1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gericht stoppt Kinderwunsch der Witwe

Gericht stoppt Kinderwunsch der Witwe

Von Winfried Wagner 12.08.2009, 13:09

Neubrandenburg/dpa. - Der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind war groß. So groß, dass das junge Paar schließlich medizinischen Hilfe suchte und eine künstliche Befruchtung in die Wege leitete.

Doch noch bevor die im Reagenzglas mit dem Samen vereinte Eizelle der Frau wieder eingesetzt werden konnte, kam ihr Ehemann bei einem Motorradunfall ums Leben. Dem Wunsch der heute 28-Jährigen, dennoch ein gemeinsames Kind auszutragen, schob am Mittwoch (12. August) das Landgericht Neubrandenburg zunächst einen Riegel vor. Es wies die Klage auf Herausgabe der tiefgefrorenen Eizellen, die sich die Frau im Ausland in die Gebärmutter implantieren lassen will, ab.

«Das Klinikum Neubrandenburg würde sich strafbar machen, wenn es der Frau die für eine künstliche Befruchtung zusammen mit dem Sperma eingefrorenen Eizellen herausgibt», urteilte Michael Kücken von der 2. Zivilkammer. Der Fall gilt bundesweit als Präzedenzfall. Deshalb, so nimmt Kücken an, «werden sich wohl weitere Instanzen damit beschäftigen». Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.

Was war passiert? «Die junge Mecklenburgerin und ihr Mann versuchten seit 2002, ein Kind zu bekommen», erklärt Anwältin Silke Mettner. Bis zum März 2008 schlugen alle Versuche fehl. Das Paar startete im Klinikum Neubrandenburg dann einen neuen Versuch mit einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas - der In-Vitro- Fertilisation, die in Deutschland nur Ehepaaren erlaubt ist. Damit soll nach Angaben von Experten verhindert werden, dass Kinder ohne Väter aufwachsen. Neun Eizellen und das Sperma des Mannes wurden zusammengebracht, die Befruchtung begann, wurde aber durch das Einfrieren unterbrochen. Seit dem Tod des Mannes währt nun der Rechtsstreit, in dem auch die europaweit sehr unterschiedlichen Rechtslagen deutlich werden.

So verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz, dass jemand «wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Verstorbenen befruchtet». «In diesem Fall befindet sich die Zelle im sogenannten Vorkernstadium, die Befruchtung ist noch nicht abgeschlossen», erklärt der Experte für Fortpflanzungsmedizin und Leiter der Frauenklinik Lübeck, Klaus Diedrich. Der Mediziner räumt der Klage keine großen Erfolgschancen ein. «Mit dem Auftauen würde dieser Prozess wieder in Gang gebracht», erläutert der Richter, «damit würde sich die Klinik strafbar machen.»

Das sieht Anwältin Mettner anders: Der Befruchtungsprozess habe im beiderseitigen Einverständnis bereits mit dem Zusammenbringen von Eizelle und Sperma begonnen und sei nur künstlich unterbrochen worden. «Der Strafparagraph setzt ein aktives Handeln voraus, das wäre hier nicht nötig, nach dem Auftauen würde die Befruchtung fast automatisch weiterlaufen», argumentiert die Anwältin.

Doch das Gericht folgte dieser Meinung nicht. «Sie wollen sich die Eizellen in einer polnischen Klinik einsetzen lassen?», fragt der Richter die Klägerin, die schwarz gekleidet vor Gericht erschien. «Das ist richtig», erwidert die wortkarge Frau. Klar sei, dass dies in Polen nicht strafbar wäre, erklärt Kücken. Aber dazu müsste das eingefrorene Gut nach Stettin gelangen. «Man darf nicht eine in Deutschland strafbare Handlung im Ausland ermöglichen, auch wenn sie dort straffrei wäre», erläutert der Richter einen weiteren Grund für die Ablehnung der Klage.

Die Kosten des Verfahrens - der Streitwert wurde auf 10 000 Euro geschätzt - soll die junge Frau tragen. Ob sie in die nächste Instanz geht, sei noch nicht entschieden, sagt Mettner. Das Urteil würde in einem Monat rechtskräftig. «Eine ähnliche Problematik gibt es gegenwärtig bei jungen Soldaten, die sich vor ihrem Auslandseinsatz ebenfalls zusammen mit ihren Partnerinnen Samen und Eizellen einfrieren lassen», berichtet der Richter zum Schluss und macht auch damit die Tragweite des Urteils deutlich.