1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Opern-Intendant Axel Köhler: Opern-Intendant Axel Köhler: "Das trage ich nicht mit"

Opern-Intendant Axel Köhler Opern-Intendant Axel Köhler: "Das trage ich nicht mit"

10.04.2014, 11:04
Bei der Regiearbeit: Axel Köhler (M.) im halleschen Opernhaus
Bei der Regiearbeit: Axel Köhler (M.) im halleschen Opernhaus archiv/ julius heinrichs Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Seit 30?Jahren ist das künstlerische Leben von Axel Köhler, der als Sänger und Regisseur international Erfolge feierte, eng mit Halle verbunden: als Countertenor, Regisseur, seit Herbst 2011 als Intendant der Oper. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand, erklärte Köhler, warum er Halle im Jahr 2016 verlassen will. Mit Axel Köhler sprach unser Redakteur Christian Eger.

Herr Köhler, warum wollen Sie 2016 das Opernhaus Halle verlassen?

Axel Köhler: Die Entscheidung stand an, weil in meinem Vertrag geschrieben steht, dass zwei Jahre vor dem Ende der Amtszeit gemeinsam mit dem Aufsichtsrat darüber entschieden werden muss, ob eine Verlängerung des Vertrages erfolgen soll oder nicht. Die Aufsichtsratssitzung ist Ende April. Aus diesem Grund war jetzt eine Entscheidung zu fällen.

Warum diese Entscheidung - und keine andere?

Köhler: Der Grund liegt für mich darin, dass wir ein Dreivierteljahr protestiert haben gegen die aus meiner Sicht willkürlichen Etat-Kürzungen seitens der Landesregierung gegen die drei Theater Eisleben, Dessau und Halle. Und das bei gleichzeitiger Auflage eines sogenannten Strukturanpassungsfonds, der für Halle wahrscheinlich die zu kürzenden drei Millionen Euro weit übersteigt. Aber das Geld darf nur für Abfindungen genutzt werden und das ist aus meiner Sicht zynisch.

Was hätte anders laufen müssen?

Köhler: Jeder Mensch versteht, dass Strukturanpassungen hin und wieder notwendig sind. Aber meine Meinung ist, dass man die gemeinsam finden und erst einmal von der inhaltlichen Seite her aufziehen muss. Das kann nicht per Ordre de Mufti durchgesetzt werden: Wir nehmen Euch jetzt Geld weg und Ihr seht zu, wie ihr klar kommt. So geht’s nicht.

Es hat Gespräche mit den Intendanten gegeben.

Köhler: Sicher hat es Gespräche gegeben, aber auf der Grundlage der Millionen, die uns weggenommen worden sind. Wohin die Gespräche führen, sehen Sie ja. In Dessau sollen das Ballett und das Schauspiel abgebaut werden. Die Stellen der halleschen Bühnen sollen von 539 auf 419 gekürzt werden. Und zwar über betriebsbedingte Kündigungen! Nicht, wie der Geschäftsführer der Bühnen GmbH, Rolf Stiska, vorgeschlagen hatte, über das Weiterführen von Hausverträgen, so dass wir 2018 bei einem Personalstand angekommen wären, der dem von Magdeburg vorgeschlagenen sehr nahekommt. Aber Magdeburg verweigert sich. Die wollen betriebsbedingte Kündigungen sehen. Und das sehe ich nicht ein. Das trage ich nicht mit.

Wird die Oper eine andere sein, wenn die Kürzungen vollzogen sind?

Köhler: Mit Sicherheit.

Was wird sich für den Operngast verändern?

Köhler: Das ist wie bei öffentlich-rechtlichen Sendern. Wir erhalten deshalb Zuwendungen aus der öffentlichen Hand, weil wir einen Bildungsauftrag erfüllen. Damit wir nicht wie RTL?2 oder irgendein Varieté nur Mainstream machen. Wir sind dazu da, das kulturelle Erbe zu pflegen, den Zuschauern moderne Werke nahezubringen. Wir müssen in Regionen der Kultur vorstoßen, die nicht so mehrheitsfähig sind, dass man damit ein Fußballstadion füllen kann.

Das ist künftig nicht mehr möglich?

Köhler: Es wird mehr nach der Quote geschaut. Man spielt nur noch das, von dem man weiß, dass das Haus dann voll ist. Man hat keinen Mut mehr, Dinge zu spielen, die ein gewisses Risiko bedeuten. So wird man dem Bildungsauftrag nicht gerecht.

Noch einmal: Sieht oder hört der Zuschauer die Kürzungen?

Köhler: Natürlich. Das Angebot, das wir jetzt haben, dass wir alle Genres von Musical über Händel bis Wagner bedienen können, das wird es so nicht mehr gehen. Es wird eine schmalere Spur gefahren werden. In der Quantität und wahrscheinlich auch in der Qualität.

Welche Mitarbeiter sollen Sie verlieren?

Köhler: Geplant ist, dass das Ballett um sieben Stellen auf 17 gekürzt wird. Das wird es schwerer machen, die großen Ballettklassiker auf die Bühne zu bringen.

