Lustiger Ratgeber Lustiger Ratgeber: Euphorie und Abgrund - dieses Buch zeigt was Eltern wirklich fühlen

Es gibt sie, diese Eltern-Ratgeber, die uns mit erhobenem Zeigefinger erzählen wollen, was wir im Alltag mit unseren Kindern zu tun und zu lassen haben. Zu Recht wird vor diesen immer wieder gewarnt. Vertrau lieber dem eigenen Bauchgefühl, heißt es dann von Experten oder erfahrenen Eltern. Und das ist ein guter Tipp, denn jede Familie hat andere Gepflogenheiten und jedes Kind einen eigenen Charakter.
Es gibt aber auch Eltern-Bücher, die ohne erhobenen Zeigefinger daherkommen und die auf Erfahrungsberichten basieren, mit denen man sich identifizieren kann – oder eben auch nicht. Solche, die aber auf jeden Fall inspirieren und uns einen neuen Blick auf unsere Lage und auf unsere Elternschaft generell geben. Dazu gehört das neue Buch von Bestsellerautorin Rike Drust aus Hamburg. „Muttergefühle.Zwei – Neues Kind, neues Glück“ heißt es.
Nach ihrem erfolgreichen Erstlingswerk „Muttergefühle.Gesamtausgabe“, das sie nach der Geburt ihres ersten Kindes verfasst und sich damit in die Herzen etlicher Eltern geschrieben hatte, wird in ihrem neuen Buch nun die Geburt des zweiten Kindes zum Thema.
Drust, die seit zehn Jahren als Werbetexterin arbeitet, verarbeitet darin die Erlebnisse ihres Familienalltags – wie gewohnt ehrlich und humorvoll. Etwa dann, wenn sie über eine Freundin schreibt, die nach der Geburt leider Probleme mit Hämorrhoiden hatte („Von denen hatte sie nämlich vorher auch nur theoretisch gelesen oder Werbespots gesehen, in denen Zeichentrickfiguren Poschmerzen hatten“) und die, ähäm, ganz vielleicht doch gar nicht ihre Freundin war – sondern sie selbst.
Das zweite Kind – alles nochmal von vorn
Drust schreibt über den Hass auf die Müdigkeit, über ruinierte Brüste und über die Qual der permanent-lauten Geräusche im Familienalltag. Aber sie schreibt eben genauso über die besten Erzieherinnen der Welt, darüber, wie sie sich selbst durch ihre Kinder besser kennenlernt und dass sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern ihre absoluten Lieblingsleute – die, mit denen sie am liebsten Zeit verbringt – um sich hat.
Dabei ist sie eine Mutter, bei der man vor allem selbst gern mal Kind wäre, weil sie es schafft, ihren mittlerweile siebenjährigen Sohn und ihre jetzt zweijährige Tochter mit dem größtmöglichen Respekt, der herzlichsten Toleranz und schier maßloser Liebe ins Leben zu begleiten. Dazu gehört neben ihrer Coolness („Rumhängen ist das neue Frühfördern“) auch eine bewundernswerte Selbstkritikfähigkeit („Ich bin auch die Mutter, die ich nie sein wollte“).
So widmet sie ein Kapitel einer Situation, auf die sie ganz und gar nicht stolz ist, die sie aber auf ihre ganz eigene kreative und liebevolle Art wiedergutzumachen versucht. Als ihr Sohn Oskar sie nämlich in aller Öffentlichkeit schlägt – und ihr kurzfristig – quasi aus Notwehr – die Hand ausrutscht. „Unter den Augen vieler Besucherinnen und Besucher wurde ich getreten und gehauen“, schreibt sie. Sie versuchte ihn zu beruhigen, das „wollte er aber nicht, denn er holte Schwung und trat mir mit voller Wucht in den Bauch. Bevor ich überhaupt merken konnte, wie weh das tat, hatte ich ihm schon auf den Po geklapst.“ Plötzlich wurde alles still – beide erschraken.
Es sind diese Situationen, die Eltern nie für möglich gehalten hätten, die dann aber doch eben auch passieren – und über die aber so viele schweigen. Drust handelt in einem ganzen Kapitel ab, wie schlecht sie sich damit fühlt, wie oft sie sich entschuldigt hat – und wie sie reagiert hätte, wenn nicht der ganze Urlaub, in dem das passiert ist, so stressig gewesen wäre, weil sie dachte, sie müsse einer anderen Mutter beweisen, wie cool sie ist. Ihre Lehre daraus: Sie möchte sich niemals wieder von anderen so stressen lassen und lieber auf sich selbst und ihr Gefühl hören, denn „Kinder klapsen oder hauen oder ohrfeigen ist zu Recht verboten.“
Nicht nur wegen solcher Kapitel ist Muttergefühle.Zwei ein Buch, das man nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen sollte, weil die Mitreisenden sich vom permanenten Nicken („Ja, Ja, Ja, genauso ist es bei uns auch!“) gestört fühlen könnten. Weil man laut lachen und schluchzend weinen muss, wenn sie von ihrem Mann und ihren Kindern erzählt, die sie niemals verlieren möchte und denen sie in einem ganzen Kapitel ein „Nur mit euch will ich das alles!“ zuruft.
Ein Buch, das Eltern den Druck nimmt
Dieses Buch beschreibt die wunderschönen und die superanstrengenden Seiten des Elternseins, das Scheitern und die kleinen Erfolgserlebnisse auf so unaufgeregte, kreative aber immer authentische Weise, dass es mehr entlasten kann als eine Mutter-Kind-Kur. Es nimmt den Eltern den Druck, immer super und vorbildlich handeln zu müssen. Auch, weil wir Eltern darin immer wieder zu Solidarität untereinander aufgerufen werden. Und das ist doch genau das, was Eltern heute viel mehr brauchen. Das Gefühl von einem Tschakka, ich verstehe dich. Und keinen erhobenen Zeigefinger.
Buchtipp:
Rike Drust, Muttergefühle.Zwei
C.Bertelsmann Verlag, 2017