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Kinostart 20. Mai Kinostart 20. Mai: «Vertraute Fremde»

Von Anna Grillet 14.05.2010, 14:44

Hamburg/dpa. - Thomas war 14, als sein Vater die Familie verließund ohne Abschied, ohne ein Wort der Erklärung plötzlich für immerverschwand. Heute ist er selbst Vater, weiß aber genauso wenig wiedamals, was wirklich geschah. In dem Film «Vertraute Fremde» nach demgleichnamigen japanischen Comic von Jiro Taniguchi schickt derbelgische Regisseur Sam Garbarski («Irina Palm») den Protagonistenauf eine poetisch-surreale Zeitreise in die Vergangenheit, umAntworten auf seine Fragen zu finden.

Thomas (Pascal Greggory) ist um die 50, Comic-Zeichner, lebt inParis, verheiratet, zwei Töchter. Die Midlife Crisis macht sichbemerkbar, es fehlt ihm schon seit zwei Jahren an Ideen für seinnächstes Buch. Auf der Rückfahrt von einer Geschäftsreise steigt erin einen falschen Zug und landet in seinem Heimatort, den er seit derBeerdigung der Mutter vor zwanzig Jahren gemieden hat. Und hier, aufdem malerisch gelegenen Friedhof inmitten der Berge, beginnt seineReise in die Vergangenheit: Thomas ist wieder 14, seine Mutter stehtin der Küche, der Vater arbeitet in der Schneiderwerkstatt, diekleine Schwester bettelt um eine Gutenachtgeschichte.

Äußerlich ist Thomas (Léo Legrand) ein ganz normaler Teenager,aber er sieht die Welt mit den Augen und dem Verstand des erwachsenenThomas. Es kostet ihn einige Mühe, sich nicht zu verplappern undtrotzdem fällt einigen auf, dass er ein anderer geworden ist: Erscheint nicht mehr so schüchtern, er weiß sich zu verteidigen undgegenüber der Mutter wird er zum liebevollen Beschützer. Den erstenTag hofft er noch sehnlich, sobald wie möglich in sein altes Lebenzurückkehren zu können, doch nach anfänglichem Zaudern genießt er dieunerwartete zweite Jugend und verliebt sich. Vor allem will Thomasden Vater davon abbringen, die Familie zu verlassen, wie der Mann esin der Vergangenheit tatsächlich getan hat.

Sam Garbarski zeichnet einfühlsam in leicht unwirklichen Bilderndas Leben des idyllischen Provinzstädtchens als Mikrokosmos der Weltvon gestern, einer Welt geprägt weniger von Konsum und Wettbewerb alsvon Pflichtbewusstsein und Selbstaufopferung. Die Folgen des Kriegessind hier noch deutlich zu spüren.

Der Film kommt ohne Melodram aus, schildert zurückhaltend fastnüchtern, oft nur in Andeutungen, wie die verschiedenen Beziehungenineinandergreifen. Thomas verzaubert mit seinem Talent und seinenZeichnungen nicht nur die von allen umschwärmte Mitschülerin, dieZeitreise wird auch das Thema seines neuen Buches. Sie hätte auch nurein Traum sein können oder reine Phantasie. Begriffen hat Thomas amEnde des Films, sowohl in der Rolle als Sohn wie als Vater: DasSchicksal muss angenommen werden, es lässt sich nicht verändern.