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes der Kreisverwaltung, Helga Zeuner. Diese Kinder werden dann in Kurzzeit oder aber auch Dauerpflege genommen. "Da müssen die leiblichen Eltern in der Regel zustimmen, es sei denn, ihnen ist das Sorgerecht entzogen worden", erklärt Steffi Schmidt. Für die Pflegeeltern und natürlich die Kinder ein - manchmal dauerndes - Spannungsfeld, wenngleich das Quedlinburger Jugendamt zuerst auf Kindes- und nicht auf Elternwohl achtet. So soll verhindert werden, dass die Kinder ständig hin und her gerissen werden. Dennoch: "Es ist eine schwierige Aufgabe, denn Pflegekinder reagieren nicht wie leibliche", beschreibt die Vereinsvorsitzende.

Negativerfahrungen aus der leiblichen Familie werden quasi als "Rucksack" mit in die neue Familie gebracht, der dann dort ausgepackt wird und dessen Inhalt aufgearbeitet werden muss. Gerade hier liegt die schwierige Aufgabe, die die neue Familie leisten muss. "Der Frust wird abgeladen und gerade da ist es gut, dass der Verein den Pflegeeltern Rückhalt bietet und unterstützt, denn die Probleme sind bei allen vorhanden", so Schmidt. Bei Forbildungsveranstaltungen und Stammtischen haben die Pflegeeltern Gelegenheit, sich auszutauschen. Gleich ist aber auch allen Pflegeeltern die Hauptmotivation, "etwas Gutes zu tun". Nicht wenige suchen eine neue Aufgabe, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind, andere nehmen aber auch Pflegekinder auf, wenn bereits leibliche vorhanden sind. Das Jugendamt achtet darauf, dass Pflegeleltern Erfahrung mit Kindern haben, "idealerweise sollte das Pflegekind das jüngste in der Familie sein", sagt Helga Zeuner. Derzeit gibt es etwa 55 Familien im Landkreis, die im Durchschnitt 60 bis 65 Kinder betreuen.

"Der Bedarf ist wechselnd, mal gibt es mehr Kinder, mal mehr Bewerber", weiß Steffi Schmidt. Ziel ist es, für jedes Kind eine passende Familie aussuchen zu können. "Derzeit gibt es aber nicht so viele Interessenten, wie wir es uns wünschen." Mitglied im Verein können aber auch Bewerber werden, die noch ohne Pflegekind sind. "Wichtig ist, Geduld zu haben und sich über die Pflegeelternarbeit allseitig zu orientieren", sagt Schmidt. "Mal dauert es sogar ein paar Jahre, in anderen Fällen kann es sehr schnell gehen." Auch wenn Pflegekinder rechtlich den leiblichen nicht gleich gestellt sind, so sind sie es doch moralisch. "Kein Kind darf den Stempel Pflegekind auf der Stirn tragen", weiß Zeuner. Probleme bereitet oft die Suche nach der eigenen Identität. Oft fehlen jegliche Informationen aus dem Kleinkindalter oder eben Babyfotos. Problematisch sei auch der andere Familienname. Hier zu vermitteln, hänge stark vom Geschick der Pflegeltern ab: "Man muss erklären, dass der Name zwar ein anderer ist, aber der Platz des Kindes ganz klar in der Pflegefamilie ist", erläutert Steffi Schmidt. "Dann lernen die Kinder, damit zu leben." Nichtsdestotrotz ist die Namensänderung bei Dauerpflegeeltern ein Schritt, bei dem vielen Pflegekindern der sprichwörtliche Stein vom Herzen fällt. Der schönste Lohn ist aber, so die Vereinsvorsitzende, "wenn die Eltern erleben, wie die Kinder integriert werden und in ihrer neuen Familie aufgehen". Auch hier hilft der Verein - mit gemeinsamen Unternehmungen und Ausflügen, Einschulungsfeiern, der vierteljährlichen Geburtstagsparty und eben der Weihnachtsfeier. "Das ist ganz wichtig, damit die Kinder wissen, dass sie nicht allein sind." Da inzwischen ein großer Teil der Kinder älter als zehn Jahre ist, sucht der Verein derzeit nach neuen Veranstaltungsinhalten. Mit Hilfen von Sponsoren ist es in diesem Jahr gelungen, zur Weihnachtsfeier eine Tombola zu organisieren. Sachspenden im Wert von 700 Euro kamen so zusammen. Mit den Einnahmen aus dem Losverkauf sollen die Vereinsbibliothek und -spielothek weiter aufgestockt und Fortbildungsveranstaltungen mitfinanziert werden.

Weiter Infos unter www.pflegeelternvereinquedlinburg.de