Ost-Schau Ost-Schau: Lieber eine gute Suppe
OSCHERSLEBEN/MZ. - An diesem Ort der Retro-Kultur werden sich die Geister scheiden, nur über die Qualität der Erbsensuppe kann es keine zwei Meinungen geben. Sie schmeckt, wie eine Erbsensuppe schmecken soll. Geschmelzt mit Bauchspeck und mit Mohrrüben verfeinert, wird der dampfende Eintopf von einer freundlichen Frau in DDR-Plaste-Schüsseln gefüllt. Und auch die Bockwurst lässt keine Wünsche offen.
Auf dem Tisch, an dem der Gast sich löffelnd stärkt, steckt ein Papierfähnchen im Blumenstrauß: schwarzrotgold mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz, dem Emblem der untergegangenen ostdeutschen Republik. Nebenan stehen ausgemusterte Militärfahrzeuge der Nationalen Volksarmee (NVA) und Schützenpanzer sowjetischer Provenienz, im Hintergrund grüßt das "Klubhaus der Werktätigen Ernst Thälmann".
Willkommen also im Reich der unverbesserlichen Nostalgiker, die sich nach Honecker samt seinen Parteischranzen sehnen und im Bördekreis eine Heimstatt gefunden haben? "Nein", versichert der Chef des Unternehmens: "Ich will das nicht verherrlichen". Er sei halt damit groß geworden, fügt er achselzuckend hinzu. Und dass sich schließlich jeder sein eigenes Urteil bilden könne. Mike Silabetzschki, der im Hauptberuf eine Autoverwertungsfirma betreibt, ist offensichtlich das, was man einen Freak nennt, aber kein Fanatiker. Der Mann vom Jahrgang 1968 hat nicht gedient und auch sonst keine Aktie an der NVA, wie er versichert. Dass er amerikanische Zigaretten und keine Ostmarke bevorzugt, mag als Indiz für Weltoffenheit durchgehen. Silabetzschki interessieren die Objekte, gern hätte er noch ein Jagdflugzeug vom Typ "MIG" in der Sammlung. Bekommen kann man das, es ist, wie stets in der Marktwirtschaft, nur eine Frage des Preises.
20 Jahre lang hat er gesammelt, mit Automodellen aus der DDR und dem früheren Ostblock fing es an. Sie bilden den Grundstock des Museums, das am 8. Mai dieses Jahres auf dem Gelände des ehemaligen volkseigenen Pumpenwerks eröffnet worden ist, direkt an der Straße, die von Magdeburg ins Zentrum Oscherslebens führt.
Es ist ein kleines, putziges DDR-Disneyland, das Touristen aus den USA begeistern könnte. Aber auch der Zulauf aus der Region ist beachtlich. Erst recht am Freitag: Dann wird frisches Kastenbrot aus dem Feldbackofen an die Bevölkerung ausgegeben, drei Euro kostet das Kilo. Natürlich gibt es auch ein paar grenzwertige Dinge: Die makabre, beinamputierte Puppe im Rollstuhl, gewandet in die Uniform eines Oberleutnants im medizinischen Dienst, gehört dazu. Und der rühmende Nachruf auf den Genossen Honecker an der Heckscheibe eines Barkas-Kleinbusses ist hoffentlich sarkastisch gemeint.
Immerhin, einen Lehrauftrag erfüllt die Sammlung indirekt auch. So erklärt im Vorraum des Speisesaals ein Vater seinen beiden Kindern, was man sich unter Jungpionieren vorzustellen hat. Neben einer blauen Fahne hängen dort die Gesetze der DDR-Kinderorganisation gerahmt an der Wand.
Original wie alles, was der bekennende Perfektionist Silabetzschki zusammengetragen hat, ohne sich um politische Korrektheit zu scheren. Im Saal gibt es echte Sprelacart-Verblendungen und Terrazzo-Fliesen, ein Mosaikwandbild hat er eigens aus Berlin herangekarrt, die glänzende Eloxal-Tür aus Dresden. Wie durch ein Wunder ist dazu die rotgoldene Fahne der Betriebsparteiorganisation des Rates des Kreises Oschersleben wieder aufgetaucht. Und wo, wenn nicht im authentischen Putzmittelmief des ganz in Blau gehaltenen Männerklos, könnte die Erinnerung kulminieren: So roch die DDR. Da lobt man sich die Erbsensuppe.
Die Schau in Oschersleben, Anderslebener Straße, ist montags bis freitags von 6 bis 15 Uhr geöffnet.