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Die Chancen einer Region

Von Hendrik Kranert 18.11.2004, 16:44

Quedlinburg/MZ. - Es muss bald etwas passieren, wenn die Harzregion nicht den Anschluss an die stürmische Entwicklung der Märkte in Richtung Osteuropa verpassen wolle. Dies war der Tenor einer Podiumsdiskussion zur unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Landkreise Quedlinburg und Wernigerode, zu der die Mitteldeutsche Zeitung am Mittwochabend ins Quedlinburger Ringhotel "Schlossmühle" eingeladen hatte. Rund 100 Gäste, darunter zahlreiche Kommunalpolitiker und Vertreter der regionalen Wirtschaft, waren gekommen, um neben Ermrich und Kullik mit dem Vorstandsvorsitzenden der Ostharzer Volksbank, Josef Dahl, dem Direktor der Niederlassung Silberhütte der Rheinmetall Waffe Munition GmbH, Falk Schilling, und dem Vorstandsvorsitzenden der Rautenbach AG Wernigerode, Prof. Burghard Scheel, zu diskutieren. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Stellvertreter der Chefredakteurin der Mitteldeutschen Zeitung, Franz Peter Ewert.

Mit Blick auf die nahezu ausnahmslos schlechteren Kennziffern Quedlinburgs gegenüber Wernigerode (die MZ berichtete) fragte Ewert, was der Nachbarkreis denn anders gemacht habe und was passieren muss, damit Quedlinburg aufholt. Während Kullik betonte, dass die Ausgangslage für seinen Kreis nach der Wende in wirtschaftlicher, touristischer und infrastruktureller Hinsicht schlechter gewesen sei, stimmte Ermrich dem zum Teil zwar zu, deutete aber an, dass man in Wernigerode entscheidungsfreudiger gewesen sei. Banker Josef Dahl, dessen Unternehmen in beiden Landkreisen tätig ist, untersetzte das mit Zahlen: So liege sowohl die Sparquote und damit die Wirtschaftskraft als auch die Eigenkapitaldecke der mittelständischen Unternehmen in Wernigerode höher als in Quedlinburg; der Branchenmix sei wesentlich ausgewogener. "Die Wirtschaftsförderung im Landkreis Wernigerode erfolgt in besserer Abstimmung mit den Städten", begründete Dahl. Daraus resultierten dann auch schnelle Entscheidungen, die ausschlaggebend für Gewerbeansiedlungen seien, so Rautenbach-Vorstand Burghard Scheel. "Wir befinden uns in extremem Wettbewerb, in dem die Zeit ein entscheidender Faktor ist."

Pyrotechnik-Chef Falk Schilling wurde im Verlauf der Debatte noch deutlicher: "Der Landkreis Quedlinburg hat inhaltlich bei der Wirtschaftsförderung zu wenig gemacht." Es habe in der Vergangenheit weder fähige noch gut bezahlte Leute in der Abteilung Wirtschaftsförderung gegeben. "Das ist die Crux, dass in den selben Entscheidungsebenen im Landkreis seit zehn Jahren noch immer die selben Leute sitzen", beklagte auch der Prokurist von Mertik-Maxitrol, Gerd Möhring. Kullik entgegnete, dass Wirtschaftsförderung nicht die Frage einer Abteilung sei, die so heißt, sondern das Zusammenspiel aller Abteilungen. Schilling griff auch das Thema Gebietsreform auf: Die Kreise müssten sich zusammentun - nicht nur Wernigerode und Quedlinburg, auch Halberstadt und Aschersleben gehörten dazu. Es müssen Netzwerke gebildet werden, um die Chancen, die noch bestünden, zu nutzen. Quedlinburgs Bürgermeister Eberhard Brecht teilte den verhaltenen Optimismus jedoch nicht: Er sah die B 6n inzwischen nicht mehr als strukturfördernd für Quedlinburg an - andere hätten da mitgezogen. Brecht machte zudem auf die finanziell "immer dünner werdende Luft" in den Kommunen aufmerksam, die Wirtschaftsförderung nicht begünstige. Brechts Thalenser Amtsbruder, Thomas Balcerowski (CDU), beklagte zudem, dass es nach der "Deindustrialisierung" des Kreises keinen Masterplan für den Wiederaufbau gegeben habe.

Dass es dennoch gelingen kann, auch jetzt noch etwas in Sachen Wirtschaftsförderung zu bewegen, habe das Beispiel Thale gezeigt, lobte Josef Dahl: "Da ist etwas passiert, es wird Stadtentwicklung betrieben, die in die richtige Richtung weist."