"Vater darf nicht beim Stillen dabei sein" Krankenhaus-Tipps nach Geburt: Absurde Regeln für Mütter aus den 60ern

Concord - Frischgebackene Mütter haben vor allem beim ersten Kind viele Fragen. Ist ja auch kein Wunder, schließlich müssen sie sich plötzlich um ein kleines Wesen mit vielen Bedürfnissen kümmern. In den ersten Tagen nach der Geburt helfen hier vor allem die betreuenden Hebammen und Kinderpfleger im Krankenhaus. Sie zeigen, wie gewickelt und gestillt wird und geben Rat, wenn es Probleme gibt.
Anleitung für Mütter nach der Geburt
Was genau im Umgang mit dem Baby in den Kliniken empfohlen wird, das hat sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder verändert. Wie sehr, darüber musste jüngst auch Mutter Micala Gabrielle Henson aus dem US-Bundesstaat North Carolina staunen, als sie ein altes Dokument ihrer Großmutter fand: Nämlich jene „Anleitung für Mütter“, die ihre Oma damals im Jahr 1968 nach der Geburt von Micala Gabrielle ausgehändigt bekommen hatte.
Auf dem einseitigen Blatt, das Henson auf Facebook postete, gibt die zuständige Klinik Tipps für die ersten Tage mit Baby.
Dazu gehören unter anderem strikte Besuchsregeln für Neugeborene: „Die Babys dürfen im Säuglingszimmer durch die Glasscheibe betrachtet werden – und zwar nur zwischen 14:30 und 15:30 Uhr und 19:00 und 19:45 Uhr. Bitte fragen Sie nicht danach, das Kind auch außerhalb dieser Zeiten zu sehen.“
„Am zweiten Tag immer nur sieben Minuten stillen“
Selbst zum Stillen waren strikte Zeiten vorgegeben: „Das Baby wird der Mutter in den Zeiten zwischen 9 und 10 Uhr sowie von 13 bis 14 Uhr [...] zum Füttern gebracht“, heißt es dort. Mit dem hervorgehobenen Zusatz: „Während der Stillzeit darf sich kein Besuch im Flur oder Zimmer aufhalten, auch nicht der Vater.“
Weitere Regeln lauteten außerdem: „Bitte nicht rauchen, wenn das Baby im Zimmer ist“, „Erlauben Sie keinem Besucher, auf Ihrem Bett zu sitzen (Das Laken muss für das Baby sauber bleiben)“ und „Niemals das Laken über das Baby ziehen.“
„Keinen Kokosnuss-Kuchen essen“
Danach folgen Anweisungen, wie das Baby gestillt und gefüttert werden soll, mit erstaunlich exakten Zeitvorgaben. So solle die Mutter das Kind „in den ersten 24 Stunden immer nur fünf Minuten stillen“, „am zweiten und dritten Tag nur etwa sieben Minuten“. Mit der Begründung, dass sonst die Brustwarzen wund werden könnten.
Auch Empfehlungen hinsichtlich des Essens gibt es, die Mütter dürften unter anderem bitte „keine Schokolade, Kirschen oder Kokosnusskuchen“ essen. Wenn sie mit der Flasche fütterten, sollten sie bitte warten, bis ihnen „die fertig vorbereitete Flasche gebracht wird“ und dann darauf achten, „den Sauger sauber zu halten, um Ansteckung zu vermeiden.“
Heute zählt vor allem das „bonding“
Vieles, was in dem Blatt von damals geraten wird, klingt heute extrem oder absurd und ist nach neueren Wissensstand auch längst überholt. Seit erwiesen ist, wie wichtig das sogenannte „bonding“ zwischen Kind und Eltern ist, also der Aufbau von Nähe und Zuwendung mit viel körperlicher Berührung, verbringt das Kind heute auch schon im Krankenhaus so viel Zeit wie möglich bei Mutter und Vater.
Väter haben heute eine viel aktivere Rolle und werden von Anfang an überall mit einbezogen, dank Familienzimmer sogar oft über Nacht. Und auch solche strikten Minutenangaben oder Stillregeln gibt es nicht mehr. Stattdessen wird auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen und die Situation des Babys eingegangen.
Auch damals galt es, Mutter und Kind zu schützen
Und doch ist nicht alles schräg, was das Dokument aus den 60ern anspricht. Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass auch schon damals im Vordergrund stand, die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen. Und in manchen Punkten stecken Regeln, die heute nur noch deutlicher vertreten werden, wie etwa das strikte Rauchverbot oder die strenge Hygiene rund ums Baby.
Trotzdem werden Mütter heute viel individueller beraten und haben in der Regel selbst das allergrößte Mitspracherecht, wenn es um ihr Kind geht. Auch Micala Gabrielle Henson ist froh darüber. „Ich musste bei diesen Regeln wirklich lachen“, schreibt sie in ihrem Post, „Gott sei Dank haben sich die Zeiten geändert!“ (iwo)