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Musik Musik: Lena stapft in Walters Spuren

Von KATHARINA THORMANN UND ERIK SCHMIDT 01.06.2010, 20:07

ASCHERSLEBEN/MZ. - Dabei hat Sachsen-Anhalt, im Besonderen die Stadt Aschersleben, bereits seit der Contest-Premiere im Jahre 1956 einen eigenen Star: Walter Andreas Schwarz. Zwar schmetterte er nicht einen Song wie "Satellite" durch sein Mikrofon, dafür besang er "Im Wartesaal zum großen Glück" die vielen Leute mit ihren unerfüllten Träumen.

Mit seinem selbst komponierten Lied qualifizierte er sich nebst dem Österreicher Freddy Quinn beim Ausscheid in Lugano (Schweiz) sogar für das Finale der besten Sechs. Heute wäre der am 2. Juni 1913 in Aschersleben geborene Walter Andreas Schwarz 97 Jahre alt geworden.

"Er ist in Aschersleben leider völlig in Vergessenheit geraten", sagt Udo Stephan vom Askanischen Geschichtsverein der Stadt. Vor kurzem stolperte er bei der Quiz-Show "Wer wird Millionär" mit Günther Jauch auf die Frage nach dem ersten deutschen Interpreten des Eurovision Song Contestes.

Kurz darauf folgte für Stephan eine zweite Begegnung mit dem Namen: "Ich habe die losen Blätter, die Hauszeitschrift des Verbandes ehemalige Schüler des Stephaneums in Aschersleben, durchgeblättert und ihn erneut gelesen." Er war ebenfalls ein Schüler des Gymnasiums, lebte zunächst in der Staßfurter Höhe und später auf dem Molkteplatz in Aschersleben. Das kann auch Michael Herre, Vorsitzender des Verbandes ehemaliger Schüler des Stephaneums, bestätigen. "Ich habe seine Schülerkarte gefunden. Er wurde Ostern 1923 in die sechste Klasse eingeschult. Sein Abitur legte er 1932 ab", erzählt Herre. Von Schwarz habe er bisher dennoch nichts gehört: "Neo Rauch kennt man, aber Walter Schwarz?"

Schwarz verließ seine Heimatstadt nach der Schulzeit und begann ein Studium in den Fächern Germanistik und Musikwissenschaft in Wien. 1938 wurde er mit seiner gesamten Familie aufgrund der jüdischen Abstammung in ein niedersächsischen Konzentrationslager gebracht. "Walter hatte Glück. Der Lagerkommandant war sein ehemaliger Klassenkamerad", berichtet Andreas Schwarz, der Neffe des Liedermachers. Neben ihm überlebten nur ein Bruder und zwei Schwestern aus der Großfamilie den Holocaust.

Wie er sich elf Jahre nach dem Krieg für den Eurovision Song Contest qualifizierte, ist auch Andreas Schwarz ein Rätsel: "Für ihn war das nichts Besonderes. Er hat einfach mitgemacht und hatte Erfolg."

Anknüpfen an diese Errungenschaft konnte er danach jedoch nicht mehr. Er blieb hinter den Kameras. "Ich glaube, er hat den Hintergrund gesucht", beschreibt es Andreas Schwarz. So arbeitete er als Schriftsteller, Liedermacher, Kabarettist, Hörspielautor, sowie Sprecher und Übersetzer unter anderem bei dem britischen Sender BBC.

Schwarz blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1992 in Heidelberg ohne eigene Familie. "Er sagte immer, seine Werke seien seine Kinder", erzählt Schwarz' Neffe. Sein Grand-Prix-Lied "Im Wartesaal zum großen Glück" - einer von 200 selbst geschriebenen Songs - entstand kurz vor seinem Auftritt bei dem Wettbewerb. Zwar nicht in Aschersleben, sicher jedoch aus der Feder eines ehemaligen Bürgers der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts.