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Kriminalität Kriminalität: Kleiner Griff mit großen Folgen

Von Tobias Wiethoff 21.05.2004, 12:27
Heimlicher Raubzug (Foto: dpa)
Heimlicher Raubzug (Foto: dpa) Mascha Brichta

Palma de Mallorca/dpa. - Nur wenige hundert Meter sind es vomParkplatz an der Uferstraße von Palma bis zum Einkaufsviertel rund umdie Kathedrale. Aber kein Weg ist zu kurz, um darauf nicht einemTaschendieb zum Opfer zu fallen. Kein Menschenauflauf, nicht einmalein Rempler - und trotzdem steckt das Portemonnaie beim Bezahlen inder Parfümerie plötzlich nicht mehr in der Handtasche.

Eine Odyssee durch die Behörden kündigt sich an, die schon auf derPolizeistation von Mallorca einen traurigen Höhepunkt erreicht: KeinBeamter auf der beliebten Ferieninsel spricht Deutsch oder Englisch.Man muss einen Übersetzer in Madrid anrufen beziehungsweise dessenWarteschleife - ein Umweg, der die Euros im Akkord vernichtet.

Doch die eigentliche Rechnung wird erst in der Heimat aufgemacht,denn natürlich steckte im Portemonnaie vieles, was dort im Urlaubnicht hingehört: EC- und Kreditkarte, Personalausweis, Führer- undFahrzeugschein, Versicherungs- und Clubkarten im halben Dutzend -alles nur Plastik, aber mühsam wiederzubeschaffen.

Viele Menschen handelten gerade im Urlaub nach der Devise «Mirwird schon nichts passieren», heißt es bei den Opferhelfern vomWeißen Ring in Mainz. Selbst einfachste Vorsichtsregeln werden in denvermeintlich schönsten Wochen des Jahres außer Acht gelassen. GrößterFehler: alles Wichtige, insbesondere Zahlungsmittel, an einem Ortaufzubewahren. Überflüssige Dokumente wie Mitgliedsausweise lässt manam besten gleich zu Hause oder wenigstens im Hotelsafe.

Unterwegs gehören Bargeld, Kreditkarten und Ausweis dicht an denKörper, rät das Landeskriminalamt Baden-Württemberg in Stuttgart -möglichst auf mehrere Taschen verteilt. Geeignet seien Brustbeutel,Gürteltaschen oder die verschlossenen Innentaschen der Kleidung.Tüten oder die Kamera sollte man auf der von der Straße abgewandtenSeite tragen, damit sie nicht von Zweiradfahrer entrissen werdenkönnen.

Die Tricks der Taschendiebe sind altbekannt - und doch fürBetroffene immer wieder neu. Eines ist allen gemeinsam: Taschendiebebrauchen Nähe. Dafür finden sie kreative Vorwände: sei es dasverkleckerte Eis, der versehentliche Tritt in die Hacken, die Fragenach dem Weg, das freundliche Blumengeschenk. Oft arbeiten die Diebezu zweit oder in Gruppen: Einer lenkt ab, der andere greift zu.

Wer auf diese Weise um wichtige Dokumente erleichtert wurde, kannsich glücklich schätzen, wenn er vorher Kopien angefertigt oder sichdie wichtigsten Daten zumindest notiert hat. Die Angaben müssengetrennt von den Originalen aufbewahrt werden, aber auch wiederumnicht so getrennt, dass sie im Notfall außer Reichweite liegen.Gerade beim Sperren von EC- und Kreditkarte zählt jede Minute.

«Sobald die EC-Karte gesperrt ist, haftet der Kunde nicht mehr fürSchäden, es sei denn, es liegt grobe Fahrlässigkeit vor», sagtKerstin Altendorf vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin. Wennder Dieb aber schon vorher Geld abgehoben hat, lehnen die Instituteunter Hinweis auf die angebliche technische Sicherheit des Systemsmeist jede Erstattung ab. «Bei Kreditkarten ist die Haftung auch vorSperrung auf 50 Euro beschränkt», so Altendorf.

Einige Bankinstitute haben die Telefonnummern ihrer Call-Centerauf die Rückseite der Karten gedruckt. So kann man etwa bei derDresdner Bank auf einen Schlag beide Karten sperren lassen. Für dieEC-Karte gibt es darüber hinaus einen zentralen Sperrannahmedienst;die Kreditkartenunternehmen haben noch einmal eigene Notfallnummern.«Wer kein Bargeld mehr hat, kann bei Visa- und Mastercard auch einR-Gespräch anmelden», sagt Karina Forgach von der Gesellschaft fürZahlungssysteme (GZS) in Frankfurt/Main.

Zum Sperren der EC-Karte sind Konto- und Kartennummer sowie dieBankleitzahl erforderlich. Besitzer von Kreditkarten kommen meistauch mit der Angabe persönlicher Daten weiter. DieVerbraucherzentralen empfehlen, einen Zeugen zum Anruf hinzuzuziehenund sich Zeitpunkt der Sperrung und Name des Gesprächspartners zunotieren.

Wer nun mittellos im Ausland dasteht, hat als Inhaber einerKreditkarte Vorteile. Die Unternehmen gewähren Notfallauszahlungenvon bis zu 1000 Euro. Ohne Kreditkarte wird es mühsam: Bis Geld vonder Hausbank eingetroffen ist, können Tage vergehen. Als schnellsterWeg gilt die Anweisung über das Unternehmen Western Union, das inDeutschland mit der ReiseBank in Frankfurt zusammenarbeitet.

Das Prinzip: Ein Freund oder Verwandter zahlt in einer der 77deutschen Niederlassungen der Bank Geld ein, der Urlauber kann esMinuten später an einer der 115 000 Agenturstellen in 190 Ländernabholen. «Das sind nicht nur Banken, sondern zum Teil auch Geschäfteoder Tankstellen», sagt Uwe Mehltretter von der ReiseBank inFrankfurt. Die Gebühren belaufen sich beim durchschnittlichüberwiesenen Betrag von 450 Euro auf 30 Euro.

Botschaften springen dagegen nur in Ausnahmefällen mit einemÜberbrückungsgeld ein. Trotzdem müssen sich Reisende unter Umständendorthin wenden - wenn sie auch ihren Reisepass eingebüßt haben.Fotokopien und eine polizeiliche Verlustanzeige erleichterten dieBearbeitung, heißt es beim Auswärtigen Amt in Berlin. Trotzdem könnees zu Verzögerungen kommen, wenn die Behörden in Deutschland etwawegen eines Feiertages nicht für Rückfragen erreichbar sind. Außerdemkönne es sein, dass der fremde Staat ein Ausreisevisum verlangt.

Zurück in der Heimat setzt sich der Marsch durch die Institutionenfort. Der eingangs geschilderte Fall ging zum Glück glimpflich aus:Ein ehrlicher Finder schickte das Portemonnaie zurück - ohne Bargeld,aber mit Plastik. Offenbar handelte es sich bei den Dieben umAmateure. Profis hätten auch noch mit dem Ausweis ihre Geschäftegemacht.