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Glaubwürdig: Oliver Storz erzählt vom Krieg

Von Andreas Heimann 22.09.2008, 09:52

München/dpa. - Es ist ein heißer Sommer. Eigentlich könnten die Jugendlichen aus der Freibadclique entspannt dem Geschehen rund ums Becken zusehen.

Allerdings soll das Propagandaministerium gerade verboten haben, «Lili Marleen» weiter im Radio zu spielen. Und das verheißt nichts Gutes. Schon am Anfang von Oliver Storz' neuem Roman «Freibadclique» ist die Welt nicht mehr wirklich in Ordnung. Für die Fünfzehnjährigen, die eben noch in der Sonne lagen, ist der Sommer 1944 nur die Ruhe vor dem Sturm.

Ihre Geschichte in der Spätphase des Krieges und den Wirren der Besatzungszeit in der schwäbischen Provinz erzählt Oliver Storz so spannend und so glaubwürdig, als hätte er sie selbst erlebt. Storz ist tatsächlich Jahrgang 1929, so wie die Hauptfiguren seines Romans: Knuffke zum Beispiel, Luftkriegsflüchtling aus Berlin, oder Heiner Kuss, Spitzname Zungenkuss, die beide auf unschöne Art sterben werden.

Es ist die Geschichte von fünf Jugendlichen, die HJ-Führer abtörnend finden, die keine Lust haben auf Endsieg-Propaganda oder auf die Waffen-SS, aber auch keine Chance, all dem zu entkommen. Wenn es nach ihnen ginge, dann blieben sie auf der Liegewiese im Freibad, wo sie in der Sonne von Mädchen wie Lore und ihrem rotem Badeanzug träumen. Doch der Abschied von Lore kommt schnell mit der Einberufung zum «Westwall-Einsatz». «Bleibt übrig!» ruft sie den Jungs zu. Aber Übrigbleiben ist im letzten Kriegsjahr gar nicht so einfach.

Heiner Kuss kommt bei einem Tieffliegerangriff ums Leben, als er sich mit Durchfall in ein Maisfeld zurückzieht. Die lakonische, unpathetische Art, wie Storz die Szene schildert, ist typisch für den Roman: «Wir fanden den Zungenkuss in Hockstellung seitlich gekippt, die Hose in den Kniekehlen, sein Hals war aufgerissen, oder eher: Der Hals fehlte.» Storz erzählt Erlebnisse, die Psychologen traumatisch nennen würden, in einer distanzierten Unaufgeregtheit, die viel zur Glaubwürdigkeit seines Romans beiträgt.

Das gilt auch für die Dialoge zwischen den pubertierenden Teenagern. Nichts klingt so schnell abgedroschen oder abgeschrieben. Aber nicht bei Oliver Storz - was umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass der Autor auf die 80 zugeht. «Jugenderlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg, erzählt von einem greisen Autor - muss das noch sein?», könnten einige fragen. Es muss nicht, aber es darf auf jeden Fall, wenn es so gut erzählt ist wie bei Storz. Ihm ist mit der «Freibadclique» ein eindrucksvolles Spätwerk geglückt, das zurückgeht an die eigenen biografischen Wurzeln und diesen schwierigen Stoff souverän behandelt.

Oliver Storz:     

Die Freibadclique

SchirmerGraf Verlag, München

247 S., 19,80

Euro ISBN 978-3-86555-057-6