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Neuer Gaumentrend Neuer Gaumentrend: Fingerfood auf Spanisch

Von Frank Rumpf 30.04.2004, 11:59
Schiffchen mit Sherry-Nieren - Auch Tapas passen sich auch dem Zeitgeschmack an. (Foto: dpa)
Schiffchen mit Sherry-Nieren - Auch Tapas passen sich auch dem Zeitgeschmack an. (Foto: dpa) Spain Gourmetour/ICEX/Fdo. Madariaga

Madrid/Hamburg/dpa. - «Die spanische Küche wurde viele Jahre auf Paella, Serrano-Schinken und Tortilla reduziert», bedauert Inge Adolphs von der Handelsabteilung des Spanischen Generalkonsulats in Düsseldorf. «Erst allmählich werden ihre Qualität und Vielseitigkeit entdeckt, die städtische Tapas-Kultur gehört dazu.»

In Salz und Essig eingelegte Sardellen (boquerónes) und Oliven (aceitunas) oder frittierte Calamares sind Klassiker. Häufig anzutreffen sind auch Paprikawurst (chorizo), Fleischbällchen in Tomatensoße (albóndigas), mit Spinat, Schinken oder Klippfisch gefüllte Kroketten (croquetas) und die Köstlichkeit «Schmerzen und Zerrüttung» (duelos y quebrantos), die man früher aus Ei und Hirn, heute aus Eiern und Speck brät.

In spanischen Gaststätten wie in Madrid rund um die Plaza Mayor und die Puerta del Sol warten die Gaumenkitzel direkt auf den Marmor-und Edelstahltheken. Jede Bar führt eine andere, oft erstaunlich große und von der regionalen Herkunft des Kochs bestimmte Auswahl.

«Wir konzentrieren uns allerdings noch auf ein kleines Sortiment», sagt Helena Bruhn von der Weinhandlung «Vinos del Sol» mit angeschlossener Tapas-Bar in Hamburg. Tortilla, das spanische Omelett, gehört dazu, ebenso warme Pflaumen im Speckmantel, Chorizos und verschiedene spanische Käse.

In Madrid und Sevilla sind Tapas - als größere Portion heißen sie «raciones» - nicht nur im Stehen an der Theke eingenommene Snacks oder Vorspeisen, die bisweilen das ganze Abendessen ersetzen. Sie sind eine Lebensweise. Die wichtigste Tapas-Regel lautet deshalb: Immer in Gesellschaft von wenigstens einem halben Dutzend Freunden genießen. Solo Tapas zu essen, wäre so seltsam und verkehrt wie auf deutschen Terrassen mutterseelenallein den Würstchengrill zu zünden.

Tapas sind noch eine recht junge Erscheinung in der spanischen Hauptstadt. Vor drei oder vier Jahrzehnten brachten sie vermutlich Andalusier auf der Suche nach Arbeit mit. Denn der Süden Spaniens gilt als Heimat der kleinen Delikatessen, Sevilla als ihr Mekka. Der Tapeo gehört dort zum kulturellen Selbstverständnis wie der Flamenco.

«Tapa» heißt nichts anderes als «Deckel», und damit wird auch der Ursprung in dem Standardwerk «Culinaria España» erklärt: Um den im Freien unter der Sonne des Südens genossenen Sherry oder Wein vor Fliegen zu schützen, legte man eine Scheibe Brot oder ein Tellerchen auf das Glas. Später wurde der nackte «Deckel» um Oliven, ein Scheibchen Wurst oder Sardellen bereichert, bis schließlich der heute nahezu grenzenlose Reigen an warmen und kalten Minispeisen entstand, heißt es in der Rezeptsammlung «Tapas favoritas» von Fiona Dunlop.

Sehr wahrscheinlich ist die Tapas-Kultur aber auch dem 800-jährigen Einfluss der Mauren zu verdanken. Sie brachten das umfangreiche Vorspeisenrepertoire vieler arabischer Küchen mit.

Der neueste Trend in Spanien sind Gourmet-Tapas: Mürbeteigschiffchen mit Sherry-Kalbsnieren zum Beispiel, marinierte Wachteln oder Salatherzen mit Tunfischfleisch. Es zeigt laut Inge Adolphs, dass die Tapas-Kultur in Spanien «höchst lebendig» ist.