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Hoymer Bundes-Olympia-Meister

Von Regine Lotzmann 02.04.2007, 19:15

Hoym/MZ. - Einfach war es nicht, all diese Dinge zusammenzutragen. Doch Rolf Brune, dessen inzwischen verstorbener Vater Willi einst Mitbegründer des Hoymer Radfahrer-Vereins "Germania" war und auf vielen der Fotos abgelichtet ist, hat sich in die Arbeit gestürzt, um die Geschichte des einst so erfolgreichen Vereins und dazugehörige Zeitzeugnisse zusammenzutragen.

"Das hat allerhand Arbeit gemacht", bestätigt seine Frau. Doch die habe sich gelohnt, findet das Ehepaar, denn der Sport-Verein, über den es keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr gab, war schon fast in Vergessenheit geraten. "Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, wurde das Kunstradfahren in der Stadt Hoym aus der Taufe gehoben", erinnert sich Rolf Brune, der nun aus den Erzählungen seines Vaters und alten Unterlagen eine Chronik angefertigt hat. "Ein kleiner Kreis von Männern, die ihre Ideale im Radsport sahen, gründete den Radfahrer-Verein Germania", erzählt der Hoymer und nennt als Gründungsmitglieder Otto Brand, Willi Brune, Wilhelm Kühne und Otto Küster. Das reichbestickte Banner, das daran erinnert, ist noch heute erhalten.

Als Ziele der später sehr erfolgreichen Radsportler nannte der Rentner, der sich als Jugendlicher selbst am Fahren versucht hatte, den Hallenradsport wettkampfmäßig zu betreiben, an Straßenrennen teilzunehmen, das Wanderfahren zu pflegen und die Geselligkeit zu fördern. Doch leicht sei es den Hoymern anfangs nicht gefallen. "Die nicht gerade reichen Sportler mussten ihre Kunsträder, die damals als Saalmaschinen bezeichnet wurden, zum größten Teil selbst bezahlen", weiß Brune und lacht als er erzählt, dass sie dank ihrer Arbeit mit solch materiellen Gütern wie Briketts oder Getreide nachhelfen konnten.

In der Gastwirtschaft "Fortuna" trainierten die Männer dann ohne Trainer, dafür aber nach dem damaligen Regelwerk für Kunstradfahrer. Und hatten Erfolg: Im Viererkunstfahren qualifizierten sie sich für die 1. Internationale Arbeiter-Olympiade in Frankfurt am Main, die im Juli 1925 stattfand. Das Team belegte alle Ausscheide erfolgreich und wurde Bundes-Olympia-Meister. "Ein riesiger Erfolg zur damaligen Zeit", meint Rolf Brune, bedauert aber: "Zur Teilnahme an den Weltmeisterschaften reichte das Geld leider nicht."

Trotzdem hatte der Verein, der nun weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war, einen großen Zulauf. Es wurden mehrere Kunstradmannschaften aufgestellt, die Disziplinen Radball und Straßenradrennen kamen hinzu.

1920 waren die Hoymer Mitglied im Arbeiter-Radfahrer-Bund "Solidarität" geworden, der eine eigene Fahrradfabrik besaß, Verkaufsfilialen und ein ausgebautes soziales Sicherungssystem. Als dieser Bund 1933 von den Nazis verboten wurde, litt auch der Radsport in Hoym darunter. Der Verein löste sich auf.

"Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges wagten die einstigen Gründungsmitglieder 1947 einen Neubeginn", berichtet der Hoymer. Die inzwischen 45- bis 50-Jährigen bestiegen erneut die Räder, die sie vor dem Krieg sichergestellt hatten. "Werbeabende mit anschließender Tanzveranstaltung wirkten wie ein Magnet für den Radsport." Wettkampfstarke Teams bildeten sich bei den Einer-, Zweier-, Vierer- und Sechser-Kunstradfahrern, im Vierer- und Sechser-Einradfahren, im Radpolo der Frauen und im Radball der Männer. Die eroberten bei Kreis-, Bezirks- und DDR-Meisterschaften zahlreiche Meistertitel.

"Im November 1952 wechselte der Verein aus finanziellen Gründen zum Sportverein Aktivist Nachterstedt, trotzdem konnte das Ableben dieses traditionsreichen Vereins nicht verhindert werden", schließt Rolf Brune die Chronik.

Die soll nun in der Stadtchronik von Hoym einen würdigen Platz finden. Vor allem aber eine Ausstellung über den Radsport in Hoym bereichern. "Wir sind gerade dabei, diese Ausstellung in der Hoymer Schlossgalerie vorzubereiten", berichtet Rolf Brune, der diese Arbeiten gemeinsam mit zwei ehemaligen Aktiven des Vereins erledigt: mit Anni Splettstößer und Willi Lindemann, die eigene Erinnerungen beisteuern werden.