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Musiktherapie für Frühgeborene

Von Silke Kettig 07.07.2008, 08:46

Bielefeld/dpa. - Sanft legt Musiktherapeutin Friederike Haslbeck eine Hand um den kleinen Kopf des Frühchens, die andere ruht auf dem schnell atmenden Körper.

Sie beginnt eine einfache, ruhige Melodie zu summen. Meditative Stimmung tritt ein auf der Frühgeborenen-Intensivstation des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld in Bethel. Es ist eine von fünf Kliniken bundesweit, die Musiktherapie bei Frühgeborenen anwenden.

Selina ist erst acht Wochen alt. In der 26. Schwangerschaftswoche kam sie zur Welt - viel zu früh. Bis vor kurzem wurde sie noch beatmet, weil die Lungenfunktion noch nicht ausgereift war. Selina ist angeschlossen an medizinische Geräte, eine gesteppte Decke über dem Inkubator soll sie vor zu viel Licht schützen und ihr das Gefühl vermitteln, noch im Bauch der Mutter zu sein. Ein Monitor zeigt Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung des Blutes und die Atmung kontinuierlich an. «Die Musiktherapie ist ein Balance-Akt zwischen Anregung und Entspannung», erklärt Friederike Haslbeck.

«Ich singe auf den Atemrhythmus, etwa drei Atemzüge sind ein langgehaltener Ton.» Und es klingt wie ein meditatives Singen, das viele Emotionen transportiert und Geborgenheit und Kontakt vermittelt. Zehn bis zwanzig Minuten dauert das Singen für Selina.

«Ich habe nach dem Musikstudium und dem Aufbaustudium zur Musiktherapeutin diese Form der Therapie selbst entwickelt», sagt Friederike Haslbeck. Im Mutterleib gehe es auch sehr rhythmisch zu: Da seien der permanente Herzschlag, das Rauschen des Blutes, viele Vibrationen und Schwingungen, die dem Kind das Gefühl von Nähe vermitteln. Deshalb singe sie auch selbst und lege die Hände auf die kleinen Körper, denn so lasse sich die Situation nachahmen.

Oberärztin Ursula Weller ist überzeugt vom Erfolg der Musiktherapie in der Frühgeborenen-Medizin. «Die Kinder reagieren auf die Musik», sagt die Fachärztin für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. «Nach der Therapie atmen sie gleichmäßiger und ruhiger.» Je entspannter ein zu früh geborenes Kind sei, umso mehr Energie habe es für seine Entwicklung. Auch die Eltern bezieht die Musiktherapeutin mit ein: Ein Mal im Monat veranstaltet sie einen Elternabend, um ihnen das Thema näher zu bringen.

Die Musiktherapie werde zum Abbau von Stress eingesetzt, betont auch Monika Nöcker-Ribaupierre vom Bundesverband «Das frühgeborene Kind». Aber einfach nur ein Kind mit Musik zu beschallen, reiche nicht aus. «Musiktherapie mit leise gesummten Melodien arbeitet an der Beziehung von Mutter und Kind», erklärt die Expertin. Sie will ein Netzwerk aufbauen, damit die Musiktherapie in mehr Krankenhäusern eingesetzt wird.

Selina bewegt jetzt die winzigen Ärmchen und streckt die Beine während des leisen Summens - es scheint, als würde sie lächeln.

Bundesverband «Das frühgeborene Kind» e.V: www.fruehgeborene.de