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Pop Pop: Gebeutelte 80er-Jahre-Stars

16.09.2003, 06:05
Die deutsche Popgruppe "Camouflage", aufgenommen im Juli 1989 in Berlin. Die einstigen Chartstürmer haben inzwischen normale Jobs und für ihre Musik nur die Freizeit übrig - so touren sie vom 17. bis 28. September 2003 mit ihrem neuen Album im Urlaub durch Deutschland. (Foto: dpa)
Die deutsche Popgruppe "Camouflage", aufgenommen im Juli 1989 in Berlin. Die einstigen Chartstürmer haben inzwischen normale Jobs und für ihre Musik nur die Freizeit übrig - so touren sie vom 17. bis 28. September 2003 mit ihrem neuen Album im Urlaub durch Deutschland. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/Berlin/dpa. - Wenn die 80er-Jahre-Stars Camouflage in diesen Tagen auf Tour gehen, ist es für sie Urlaub. Nicht «wie Urlaub», wie mancher ihrer Kollegen oft etwas kokett von der Konzertreise schwärmt, sondern echter, ehrlicher Urlaub wie für alle anderen Normalbürger auch. Die einstigen Chartstürmer haben inzwischen ganz normale Jobs und für ihre Musik nur die Freizeit übrig. Und so touren sie vom 17. bis 28. September mit ihrem neuen Album durch Deutschland.

«Ich habe zwei Kinder und eine Ex-Frau, und es geht einfach nicht anders», sagt Sänger Markus Meyn. Andere Leute könnten vielleicht von Tantiemen für alte Hits wie «The Great Commandment» oder «Love Is A Shield» leben, die immer noch häufig im Radio gespielt werden. Bei ihm reiche es aber nicht. Deswegen sitzt Meyn in einem kleinen gläsernen Büro im achten Stock des Sony-Centers am Potsdamer Platz in Berlin und macht Marketing für Stars von heute wie Beyoncé oder Las Ketchup.

Sich einen normalen Job zu suchen, das sei für ihn nicht das Problem gewesen, sagt der 37-jährige Meyn. Eher war es komisch, die Seiten zu wechseln. «Ich weiß jetzt, dass man gar nicht ehrlich genug gegenüber Künstlern sein kann, egal wie weh es tut», bilanziert er seine neue Erfahrung. Die alte Plattenfirma von Camouflage war es nach seiner Meinung nicht, als vor gut zehn Jahren mit dem Ende der goldenen Ära des 80er-Jahre-Elektropop der Abstieg begann.

«Die haben uns nur erzählt, wie Klasse alles ist», erzählt Meyn mit unüberhörbarer Bitterkeit. Dann kam 1991 der entscheidende Flop der dritten CD «Meanwhile», die Tour wurde zum Desaster mit Konzertabsagen, der Geldfluss versiegte und 1995 ging dann gar nichts mehr. «Das war der Punkt der Ernüchterung.» Meyn und seine Bandkollegen Oliver Kreyssig und Heiko Maile zogen einen Strich, suchten sich Jobs und schrieben weiter Musik in der Hoffnung auf ein Comeback.

Zunächst mit erneuten Rückschlägen. Der Single «Thief» ließ die damalige Plattenfirma 1999 kein Album folgen. Erst in diesem Jahr kamen viele Songs von damals auf der CD «Sensor» heraus. Das Album schaffte es auf Platz 26 der Charts und Camouflage war plötzlich wieder da. «Wenn du eines gelernt hast, ist es, dass es eine einzige Lotterie ist», sagt Meyn. Seine eigenen CDs vertreiben muss er nicht: Meyn ist Sony-Angestellter, Camouflage ist bei Universal unter Vertrag, was aber keinen zu stören scheint.

Was die Band stört, ist die moderne Musiklandschaft. «Die Welle von Cover-Versionen ist erbärmlich», sagt Meyn. «Früher gab es richtig geile Pop-Songs.» Und habe heute etwas Erfolg, bringen ein Paar Monate später die anderen Plattenfirmen eine Kopie auf den Markt, ergänzt Kreyssig.

Musikalisch sind die Musiker immerhin im heute angekommen. «Sensor» hat den für Camouflage typischen, zugleich warmen und düsteren Sound, klingt aber nicht mehr nach den 80er Jahren. Es ist eine reifere, nachdenklichere Version der Band, die einst als deutsche Antwort auf Depeche Mode galt. «Da ist viel Druck, viel Dreck drin», sagt Meyn selbst. «Wir packen die dunklen Seiten der Seele in unsere Musik, keinen Frohsinn. Deswegen ist auch eine Camouflage-Platte so wie sie ist.»

(Tourdaten: Hamburg 17.9., Berlin 18.9., Dresden 19.9., Magdeburg 20.9., Köln 23.9., Stuttgart 24.9., Erfurt 26.9., Leipzig 27.9., Rostock 28.9.)