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Aschersleben Aschersleben: Plombe schlägt bei Experten fast wie eine Bombe ein

Von HARALD VOPEL 04.12.2009, 16:24

ASCHERSLEBEN/MZ. - Trotzdem ist sie zumindest für Experten - aber auch für die Stadt Aschersleben - etwas ganz Besonderes, die sogenannte Tuchplombe, die vor zwei Wochen bei archäologischen Grabungsarbeiten am Burgplatz, bei denen auch der Standort des ehemaligen Steintores lokalisiert werden konnte, gefunden wurde (MZ berichtete). Manfred Klopfleischs Begeisterung äußerte sich noch am Freitag in der Feststellung: "Das schlägt ein wie eine Bombe."

Eher durch Zufall war der Bodendenkmalpfleger Peter Potuschak auf die Bauarbeiten aufmerksam geworden und hatte seine Kollegen Gerhard Christ und Manfred Klopfleisch alarmiert. Die nahmen angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit an der geschichtsträchtigen Stelle eine "Notgrabung" vor.

Neben einer größeren Anzahl von Keramikscherben fiel Manfred Klopfleisch auch ein metallenes Etwas in die Hände. Das wanderte erst einmal in eine Plastikschale - zur späteren Begutachtung. Nach einer ersten Reinigung stand für Klopfleisch fest, dass sich unter dem Rost etwas verbirgt, was der näheren Untersuchung bedarf. Schicht für Schicht trugen Klopfleisch und Christ die Patina ab. Schließlich kam die Tuchplombe zum Vorschein. Eine kleine Sensation war perfekt, gibt der Fund doch einen wertvollen Hinweis auf die Rolle, die die Stadt Aschersleben in der Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Hanse (etwa 1426 oder früher bis 1518) spielte. Es ist in dieser Sache, außer schriftlichen Dokumenten, sogar der bisher erste gegenständliche Fund, weiß Gerhard Christ. Er rechnet die Plombe nach ersten Recherchen dem Anfang des 16. Jahrhunderts zu.

Deutlich zu erkennen sind der Schriftzug "Meiningen BONASUN", ein Stadtwappen und ein kleineres Wappen, welches auf die Grafen von Henneberg hinweist. Der zweite Teil der Inschrift und die Gestaltung der Wappen geben den ehrenamtlichen Denkmalpflegern noch Rätsel auf, um den Fund zeitlich noch genauer einordnen zu können. Unter anderem soll eine Anfrage bei den Meininger Kollegen für weitere Aufklärung sorgen.

Der erste Teil der Inschrift weist darauf hin, dass Tuchhändler aus Meiningen auf dem Weg in den Norden und unter dem Wegeschutz der Hanse auch in der damaligen Hansestadt Aschersleben Station gemacht haben. Dabei ist die Bezeichnung Tuch zunächst nicht als ein Stück Stoff zu verstehen, sondern als ein Längenmaß, erklärt Gerhard Christ. So misst ein Tuch 32 Ellen, was nach heutiger Maßeinheit 18,528 Meter sind. Unter anderem ist dokumentiert, dass im Jahr 1614 in Meiningen 234 Handwerker insgesamt 37 312 Tuche Stoff hergestellt haben. Umgerechnet sind das 691 310 Meter.

Der Fund der Tuchplombe, die wahrscheinlich an einem Stoffballen Meininger Handelsleute angebracht war, festigt die Annahme, dass Aschersleben im Rahmen der Handelstätigkeit der Hanse ein wichtiger Handels- und Umschlagsplatz für Tuche und Eisenwaren war. Vielleicht besaß Aschersleben sogar das sogenannte Stapelrecht - ein besonderes Privileg, welches die durchreisenden Händler, bevor sie weiterzogen, dazu verpflichtete, ihre Waren für eine bestimmte Zeit in der Stadt anzubieten. Als bisherige Fundorte vergleichbarer Tuchplomben sind Gerhard Christ nach Recherchen lediglich Göttingen und Hildesheim bekannt. Damit dürfte die Ascherslebener Tuchplombe einen wichtigen Beitrag zur weiteren Geschichtsschreibung der Handelstätigkeit der großen deutschen Hanse als Bund von Kaufleuten und Städten liefern. Inzwischen ist man auch beim Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege in Halle auf den Fund aufmerksam geworden, wo die Plombe selbst sowie die von den Ascherslebenern Bodendenkmalpflegern angefertigte Dokumentation erwartet werden.

Ob die Ascherslebener den Fund irgendwann zu Gesicht bekommen, hänge unter anderem davon ab, ob das Museum sein Interesse an der Plombe als Leihgabe bekundet, sagt Gerhard Christ. Ansonsten gehört sie zum Bestand des Landesamtes.