1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Hauptstadt: Hauptstadt: Bau des Holocaust-Mahnmals geht weiter

Hauptstadt Hauptstadt: Bau des Holocaust-Mahnmals geht weiter

27.10.2003, 16:32
Vor der entscheidenden Sitzung desStiftungskuratoriums zur Zukunft des Holocaust-Mahnmals in Berlinmehren sich die Stimmen für einen Weiterbau mit der umstrittenenFirma Degussa. (Foto: dpa)
Vor der entscheidenden Sitzung desStiftungskuratoriums zur Zukunft des Holocaust-Mahnmals in Berlinmehren sich die Stimmen für einen Weiterbau mit der umstrittenenFirma Degussa. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Berlin/dpa. - Das Kuratorium der Stiftung hatte sich zunächst für einen Baustoppentschieden, weil der Name Degussa mit der Judenvernichtung verknüpftsei. Eine Degussa-Tochterfirma hatte in der NS-Zeit das GiftgasZyklon B für die Massenermordung der Juden in denKonzentrationslagern produziert. Das Kuratorium unter Vorsitz vonBundestagspräsident Wolfgang Thierse beschloss daher, dietechnischen, rechtlichen und finanziellen Konsequenzen der Verwendungeines anderes Produktes zu prüfen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, PaulSpiegel, äußerte Verständnis für den Beschluss, Degussa nicht mehr amBau des Mahnmals zu beteiligen. Man könne nur um Respekt dafürbitten, dass Überlebende «diesen Gedanken nicht ertragen können»,auch wenn man sich dieser Sicht im Kontext des Mahnmals «rationalvielleicht nicht nähern kann».

Der Zentralrat respektiere daher den Beschluss, die Zusammenarbeitmit Degussa einzustellen, die selbstverständlich nichts mehr mit derFirma von damals gemeinsam habe, betonte Spiegel. «Aber hier spielenrein emotionale Dinge eine Rolle.»

Thierse sprach von «tief greifenden Meinungsverschiedenheiten» undeiner «unversöhnlichen Diskussion» im Kuratorium der «StiftungDenkmal für die ermordeten Juden Europas», so dass die Arbeitengestoppt werden mussten. «Es gab gute Gründe dafür, ein Unternehmen,das solch eine entsetzliche Vorgeschichte hat, das sich diesereigenen Geschichte aber auch gestellt und sie aufgearbeitet hat, ander Errichtung des Mahnmals zu beteiligen», sagte Thierse in der«Berliner Morgenpost» (Montagausgabe). «Dem stand jedoch entgegen,dass dieses Unternehmen für Zyklon B steht.»

Laut Thierse hat der Architekt des Denkmals, Peter Eisenman,selbst amerikanischer Jude, den Graffitischutz von Degussaausdrücklich als das beste, kostengünstigste und ästhetischattraktivste Produkt bezeichnet und keinerlei Einwände bezüglichDegussa vorgebracht.

Nach Darstellung des Berliner Anti-Graffiti-Experten Kurt Bauerproduzieren etwa 30 Firmen in Deutschland Systeme zum Graffiti-Schutz. Er teile nicht die Meinung des Architekten Eisenman, dass eskein besseres Mittel als das Degussa-Produkt Protectosil für dasMahnmal geben soll, sagte der Chemiker, der als Gutachter fürden Berliner Anti-Graffiti-Verein «Nofitti» tätig ist.

Die betroffene Spezialfirma für Oberflächenschutz EAG Efinger undAlbani in Hannover betonte dagegen, nach ihrer Ansicht gibt es zurZeit keine besseren beziehungsweise vergleichbarenOberflächenschutzprodukte auf dem Markt. Über den Einsatz des Mittelsbeim Holocaust-Mahnmal seien im übrigen alle Beteiligten schriftlichinformiert worden, sagte Geschäftsführer Bernd Efinger.

Eine Sprecherin des Berliner Bausenators Peter Strieder (SPD)räumte unterdessen ein, dass es in ihrer Verwaltung in diesem Fallbei den Abteilungsleitern an der notwendigen politischen Sensibilitätgefehlt habe, auch wenn es am fachlichen Verhalten nichts auszusetzengebe. Strieder erwarte aber von leitenden Beamten eine größereSensibilität in Grenzfällen wie diesen, der einen größerenDiskussionsbedarf erfordert hätte. So hätte darüber auch sofortKontakt mit der Jüdischen Gemeinde aufgenommen werden müssen.