Im Sängerischen?

Köhler: Etwas, dass es in Deutschland und Europa noch nicht gegeben hat: ein Kollektivkörper wie der Chor soll beschnitten werden. Das halte ich auch vertraglich für unmöglich. Aber geplant ist, dass der Chor sechs Stellen verliert, dass er von 38 auf 32 Stellen zurückfällt. Natürlich haben die Kollegen Angst. Natürlich sagen wir, das wird es so nicht geben. Aber es ist immer einmal das erste Mal.

Sie kommen viel herum. Unterscheidet sich die Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt gravierend von der in den anderen Ländern?

Köhler: Ja, und zwar von der in unseren Nachbarländern Sachsen und Thüringen. Die haben ihre Theateretats angehoben, weil die begriffen haben, dass lebendige Kultur?- und zwar die, die jeden Abend Leben auf die Bühne bringt?- ein wichtiger Standortfaktor ist. Wenn Touristen in die Stadt kommen, schauen die automatisch, was ist denn am Theater los?

Sie haben mehrfach mit dem Kultusminister Stephan Dorgerloh gesprochen. Konnten Sie mit dem Ihre Lage diskutieren?

Köhler: Ja, wir haben die Lage diskutiert, aber wir sind nicht gehört worden.

Das heißt?

Köhler: Es kam zu keinem Resultat. Wir haben ein Dreivierteljahr diskutiert. Wir waren laut, wir waren leise, wir waren bittend, wir waren fordernd. Es gab eine Volksinitiative mit 45?000 Unterschriften schlussendlich. Die wurde im Landtag besprochen, in die Ausschüsse verwiesen und es blieb alles so, wie es im vorigen Jahr angekündigt worden war. Da habe ich mir gesagt: Ich werde nicht zum Totengräber des Ensembles der Oper Halle. Damit meine ich nicht nur die Kollegen im Orchestergraben oder auf der Bühne, es betrifft alle Bereiche.

Welchen Effekt soll Ihr Protest haben? Sollen die anderen Intendanten auch zurücktreten?

Köhler: Nein. Überhaupt nicht. Das ist meine persönliche Entscheidung. Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit einem anderen Direktor. Ich bin 30 Jahre lang hier in Halle. Die Oper Halle verbindet sich mit meinem künstlerischen Leben. Und deshalb ist es meine Entscheidung, zu sagen, da gehe ich nicht mehr mit. Und Herr Werner und Herr Brenner haben sicherlich andere Gestaltungsmöglichkeiten und sie können vielleicht ihre Funktion als Intendant in ihrem jeweiligen Mikrokosmos auch anders ausüben, als ich das kann. Ich habe die Kollegen im Vorfeld mit meiner Entscheidung konfrontiert. Sie haben meinen Brief an den Oberbürgermeister gelesen. Es wäre unlauter, mein Weggehen gegen ihr Hierbleiben aufzuwiegen, das darf man nicht machen.

Was sagt Herr Stiska zu Ihrer Entscheidung?

Köhler: Er hat sie erstmal zur Kenntnis genommen.

Müsste ein Intendant nicht gerade in schwierigen Lagen durchhalten?

Köhler: Wenn er die Gestaltungsmöglichkeit hat, dann ja. Wenn einem die Hände gebunden sind, dann nicht. Zum anderen widerstrebt es mir, die Dinge, gegen die ich protestiert habe, als Leiter mitzuverantworten. Vielleicht bringt ja mein Entschluss noch einmal ein bisschen Schwung in die Diskussion. Und vielleicht wird ein neuer Intendant, wenn es einen Nachfolger gibt, mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben, als ich das habe.

Halten Sie es für möglich, dass die Stelle nicht mehr besetzt wird?

Köhler: Bei diesen Einsparungsforderungen halte ich alles für möglich.

Sie werden Ihre Stelle bis 2016 wahrnehmen oder schon vorher gehen?

Köhler: Ich will ja nicht fahnenflüchtig sein. Ich habe gesagt, dass ich von 2016 bis 2021 nicht zur Verfügung stehe. Selbstverständlich werde ich meinen Vertrag erfüllen, wie er vorgesehen ist.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft nach 2016?

Köhler: Ich werde freiberuflich als Regisseur tätig sein, ich freue mich darauf. Es gab viele Angebote, die ich aufgrund meiner Intendantentätigkeit nicht wahrnehmen konnte. Ich habe aber genügend Angebote bis 2018, so dass ich mir keine Sorgen machen muss.

Die Semperoper sucht zur Zeit einen Intendanten.

Köhler: (lacht)

Haben Sie sich beworben?

Köhler: Nein. Erstens ist es so, dass man sich da gar nicht bewerben kann. Die Stelle ist nicht ausgeschrieben. Zweitens hat mein Weggang aus Halle mit dem Kasus Serge Dorny überhaupt nichts zu tun. Weil ich 2015 gemeinsam mit Christian Thielemann den „Freischütz“ an der Semperoper mache, heißt das nicht, dass ich dort auf die Intendanz spekuliere.